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Brexit treibt asiatische Banken nach Frankfurt

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Chinesische und japanische Banken kommen im Zuge des Brexit nach Frankfurt.
Meinzahn/iStock/Thinkstock/Getty Images

Die fünf großen chinesischen Staatsbanken haben bereits Büros in Frankfurt, jetzt folgt die erste chinesische Investmentbank: Die China International Capital Corporation (CICC) hat die Main-Metropole im Zuge des Brexit zu ihrem Unternehmenssitz für Kontinentaleuropa auserkoren, teilte vor einigen Tagen die Lobby-Organisation Frankfurt Main Finance mit.

Kurz zuvor hatte sich bereits die ebenfalls chinesische Bank Essence Securities für Frankfurt als Europa-Hub entschieden. Schon im vergangenen Jahr hatten vier der fünf großen japanischen Investmentbanken angekündigt, wegen des Brexit ihren EU-Sitz von London nach Frankfurt zu verlegen. Die ersten neuen Mitarbeiter haben inzwischen die Arbeit aufgenommen. Da Großbritannien den europäischen Binnenmarkt verlassen will, können Banken ihre Finanzgeschäfte auf dem Kontinent künftig nicht mehr uneingeschränkt mit einer britischen Lizenz tätigen.

Deutschland profitiert von Kontakten nach China

Warum zieht es die asiatischen Häuser ausgerechnet nach Frankfurt – und nicht nach Dublin oder Paris, das unter Präsident Emmanuel Macron, einem früheren Investmentbanker, im Kampf um die Brexit-Banken aufzuholen scheint?

Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, sieht einen wesentlichen Grund in der Wirtschaftsstärke Deutschlands: „Mit 187 Milliarden Euro ist das chinesische Handelsvolumen mit Deutschland so groß wie der chinesische Handel mit Frankreich, Italien und Großbritannien zusammen“, sagt der oberste Finanzplatz-Lobbyist. Zudem pflege die Bundesregierung enge politische Beziehungen zu China. Angesichts des von den USA angezettelten Handelskrieges werden diese Bande gerade noch vertieft.

„Es kann einen handfesten finanziellen Vorteil haben, sich in Deutschland niederzulassen.“

Hubertus Väth, Geschäftsführer Frankfurt Main Finance

Belebt CICC den Börsenplatz Ceinex?

Jenseits der politischen und geostrategischen Überlegungen profitiert der Finanzplatz Frankfurt im Werben um Investmentbanken aber auch vom AAA-Rating Deutschlands: „Limite im Derivatehandel sind unter anderem an das Rating des Kontrahenten gekoppelt – und dieses wiederum wird auch vom Länderrating beeinflusst, dazu kommt eine Komponente, die auf der Bilanz des Landes beruht“, sagt Väth. „Damit kann es einen handfesten finanziellen Vorteil haben, sich in Deutschland niederzulassen.“  Luxemburg und Dublin können bei den Länderlimiten nicht mithalten, eher noch die Niederlande und Frankreich.

Für chinesische Investmentbanken kommt hinzu, dass es in der Main-Metropole mit der Ceinex den bis dato einzigen chinesisch-europäischen Handelsplatz gibt. Die Frankfurter und die Shanghaier Börse hatten dieses Joint Venture vor drei Jahren gegründet, um im großem Stil China-Aktien nach Frankfurt zu holen. Gelungen ist das bislang allerdings nicht: Gerade einmal 70 Wertpapiere sind an der Ceinex gelistet, vor allem börsennotierte Fonds (ETFs).

Mit der Ansiedlung der CICC und der Bank Essence Securities in Frankfurt erhofft sich Ceinex nun offenbar neuen Schwung für den Offshore-Handelsplatz. Für die Investmentbanken wiederum könnte das Market Making und die Beratung von Unternehmen, die eine Zweitnotiz oder eine Bondplatzierung an der Ceinex planen, interessant sein. 

Immerhin: Im Juni entschied sich mit dem Haushaltsgeräteriesen Haier das erste chinesische Unternehmen für ein Zweit-Listing in Frankfurt. Damit will sich der Konzern bei europäischen Investoren bekannter machen und verschafft sich zugleich leichteren Zugang zu den hiesigen Märkten für Eigen- und Fremdkapital – für den Fall, dass eine größere Übernahme ansteht. 

CICC: In China groß, im Ausland unbekannt

Die CICC möchte sich nicht zu ihren Plänen in Deutschland äußern. Im Ausland ist die 1995 als Joint Venture der US-Investmentbank Morgan Stanley und der chinesischen Regierung gestartete Bank bisher weitestgehend unbekannt. Von chinesischen Unternehmen wird sie dagegen bereits regelmäßig für M&A-Deals, Bondplatzierungen und IPOs mandatiert. Zuletzt begleitete die CICC etwa gemeinsam mit Goldman Sachs den 10 Milliarden Dollar schweren Börsengang des chinesischen Telekom-Infrastrukturbestreibers China Tower.

