Das Paradoxon der Deutschen Bank

Die Zwillingstürme glänzen im Licht der Sommersonne. Inzwischen gibt es zwar viele neue Hochhäuser in der Frankfurter City, doch das Deutsche-Bank-Duo, Ende der 1970er Jahre erbaut und 155 Meter hoch, bleibt der Hingucker an der Taunusanlage. Bankchef Christian Sewing könnte zufrieden sein, glänzt sein Institut doch seit langem wieder mit Rekordgewinnen. Im Geschäftsjahr 2023 erwirtschaftete die Deutsche Bank einen Gewinn von rund 4,2 Milliarden Euro – es war das beste Ergebnis seit Jahren. Und doch kämpfen die „Blauen“ auch anno 2024 mit Rückschlägen – und die haben mit dem Kauf der Postbank vor rund 15 Jahren zu tun. Zum einen musste Sewing zuletzt Ende April eine Ad-hoc-Meldung an die Aktionäre senden, mit dem bitteren Inhalt, dass das freiwillige Übernahmeangebot an Postbank-Aktionäre aus dem Jahr 2010 noch Geld kosten könnte. Der Aktienkurs der Bank ging daraufhin auf Tauchkurs und hat sich nur mühsam erholt. Im vergangenen Jahr schockte die Bank mit der IT-Integration der Postbank: Beginnend im ersten Halbjahr 2023, wurden die Daten von zwölf Millionen Kunden in mehreren Wellen migriert. Neuer Speicherort ist die Cloud des Mutterkonzerns Deutsche Bank. Doch das lief bekanntlich ebenfalls nicht reibungslos: Zahlreiche Privat- und Geschäftskunden hatten mit fehlerhaften Konto- und Kreditdaten zu kämpfen. Bei einem Empfang im Herbst 2023 versicherten Christian Sewing und der neue Privatkundenvorstand Claudio de Sanctis vor Journalisten noch, dass man mit aller Kraft an den Problemen arbeite. Zum Teil wurden Spezialisten aus anderen Bereichen abgezogen, um in Arbeitsgruppen die Probleme zu lösen. Indes, über Nacht ließen sich diese auch mit vereinten Kräften nicht wegwischen – und hallen auch jetzt, ein Jahr später noch nach. Das sagen CFOs und Treasurer Deswegen stellt sich die Frage: Wie schauen Firmenkunden in diesem Jahr auf die Bank? Sind auch sie von den IT-Problemen betroffen? Mehr Auskunft gibt der aktuelle FINANCE-Banken-Survey. Für diesen hat FINANCE in Kooperation mit F.A.Z. Business Media | Research in diesem Jahr wieder zahlreiche CFOs, Finanzleiter und Treasurer befragt. Die Umfrage existiert bereits seit 2015, als vollumfängliche Studie seit 2020. Befragt werden die Firmenkunden zum einen nach aktuellen Themen, zum anderen nach ihrer Einschätzung, wie stark die Banken in einzelnen Produktkategorien sind. Dabei ergibt sich ein differenziertes Bild, das klar die Stärken und Schwächen einzelner Institute zeigt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen überrascht das gute Abschneiden der Deutschen Bank bei der diesjährigen Befragung beinahe. Sie verteidigt ihren Spitzenplatz als beste Firmenkundenbank aus dem vergangenen Jahr gegen die Konkurrenz der Commerzbank. Beide Häuser haben sich beim Banken-Survey über viele Jahre ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert, bei dem sie regelmäßig die Spitzenposition getauscht haben. Auch diesmal liegen die beiden Frankfurter Banken wieder deutlich vor dem restlichen Feld. Die breite Mehrheit der Befragten nennt die beiden Geldhäuser jeweils als eine der drei führenden Banken im deutschen Firmenkundengeschäft. Ranking: Führende Banken im deutschen Firmenkundengeschäft Rang 2024BankRang 20231Deutsche Bank12Commerzbank23HVB/Unicredit34LBBW45DZ Bank56BNP Paribas67HSBC78BayernLB99ING1010Helaba8Quellen: FINANCE; F.A.Z. Business Media | Research Deutsche Bank bei Large Caps vorn Eine besondere Stärke entfaltet die Deutsche Bank bei den Unternehmen jenseits der 1-Milliarde-Euro-Umsatz-Schwelle. Bei diesen erhält sie das Votum von sieben von zehn Befragten. Auch in der Kategorie Hausbank liegt die Deutsche Bank ganz vorn. Darauf haben die „Blauen“ seit mehreren Jahren stark abgezielt, spätestens seit