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Leoni löst sein Schuldscheinproblem

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Leoni-Werk in Langfang/China: Das drängendste Refinanzierungsproblem des angeschlagenen Autozulieferers steht kurz vor der Lösung.
Leoni

Für das drängendste Problem von Leoni scheint eine Lösung gefunden. Für den im März auslaufenden Schuldschein in Höhe von rund 170 Millionen Euro springen nach FINANCE-Informationen die Banken in die Bresche: Sie lassen zu, dass Mittel aus dem Betriebsmittelkredit, kurz RCF, genutzt werden, um die Schuldscheindarlehen zu par zurückzuzahlen. Das wäre rein rechnerisch möglich: Zuletzt summierten sich RCF, weitere freie Kreditlinien und Avale nach den ersten neun Monaten 2019 auf 457 Millionen Euro auf. Das würde theoretisch auch für die Refinanzierung einer weiteren, im November fälligen Schuldscheintranche in Höhe von 25 Millionen Euro reichen.

Die akute Liquiditätskrise wäre damit erst einmal gelöst. Mittelfristig könnten Factoring und ein geplanter Sale-and-Leaseback die Banklinien wieder frei machen. Auch der angekündigte Verkauf der Kabelsparte („Wire & Cable Solutions Division“) dürfte Geld in Leonis Kasse spülen. Zum Stand dieses M&A-Deals teilt das Unternehmen gegenüber FINANCE aber mit: „Die geplante Trennung von der WCS ist eine strategische Entscheidung mittelfristiger Natur und damit keine, die auf die kurzfristige Verbesserung der Liquidität ausgerichtet ist.“

Einzelne Banken prüfen Verkauf von Leoni-Krediten

Erst im Dezember hatte Leoni ein Sanierungsgutachten nach dem IDW Standard S 6 in Auftrag gegeben. Eine positive Fortführungsprognose benötigen die Banken, um Krisenfälle überhaupt weiter zu finanzieren. Nach FINANCE-Informationen soll es sich bei den Banken im Kern um die Deutsche Bank, die Commerzbank, die BayernLB, die Unicredit, die HSBC und die Citibank handeln.

„Paradox“ findet ein Frankfurter Beobachter das Vorgehen der Banken, die jetzt einerseits die Refinanzierung des Schuldscheins sichern, andererseits aber offenbar auch einen Verkauf der Kredite unter par in Betracht ziehen – zumindest manche von ihnen. Im Markt kursieren für Leoni-Kredite derzeit Preisindikationen in Höhe von 70 Prozent des Nennwerts. Noch sei jedoch kein Verkauf vollzogen worden, weil im Bankenkonsortium „ein gewisser Gruppenzwang zum Bleiben“ herrsche.

Banken fürchten anhaltende Schwäche bei Leoni

Der Kreditverkauf gilt bei Banken als „Ultima Ratio“, wenn sie den Prozess nicht mehr beeinflussen können oder die weitere Existenz des Unternehmens in Zweifel ziehen. Bei einigen früheren Krisenfällen in Deutschland sind Banken diesen Weg gegangen, etwa bei Jack Wolkskin. Speziell bei diesem Fall war der Kreditverkauf aber letztlich nicht  zu ihrem Vorteil – die Distressed-Investoren um Bain Capital, H.I.G. und CQS konnten ihre Anteile an Jack Wolfskin, die sie im Gegenzug für die Rückgabe der Kreditforderungen erhielten, später gewinnbringend an den US-Golfkonzern Callaway verkaufen.

FINANCE-Köpfe

Ingrid Jägering, Leoni AG

Ihre Karriere startet Ingrid Jägering 1998 bei Siemens und hat dort mehrere Führungspositionen im In- und Ausland inne, unter anderem als CFO der Windenergiesparte Siemens Wind Power in Dänemark. Nach vierzehn Jahren bei Siemens geht Jägering zu dem Großmotorenbauer Man Diesel & Turbo, wo sie zwischen 2012 und 2016 als Geschäftsführerin und CFO verschiedener Geschäftsbereiche tätig ist. Anschließend übernimmt sie verschiedene Führungspositionen bei Osram Opto Semiconductors. Seit August 2019 ist Jägering Finanzchefin bei dem Autozulieferer Leoni.

zum Profil

Die Angst der Banken vor einem weiteren Geschäftseinbruch bei Leoni ist nicht völlig unbegründet. Durch Risiken, etwa in Folge des Coronavirus, könnten die Absätze der Nürnberger in den kommenden Monaten weiter zurückgehen.

Im schlimmsten Fall wären die im aktuellen Sanierungsgutachten gemachten Annahmen dann nicht mehr zutreffend, was die gesamte Restrukturierung gefährden könnte.

Manövrierte Hans-Joachim Ziems die Banken aus?

Im Zusammenhang mit der nun eingeleiteten Refinanzierung des Schuldscheins könnte Leonis Hausbanken bereits im Sommer ein Fehler unterlaufen sein. Damals hätten sie über das Druckpotential verfügt, auf eine vorzeitige Verlängerung der Schuldscheindarlehen zu drängen, meint ein Restrukturierungsspezialist gegenüber FINANCE. Stattdessen hielten die Geldhäuser durch und übten offenbar starken Druck auf das Unternehmen aus, Hans-Joachim Ziems als Restrukturierungsberater zu installieren. 

Ziems ist als eigenständiger Geist bekannt – und er verfügt über ein berüchtigtes Verhandlungsgeschick. Einer, der ihn in Diskussionen erlebt hat, nennt ihn den „gewieftesten Taktiker“, den er kenne. Offenbar hat Ziems die Banken ausmanövriert, indem er ihnen jetzt eine Finanzierungszusage abgerungen hat, die sie eigentlich nicht geben wollten.

Leoni sagt bis heute, „dass die Nutzung des RCF eine der Optionen darstellt, um das im März anstehende Schuldscheindarlehen zu refinanzieren, wenn auch nicht die bevorzugte Option“. Mit dem Nürnberger Bordnetzspezialisten und Kabelhersteller betreut Ziems den derzeit wohl heißesten und größten Restrukturierungsfall im Autozuliefererbereich.

Bereits seit dem vergangenem Jahr wackelt Leoni nach massiven Ertragsrückgängen gefährlich. Nach den ersten neun Monaten des vergangenen Geschäftsjahrs sackte der Umsatz um 5,1 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro ab. Das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) war zuletzt tiefrot, im dritten Quartal 2019 belief es sich auf minus 67 Millionen Euro. Und der Cash-Drain ist dramatisch. Gelingt es dem Management um Finanzchefin Ingrid Jägering nicht, den Cashflow zu drehen, dürfte die Lösung der Schuldscheinfrage nicht mehr als eine kurze Atempause sein.  

markus.dentz[at]finance-magazin.de

Info

Lesen Sie mehr über die aktuellen Entwicklungen bei dem Automobilzulieferer auf unserer Themenseite zu Leoni. Mehr über die bisherige Karriere von Finanzchefin Ingrid Jägering erfahren Sie auf ihrem Profil bei FINANCE-Köpfe.

Markus Dentz ist Chefredakteur von FINANCE und der Fachzeitschrift DerTreasurer. Seine journalistischen Schwerpunktthemen sind Unternehmensfinanzierung, Restrukturierung und Treasury. Nach dem Studium und dem Volontariat beim F.A.Z.-Institut stieß Dentz zur FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH, einer Tochter der F.A.Z.-Verlagsgruppe und Herausgeberin von DerTreasurer und FINANCE. Mehrfach wurden seine Artikel aus den Bereichen Private Equity und M&A mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.