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Radikaler Schritt: EY will sich aufspalten

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Der Prüfgigant EY will sich aufspalten. Foto: Sundry Photography-stock.adobe.com
Der Prüfgigant EY will sich aufspalten. Foto: Sundry Photography-stock.adobe.com

Im Mai sickerten erstmals Gerüchte durch, nun ist es offiziell: Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY plant eine Trennung ihrer Geschäftsfelder. EY Global habe „die Entscheidung getroffen, der Partnerschaft den Vorschlag zur Aufspaltung in zwei getrennte, multi-disziplinäre Organisationen zu unterbreiten“, verkündete das Big-Four-Haus am Donnerstagabend.

In einem nächsten Schritt werde man nun in einen „umfassenden Informationsaustausch“ mit allen EY-Partnern treten. Die Gesellschaft geht davon aus, dass diese Phase bis Ende des Jahres andauern wird. Die Abstimmung der Partnerschaften in den jeweiligen Ländern soll Ende 2022 starten und Anfang 2023 beendet sein.

Big Four kämpfen mit großen Unabhängigkeitskonflikten

„EY hat verschiedene Optionen sorgfältig abgewogen und ist davon überzeugt, dass die Trennung der Geschäftsbereiche helfen wird, die Chancen des sich verändernden Marktumfelds besser zu nutzen“, so die Begründung von EY zu diesem großen Schritt. Nach dem Wirecard-Skandal hatte der Gesetzgeber das Wirtschaftsprüfungsgeschäft derart stark reguliert, dass es immer weniger Sinn ergibt, Prüfung und Beratung aus einer Hand anzubieten. So verbietet das neue Gesetz FISG fast vollständig die gleichzeitige Beratung und Prüfung bei demselben Unternehmen – vor dem FISG war zumindest noch die Steuerberatung erlaubt, andere Beratungsleistungen waren teilweise gedeckelt.

Die neue Regelung macht es für die großen Prüf- und Beratungskonzerne immer schwieriger, Unabhängigkeitskonflikte zu vermeiden. Das Monitoring sämtlicher Leistungen in allen Ländern wird immer komplexer. Und auch für Unternehmen ist die Situation schwieriger geworden: Sie müssen genau überlegen, welchem Big-Four-Haus sie überhaupt noch Beratungsaufträge geben, um dieses nicht für Prüfungsleistungen zu blockieren. Etliche Unternehmen mussten sich zuletzt außerdem auf die Suche nach einem neuen Steuerberater machen.

Profitiert haben davon allerdings die kleineren WP- und Beratungsgesellschaften (Next Six), die für viele Unternehmen mit einem Mal stärker denn je infrage kamen. Durch die Aufspaltung wird nun aber auch EY zum neuen Konkurrenten für die Next Six.

PwC, Deloitte und KPMG wollen sich nicht aufspalten

Weitere Details zur neuen Struktur gab EY nicht bekannt. In der Vergangenheit war spekuliert worden, dass das Beratungsgeschäft an die Börse gehen könnte, während das Prüfungsgeschäft weiterhin als Partnerschaft bestehen bleiben würde. Die große Frage würde dann sein, wie die Pensionslasten verteilt und die Prüfer kompensiert werden sollen. Unklar ist auch, wie genau die Zuordnung der Mitarbeiter sein würde – IT-Experten beispielsweise könnten sowohl in der Beratungs- als auch Prüfungssparte unterkommen.

Klar ist, dass dieser Schritt die Branche deutlich umwälzen wird – es ist die größte Veränderung seit dem Enron-Skandal Anfang der 2000er-Jahre, als sich die Prüfgesellschaft Arthur Andersen aus dem Markt gezogen hat und aus den Big Five die Big Four wurden.

KPMG, PwC und Deloitte scheinen jedoch vorerst nicht nachziehen zu wollen, betonen die drei Konkurrenten doch stets, bei der interdisziplinären Aufstellung zu bleiben. Grundsätzlich profitieren die Gesellschaften von der breiten Aufstellung: Die Beratungssparte macht die Big Four attraktiver am Karrieremarkt, sie können sowohl für das Prüfungs- als auch Beratungsgeschäft ein breitgefächertes Know-how bei den Mitarbeitern vorhalten und die teils niedrigen Honorare für die Prüfungen durch hohe Tagessätze in der Beratung kompensieren. Auch stabilisiert das planbare Prüfgeschäft das volatile Beratungsgeschäft.

Werden aus den Big Four die Big Five?

Ob KPMG, Deloitte und PwC allerdings auch weiterhin bei ihrer Entscheidung bleiben, nun da EY mit der Aufspaltung ernst macht, ist die große Frage – immerhin werden die beiden eigenständigen EY-Gesellschaften dann zu einem neuen großen Konkurrenten, der keine Unabhängigkeitskonflikte mehr fürchten muss.

In Deutschland setzte EY zuletzt (Geschäftsjahr 2020/21) 2,122 Milliarden Euro um und war damit die Nummer 2 hinter PwC. Das Geschäft mit der Wirtschaftsprüfung erwirtschaftete 684 Millionen Euro, die restlichen Beratungsgeschäfte (Tax & Legal, Strategy & Transacations sowie Consulting) setzten zusammengerechnet rund 1,44 Milliarden Euro um.

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Falls die Aufteilung der Umsätze auf die beiden neuen Unternehmen in etwa so stattfinden würde, entstünden also zwei neue große Player auf dem Markt. Zum Vergleich: Die derzeit kleineste der Big Four – Deloitte – setzte in Deutschland zuletzt insgesamt 1,55 Milliarden Euro um, davon rund 1,1 Milliarden Euro mit den Beratungsgeschäften alleine.

Die Bezeichnung „Big Four“ wäre mit dem Schritt von EY vermutlich hinfällig, womöglich gäbe es dann die „Big Five“ mit zwei separaten EY-Gesellschaften. Die bisherigen Verfolger von KPMG, EY, Deloitte und PwC wären trotzdem immer noch ein gutes Stück abgeschlagen: Die momentane Nummer 5 in Deutschland – BDO – setzte 2021 insgesamt 304 Millionen Euro um.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.