dem Umbau der Unternehmensbank ab 2019 unter Stefan Hoops (heute DWS-CEO). „Unser Fokus muss darauf liegen, unsere 700 Kolleginnen und Kollegen, die in Deutschland den gehobenen Mittelstand betreuen, in die Lage zu versetzen, unseren Kunden alles anbieten zu können, was wir im Portfolio haben: unsere starken Produkte, auch in den privaten Bereich hinein, und unsere globale Präsenz“, sagte Jan-Philipp Gillmann Anfang des Jahres im Interview mit FINANCE. Diese Strategie zahlt sich offenbar aus: Im Cash Management/Zahlungsverkehr sowie in der Handels- und Exportfinanzierung positioniert sich die Deutsche vor der Commerzbank. Besonders werden sich die „Blauen“ freuen, dass sie den Schwaben der LBBW den Thron bei der ESG-Beratung abjagen konnten und diese auf den fünften Platz abrutschen. Allerdings liegen die Führenden Deutsche Bank, Commerzbank und Hypovereinsbank nur um Haaresbreite auseinander. Ganz vorne ist die Deutsche Bank selbst in den Sparten des Investmentbankings – der Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung sowie der M&A-Beratung; hier liegt sie selbst vor der US-Konkurrenz wie Goldman Sachs oder JP Morgan. Auch wenn ihr das ein oder andere spannende Investmentbanking-Mandat in den vergangenen Monaten durch die Lappen gegangen ist. Weh tat etwa, beim Porsche-IPO nicht im Lead gewesen zu sein. Und dennoch schätzen viele CFOs und Treasurer die Bank bei der Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung als top ein. Mehr zum Thema Wie sicher ist die Deutsche Bank, Herr Gillmann? Von Bankenbeben bis Zinswende: Die Deutsche Bank hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Jan-Philipp Gillmann, Leiter des Firmenkundengeschäfts in Deutschland, stellt sich den Fragen von FINANCE. Mehr lesen Missglückte IT-Integration So weit, so gut. Doch neben all dem Lob hält der neue Banken-Survey auch geharnischte Kritik bereit. „Ein einziges Fiasko“ sei die Integration Postbank/Deutsche Bank, schreibt ein Befragter. „Mit welcher Ignoranz den Problemen der Privat- wie Geschäftskunden von Seiten der Deutschen Bank begegnet wurde, war eine Beleidigung auch nur durchschnittlicher Kundenansprüche.“ Er weitet die Kritik allerdings auf den Sektor generell aus: „Andere Banken tun sich ähnlich schwer.“ Statt Millionen in „Investmentmitarbeiter zu stecken“, hätten die Geschäftsbanken seit Jahren in ihre IT-Infrastruktur investieren sollen. Ein anderer schreibt: „Die Integration von der Postbank auf die Deutsche Bank war katastrophal.“ Jene der Dresdner in die Commerzbank sei seinerzeit hingegen „deutlich besser“ gemanagt worden. Die Kunden identifizierten „sehr viele Fehler und sehr umständliche Umsetzung“. Sein Fazit: Die Digitalisierung stecke immer noch in den Kinderschuhen. Insgesamt 19 Prozent der Befragten waren von den IT-Problemen mit der Postbank direkt oder indirekt betroffen. Oder wenn man es positiv sehen möchte: 76 Prozent der Corporates geben hingegen an, die Situation habe sie nicht beeinträchtigt. In diese Gruppe dürften aber auch viele zählen, die keine Kundenbeziehung zur Deutschen oder Postbank unterhalten. „Die Integration von der Postbank auf die Deutsche Bank war katastrophal.“ ein Finanzentscheider Die Digitalisierung ist kein Problem der Deutschen Bank allein. „Die Banken haben sich bis jetzt in Richtung Digitalisierung kaum bewegt“, kritisiert ein Befragter. Die meisten Prozesse seien „sehr ineffizient und langwierig“. „Es spielt dabei keine Rolle, welche Größe eine Bank hat“, lautet das vernichtende Urteil eines Finanzentscheiders. Es verwundert daher nicht, dass die Deutsche Bank beim Thema Digitalisierung keinen Top-Platz einnimmt, sondern in dieser Kategorie hinter den Wettbewerbern Commerzbank und Hypovereinsbank landet, die sich Platz 1 teilen. Eine richtige