Doch der asiatische Kapitalmarkt reicht der CICC nicht: Sie will ihr internationales Netzwerk erklärtermaßen ausbauen.  Frankfurt ist der sechste Standort der Bank außerhalb Chinas. Neben London ist die Bank noch in Hongkong, Singapur sowie New York und San Francisco tätig. 

China-Banken buhlen um deutsche Unternehmen

Obwohl die CICC seit drei Jahren an der Hongkonger Börse notiert ist, befindet sich weiterhin knapp die Hälfte der Anteile in Staatsbesitz. Entsprechend darf man davon ausgehen, dass die Bank mit der Ansiedlung in Frankfurt auch die Interessen der Regierung vertritt. Ob sich dieses darauf beschränkt, hierzulande nur chinesische Unternehmen zu betreuen, ist fraglich.

Denn Fakt ist: Die anderen fünf in Frankfurt ansässigen chinesischen Staatsbanken buhlen längst auch um die Gunst von CFOs deutscher Unternehmen. Im Fokus stehen dabei allerdings klassische Corporate-Banking-Angebote wie Kredite, Zahlungsverkehr, Handelsfinanzierungen und Bürgschaften, die mit dem Geschäft einer Investmentbank wie der CICC nicht viel zu tun haben.

Im Kapitalmarktgeschäft treten die chinesischen Banken in Deutschland dagegen bislang kaum in Erscheinung.  Lediglich im Debt-Capital-Markets-Geschäft gelingt es ihnen vereinzelt, als Arrangeur für Schuldscheine oder Anleihen deutscher Unternehmen zu fungieren. Eine ernsthafte Gefahr für die Platzhirsche im Geschäft mit deutschen Firmenkunden sind Bank of China und Co. bisher nicht.

Im Kapitalmarktgeschäft treten die chinesischen Banken in Deutschland bislang kaum in Erscheinung. Aber sie rüsten auf.

Aber die chinesischen Banken rüsten auf, was nicht nur die Ansiedlung der CICC in Frankfurt zeigt: Die größte Bank aus dem Reich der Mitte, die ICBC, hat gerade eine Kooperation mit der Commerzbank geschlossen. Gemeinsam wollen die Häuser Projekt- und Handelsfinanzierungen, aber auch das Kapitalmarktgeschäft deutscher Unternehmen im Zusammenhang mit der chinesischen „Belt & Road“-Initiative („Neue Seidenstraße“) unterstützen. Bei der Bank of China wiederum gibt es FINANCE-Informationen zufolge Überlegungen, hierzulande ein Kapitalmarktgeschäft aufzubauen – insbesondere die Begleitung von Anleiheemissionen und die M&A-Beratung steht im Fokus.

Frankfurt gewinnt 24 Brexit-Banken

Aber nicht nur chinesische und japanische Investmentbanken kommen im Zuge des Brexit nach Frankfurt. Insgesamt hat die Main-Metropole nach Zählung von Frankfurt Main Finance bis heute 24 Banken angelockt. Die Liste umfasst sowohl Banken, die ihren EU-Sitz von London nach Frankfurt verlegen, als auch solche Institute, die lediglich Teile ihres Geschäfts in die Main-Metropole umziehen.

„Erst 50 Banken haben eine Entscheidung über ihre Post-Brexit-Aufstellung getroffen und auch kommuniziert.“

Hubertus Väth

Dazu gehören mit der Citibank, JP Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, der Silicon Valley Bank  und Oppenheim auch sechs US-amerikanische Banken sowie zwei britische Häuser (Lloyds und Standard Chartered) und die UBS. „Paris kann dagegen nur eine Handvoll Institute vorweisen“, stichelt Finanzplatzvertreter Väth.

Allerdings ist der größte Teil des Kuchens noch gar nicht verteilt: Frankfurt Main Finance zufolge betreiben etwa 150 Häuser mindestens Teile ihre EU-Geschäfts derzeit aus der Londoner City heraus. „Davon haben aber erst 50 Banken eine Entscheidung über ihre Post-Brexit-Aufstellung getroffen und auch kommuniziert“, so Väth.

Doch die Zeit drängt: In acht Monaten will das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen. Die Wertpapieraufsichtsbehörde Esma sah sich kürzlich sogar zu einem öffentlichen Appell genötigt: Sie forderte die Geldhäuser auf, noch diesen Monat in einem EU-Staat eine Lizenz zu beantragen. Es gebe keine Garantie für eine Übergangsfrist nach März 2019. Einige Häuser scheinen darauf spekuliert zu haben.

desiree.backhaus[at]finance-magazin.de

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