Private Equity und Wirtschaftsprüfer: Hochzeit mit Hindernissen

Der Markt für Wirtschaftsprüfung steht vor einem Umbruch. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz werden die Branche tiefgreifend verändern, gleichzeitig fehlt der Nachwuchs. Große Investitionen sind notwendig. Die Big Four PwC, EY, Deloitte und KPMG wollen jährlich dreistellige Millionenbeträge oder mehr in die Entwicklung von KI-Technologie und die Schulung der Mitarbeiter investieren. Den Next Six fehlt die finanzielle Schlagkraft, um hier mithalten zu können. Während hierzulande Deloitte – die kleinste der Big-Four-Gesellschaften – zuletzt einen Umsatz von mehr 2,5 Milliarden Euro erzielte, kratzen die Next Six BDO, RSM Ebner Stolz, Rödl & Partner, Forvis Mazars, Baker Tilly und Grant Thornton zusammengenommen an der Umsatzschwelle von 2 Milliarden Euro. Global sieht es nicht anders aus. Nach den Big Four kommt erst einmal lange nichts. Private Equity steigt bei Baker Tilly in den USA ein Um den Anschluss nicht komplett zu verlieren, haben in den USA und Großbritannien einige mittelständische Wirtschaftsprüfer frisches Wachstumskapital von Private-Equity-Investoren eingesammelt, im Gegenzug für Anteile. Alles zum Thema Private Equity In die Private-Equity-Branche fließt so viel Geld wie nie. Das heizt den Wettbewerb der Finanzinvestoren um Zielunternehmen an. Lesen Sie mehr auf der FINANCE-Themenseite. Mehr lesen So verkaufte Baker Tilly US im Februar Anteile an die beiden Private-Equity-Investoren Hellman & Friedman sowie Valeas Capital Partners. Dafür spaltet sich Baker Tilly auf in eine reine Beratungsgesellschaft und einen Wirtschaftsprüfer. Die beiden Private-Equity-Firmen erwerben Anteile am Beratungsgeschäft. Trotz Einstieg bleiben beide Geschäftseinheiten Partnerschaften, teilte Baker Tilly bei Verkündung des Deals mit. Für mehr als 50 Prozent der Anteile sollen die beiden Investoren Medienberichten zufolge 1 Milliarde Dollar bezahlt haben. Grant Thornton USA kauft Grant Thornton Irland Grant Thornton ist in den USA einen ähnlichen Schritt gegangen. Dort verkauften die Partner 60 Prozent des Beratungsgeschäfts an ein PE-Konsortium, das von New Mountain Capital angeführt wird. Der kolportierte Kaufpreis soll bei 1,4 Milliarden US-Dollar liegen. Über einen Management-Dienstleistungsvertrag sollen beide Einheiten verbunden bleiben. Teil des Deals ist zudem, dass Grant Thornton Irland seine Steuer- und Unternehmensberatung mit der von Grant Thornton US fusioniert. Die Wirtschaftsprüfung von GT Irland bleibt als unabhängige Partnerschaft organisiert. Doch damit nicht genug. Grant Thornton UK folgte im November und verkaufte die Mehrheit der Anteile an den Private-Equity-Investor Cinven. Die bisherigen Partner sollen als bedeutende Anteilseigner an Bord bleiben. Die Financial Times nannte unter Berufung auf mit dem Deal vertrauten Personen einen Kaufpreis von 1,3 Milliarden Pfund (umgerechnet rund 1,5 Milliarden Euro) – weniger als die 1,5 Milliarden Pfund, auf die die Partner offenbar gehofft hatten. Alles zum Thema Next Six Der Wirtschaftsprüfermarkt ist im Umbruch – das beeinflusst auch die „Next Six“, das Verfolgerfeld der „Big Four“ KPMG, PwC, Deloitte und EY. Alles zu Strategie, Personalien oder Mandatswechsel können Sie hier nachlesen. Mehr lesen Die Unternehmensbewertung kann sich wohl trotzdem sehen lassen: Gemessen am Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr von 654 Millionen Pfund käme man auf einen Umsatz-Multiple von 2x, was gemäß der FINANCE-Multiples deutlich über dem Branchendurchschnitt liegt. PE hat weitere Grant-Thornton-Einheiten im Blick Weitere Grant Thornton-Landesgesellschaften könnten folgen. So zeigt sich der CEO von Grant Thornton India in einem Interview mit „Financial News“ offen für einen PE-Einstieg. Gleiches gilt für die niederländische Division, die ebenfalls nach Investoren schauen soll. Auch beim deutschen Arm von Grant Thornton macht man sich Gedanken, wie sich die Next Six-Gesellschaft