Klatsche bekommt die Deutsche Bank beim Service-Level. Dort stürzt sie von Rang 4 (2023) auf Rang 14 (2024) ab. Die Bewertung liegt im Schnitt bei 6,47 Punkten auf einer Skala von 1 (sehr schwach) bis 10 (sehr stark). Eine ganze Armada von Instituten konnte sich vor der Deutschen positionieren. Angeführt wird das Feld von der LBBW mit einem Wert von 7,72, die damit den ersten Platz aus dem Vorjahr hält. Es scheint ganz so, als würden sich die Digitalprobleme bei der Postbank auch auf den Service-Level der „Blauen“ auswirken. Alles zum Thema Firmenkundengeschäft Margendruck, Restrukturierungen, angriffslustige Auslandsbanken: Alles Wichtige zum harten Kampf im deutschen Firmenkundengeschäft. Mehr lesen Digitalisierung ist Branchenproblem Betrachtet man einzelne Felder der Digitalisierung genauer, fällt das Urteil der Kunden differenziert aus. Beim Thema Cybersecurity geben die Befragten den Banken noch eine verhältnismäßig gute 2– (in Schulnoten ausgedrückt). In diesem Kernfeld müssen die Kreditinstitute Milliarden investieren, denn hier drohen die höchsten Verluste und Compliance-Probleme. Folglich bekommen die Geldhäuser an dieser Stelle auch den meisten Druck seitens der Aufsicht. Die IT-Kompetenzen im Bereich Digital Banking Services bewerten die Befragten hingegen etwas schlechter mit der durchschnittlichen Schulnote 3 (2,95). Die häufigsten Noten sind „befriedigend“ (40 Prozent), „gut“ (37 Prozent) und „ausreichend“ (13 Prozent). Am schwächsten benoten die Umfrageteilnehmer die Banken hinsichtlich der Nutzung von Künstlicher Intelligenz. In diesem wichtigen Zukunftsfeld erhalten die Institute lediglich eine 4, also ausreichend. Hier scheinen US-Banken schon fortschrittlicher zu sein. „Amerikanische Großbanken haben bereits KI-gestützte Tools in ihre Angebote implementiert, generieren auf Knopfdruck individualisierte Anlagemöglichkeiten oder bewerten Szenarien“, schreibt ein Befragter. Deutsche Kreditinstitute hätten die KI „höchstens als Chatroboter für Kundenanfragen in Benutzung“. „Deutsche Kreditinstitute nutzen KI höchstens als Chatroboter.“ ein befragter CFO Commerzbank punktet mit hoher Konstanz Im Vergleich zur Deutschen Bank ist die Commerzbank in diesem Jahr etwas unauffälliger, im Positiven wie im Negativen. Sie hat zwar im Bereich Cash Management/Zahlungsverkehr den ersten Platz an die Deutsche Bank verloren, zeichnet sich aber insgesamt durch eine hohe Konstanz aus: Ihre Vorjahresplatzierungen wiederholt sie in sieben Kategorien, wozu auch drei Siege gehören. Die Commerzbank bleibt die Macht im Mittelstand. Foto: Commerzbank AG Im Firmenkundengeschäft sehen jedoch nur noch 54 Prozent der Befragten sie als führend, was einem Rückgang gegenüber 2023 von 10 Prozentpunkten entspricht. Damit fallen die „Gelben“ im Wettstreit mit der Deutschen Bank etwas zurück, sichern sich aber dennoch souverän den zweiten Platz mit deutlichem Abstand zur drittplatzierten HVB/Unicredit. Die Spitzenposition als verbreitetste Hausbank verliert die Commerzbank in diesem Jahr knapp an die Deutsche Bank. Etwa sechs von zehn Befragten haben diese Art von Beziehung zu den „Gelben“. Dafür bleibt das Geldhaus bei der Verankerung im Mittelstand unangefochten an der Spitze. 