künftig aufstellen will. So zeigte sich Grant Thorntons Deutschlandchefin Heike Wieland-Blöse gegenüber der F.A.Z. offen für eine Beteiligung von Private Equity. Allerdings verhindert hierzulande das Fremdbesitzverbot den Einstieg von Finanzinvestoren. Wieland-Blöse hält die Regeln der Prüferordnung in diesem Punkt für zu strikt. „Die Welt hat sich geändert“, sagte sie Ende November der F.A.Z. Alles zum Thema Big Four Noch nie war der Wettbewerb zwischen KPMG, PwC, Deloitte und EY so hart wie jetzt. Wer schnappt sich die lukrativsten Mandate, wer wächst am stärksten und wer hat die beste Strategie? Mehr lesen Auch ihr Kollege Thomas Edenhofer von Baker Tilly Deutschland ist nicht grundsätzlich gegen den Einstieg von Finanzinvestoren. „Es ist zu begrüßen, dass in den vergangenen Jahren immer wieder neue unternehmerische Optionen dazugekommen sind – vor allem auch für die Unternehmensfinanzierung. Private Equity ist dabei nur eine von vielen möglichen Optionen, um Innovation und Wachstum zu finanzieren.“ Fremdbesitzverbot verhindert Private-Equity-Einstieg Die Wirtschaftsprüferordnung (WPO) legt fest, dass die Mehrheit der Anteile an einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WPG) bei Wirtschaftsprüfern oder der entsprechenden Gesellschaften liegen müssen. Eine Beteiligung durch Nicht-Wirtschaftsprüfer ist nur unter sehr restriktiven Bedingungen möglich. „Eine Beteiligung von Finanzinvestoren ist aktuell nicht gestattet.“ Melanie Sack, Sprecherin des Vorstands des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) „Zulässig sind in der Regel Steuerberater, Rechtsanwälte oder vereidigte Buchprüfer, die zudem aktiv in der Gesellschaft tätig sein müssen. Darüber hinaus können besonders befähigte Personen unter bestimmten Voraussetzungen als Gesellschafter zugelassen werden“, sagt Melanie Sack, Sprecherin des Vorstands des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) im Gespräch mit FINANCE. „Eine Beteiligung von Finanzinvestoren ist aktuell nicht gestattet.“ Allerdings sind über Strukturen mit Berufsausübungsgesellschaften aus Ländern mit weniger strengen Regeln wie etwa Luxemburg schon andere Beteiligungsmodelle möglich. PE-gestützte Gesellschaft Afileon will angreifen Diese Flexibilität hat sich die Partners Group zunutze gemacht. Der Schweizer Private-Equity-Investor hat zum Jahreswechsel rund 20 kleinere Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften sowie Rechtsanwaltskanzleien zusammengekauft und unter dem Namen Afileon zusammengefasst. Die Kanzleien gehen dabei eine wechselseitige Beteiligung ein, bei der die Partner direkt in die luxemburgische Muttergesellschaft von Afileon investiert sind und Afileon im Gegenzug die Anteile der Kanzlei übernimmt. Afileon übernimmt dabei Marketing, IT und das Personalwesen für die Kanzleien. Das Vorgehen der Partners Group erinnert dabei an die Private-Equity-Aktivitäten im Gesundheitssektor, wo Arztpraxen oder Pflegedienstleiter nach „Buy and Build“-Logik aufgekauft und zu Unternehmen mit einheitlicher Verwaltungsstruktur zusammengefasst werden. Das soll Synergien schaffen und die Effizienz steigern. WTS holt EQT an Bord So auch bei Afileon: Die neue Gesellschaft soll auf rund 100 Millionen Euro Umsatz kommen, womit sich der Kreis der Next Six erweitern würde. Laut „Manager Magazin“ soll der Umsatz in den nächsten drei Jahren auf 500 Millionen Euro gesteigert werden, sowohl durch organisches als auch anorganisches Wachstum. Damit würde Afileon zu den größten Nicht-Big-Four-Gesellschaften im deutschen Markt aufschließen: BDO und RSM Ebner Stolz. Mehr zum Thema WTS will mit Private-Equity-Hilfe die Big Four angreifen Der Private-Equity-Investor EQT steigt als Ankerinvestor bei WTS ein. WTS-CEO Fritz Esterer und EQT-Partner Matthias Wittkowski berichten über die Ziele der Partnerschaft. Mehr lesen Auch WTS will die größeren Häuser angreifen und zur Nummer 1 im europäischen Steuerberatungsmarkt aufsteigen. Dafür hat sich die Beratung erst kürzlich, Anfang April, mit dem schwedischen Finanzinvestor EQT verpartnert, der als Ankerinvestor bei WTS einsteigt und zudem Wachstumskapital bereitstellen will. Das Geld soll in Add-ons sowie in neue Technologien fließen; speziell die internationale Steuerpraxis WTS Global soll gestärkt werden. Vertragen sich Private Equity und Wirtschaftsprüfung? Doch der Einstieg von Finanzinvestoren wirft Fragen auf. Wirtschaftsprüfung sei eine hoheitliche Aufgabe, argumentieren Kritiker etwa. „Die zentrale Frage wird in der Frage von Vereinbarkeit von Rendite- und Qualitätsorientierung gesehen. Während der Berufsstand in erster Linie der Qualität verpflichtet gilt, wird bei Finanzinvestoren stärker die Gewinnmaximierung gesehen. Meines Erachtens liegt hier nicht zwingend ein Widerspruch vor“, sagt Sack. In bestimmten Konstellationen können allerdings Interessenkonflikte entstehen, etwa wenn ein Wirtschaftsprüfer ein Unternehmen prüft, hinter dem derselbe Investor steht. „Je nachdem welches Ausstiegsszenario die Landesgesellschaften wählen werden, kann das das gesamte Netzwerk sprengen.“ Partner einer Big-Four-Gesellschaft Hinzu kommt, dass die Private-Equity-Liaison lediglich eine Kooperation auf Zeit ist. Die Investoren halten ihre Anteile meist zwischen fünf und sieben Jahre und suchen dann den Exit – entweder durch den Verkauf oder einen Börsengang. Sind unterschiedliche Investoren an Bord, werden die Exit-Szenarien wie im Fall von Grant Thornton möglicherweise komplizierter: „Je nachdem welches Ausstiegsszenario die Landesgesellschaften wählen werden, kann das das gesamte Netzwerk sprengen“, unkt ein Big-Four-Partner, der namentlich nicht genannt werden will. Ist eine Beteiligungsgrenze die Antwort? IDW-Vorstandssprecherin Sack hält auch Schutzmaßnahmen wie eine Beteiligungsgrenze für Finanzinvestoren für denkbar. „Diese könnte bei 25 oder 49 Prozent der Anteile und Stimmrechte liegen. Zudem könnten bestimmte berufsrechtliche Verpflichtungen auch für Investoren gelten, um qualitätssenkende Einflussnahme auf strategische Entscheidungen zu verhindern.“ Mehr zum Thema IDW-Chefin Melanie Sack: „KI macht die Abschlussprüfung nicht günstiger“ Melanie Sack ist neue Vorstandssprecherin des IDW. Im Interview verrät sie, warum der Wirtschaftsprüfer trotz KI das letzte Wort haben wird und wie die Branche die Masse an Nachhaltigkeitsberichten prüfen will. Mehr lesen Der Big-Four-Partner, der anonym bleiben möchte, hält es für möglich, dass mehr Gesellschaften das Beratungs- vom Prüfgeschäft abspalten werden, damit beide Geschäftsbereiche unabhängiger agieren können. „Die WP-Gesellschaften bleiben dabei in Hand der Partner, die Beratungen können sich nach Belieben für Investoren öffnen.“ Branche uneins über Private-Equity-Einstieg Bis jedoch Finanzinvestoren direkt in WP-Gesellschaften einsteigen können, wird noch Zeit vergehen. „Der Berufsstand ist in dieser Frage gespalten. Einige sehen in der Öffnung eine große Chance, andere haben große Bedenken, das hängt auch mit der individuellen Situation und zum Beispiel Investitionserfordernissen zusammen“, fasst Sack das aktuelle Stimmungsbild der Branche zusammen. Zumindest eine Lockerung des strikten Fremdbesitzverbots hält sie sogar noch für dieses Jahr möglich, sollte sich die künftige Bundesregierung schnell genug konstituieren und die schon von der Ampel angedachten Reform der Wirtschaftsprüferordnung umsetzen. „Wir setzen uns dafür ein, dass zumindest fachspezifische Experten als Gesellschafter zugelassen werden. Diese Öffnung für Experten aus verwandten Fachbereichen haben wir bereits in der Stellungnahme zur WPO-Änderung unterstützt“, sagt Sack. „Eine umfassendere Öffnung für Finanzinvestoren wird sicherlich länger dauern. Es gibt noch viele offene Fragen und unterschiedliche Meinungen innerhalb des Berufsstandes. Wir wollen den Prozess aktiv begleiten und gestalten, statt nur abzuwarten, was in anderen Ländern passiert.“

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