60 Prozent der CFOs sehen die Commerzbank als sehr stark in diesem wichtigen Wirtschaftsteil verwurzelt. Das ist der höchste Stimmenanteil für ein Institut über alle Survey-Kategorien hinweg. Die zweitplatzierte LBBW liegt 26 Prozentpunkte dahinter. In den Kategorien Kreditvergabe und Digitalisierung entscheidet die Commerzbank das Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Deutschen Bank ebenfalls für sich. Im Falle der Digitalisierung teilt sie sich den Sieg mit der HVB/Unicredit. Sie wiederholt 2024 zudem ihren zweiten Platz als Handels- und Exportfinanzier sowie in der Kategorie ESG-Beratung. Das Ranking des Geldhauses im ECM-Geschäft (Rang 5) und bei der Anleiheplatzierung (Rang 6) bleibt ebenfalls unverändert. Allerdings wird der Service-Level der Commerzbank diesmal nicht so hoch bewertet wie im Vorjahr. Mit einem Mittelwert von 7,06 auf einer 10er-Skala verschlechtert sie sich um 0,24 Punkte und fällt von Rang 3 auf Platz 5 – liegt damit aber deutlich vor der Deutschen Bank (Rang 14). Hypovereinsbank bleibt dritte Kraft Deutlich besser schätzen die Befragten den Service-Level der Hypovereinsbank ein. Die Münchener Bank, die gerade den Abschied von Firmenkundenchef Jan Kupfer zum Jahresende angekündigt hat, komplettiert das Podest der führenden Häuser im deutschen Firmenkundengeschäft wie bereits im Vorjahr. Mit einem Stimmenanteil von 37 Prozent der Befragten beträgt der Abstand der HVB/Unicredit zur zweitplatzierten Commerzbank 17 Prozentpunkte – und zur viertplatzierten LBBW 7 Prozentpunkte. Eine wichtige Stütze für die HVB/Unicredit ist der Rückhalt bei Unternehmen mit weniger als 250 Millionen Euro Jahresumsatz. In dieser Gruppe sieht mehr als die Hälfte das Institut als führend an. Den dritten Platz aus dem Vorjahr wiederholt die Hypovereinsbank auch im Hausbanken-Ranking. Nach einem Zuwachs von 4 Prozentpunkten geben 56 Prozent der Finanzverantwortlichen an, eine entsprechende Beziehung zu unterhalten. Damit ist das Geldhaus eines von nur dreien mit Stimmenanteilen von mehr als 50 Prozent in diesem Ranking. Banken-Ranking: Verankerung im Mittelstand Rang 2024BankRang 20231Commerzbank12LBBW43HVB/Unicredit34Deutsche Bank25DZ Bank56BayernLB67Helaba78IKB99NordLB1210BNP Paribas7Quellen: FINANCE; F.A.Z. Business Media | Research Bei den Produktkategorien etabliert sich die HVB/Unicredit ebenfalls als dritte Kraft. So werden die Münchener erneut Dritter in den Bereichen Cash Management/Zahlungsverkehr, Kreditvergabe, Verankerung im Mittelstand sowie Handels- und Exportfinanzierung. Bessere Podestplätze fährt das Institut bei zwei Kategorien ein: In Sachen Digitalisierung klettert es vom dritten auf den ersten Platz, muss sich diesen aber mit dem Vorjahressieger Commerzbank teilen. Bezüglich der ESG-Beratung landet die HVB/Unicredit – auch wieder zusammen mit den „Gelben“ – auf dem zweiten Platz, denkbar knapp hinter der Deutschen Bank. Leichte Zweifel gibt es nur in einem Punkt: Immerhin 40 Prozent der Befragten fürchten, dass es durch die organisatorische Umstellung der Bank – sie ist keine eigenständige Aktiengesellschaft mehr, sondern eine GmbH – zu negativen Konsequenzen für das Deutschlandgeschäft kommen könnte. Weitere 36 Prozent sehen keine Veränderungen oder gar Verbesserungen (4 Prozent). Jeder fünfte Befragte traut sich derweil kein Urteil in dieser Frage zu. Gute Aussichten? Die Bankenlandschaft für Firmenkunden bleibt also auch 2024 deutlich in Bewegung. Das Paradoxon der Deutschen Bank – so viele positive Bewertungen und dagegen auch sehr schwache – bleibt eine Ausnahmeerscheinung in der Geschichte des FINANCE-Banken-Survey. Die positive Nachricht: Bekommt sie ihre Digitalprobleme in den kommenden Monaten in den Griff, dürfte sie im nächsten Jahr noch besser dastehen als jetzt schon. Info Am FINANCE-Banken-Survey 2024 haben 206 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Finanzabteilungen von Unternehmen in Deutschland teilgenommen. Die Befragung fand im Mai statt. Rund ein Drittel der Teilnehmer sind CFOs, 40 Prozent Treasurer und ein Viertel Leiter Finanzen. Die meisten Befragten arbeiten für Großunternehmen: Etwa 70 Prozent kommen aus Firmen mit einem Jahresumsatz ab 250 Millionen Euro. Die detaillierten Ergebnisse des FINANCE-Banken-Survey gibt es hier.

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