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Exodus: Banken sperren Russlandgeschäft zu

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Abschied von Moskau: Zahlreiche westliche Banken wollen sich aus dem Russlandgeschäft zurückziehen. Foto: Viacheslav Lopatin/stock@adobe.com
Abschied von Moskau: Zahlreiche westliche Banken wollen sich aus dem Russlandgeschäft zurückziehen. Foto: Viacheslav Lopatin/stock@adobe.com

Ob Unicredit, Goldman Sachs oder die Credit Suisse: Als Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben zahlreiche westliche Banken ihren Rückzug aus dem Russlandgeschäft angekündigt. Auch die Deutsche Bank hat erklärt, ihr verbleibendes Geschäft, das die Bank bereits seit 2014 reduziert hatte, „in Übereinstimmung mit den gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben“ weiter herunterzufahren. Man „helfe bestehenden nichtrussischen, internationalen Kunden dabei, ihren Geschäftsbetrieb im Land zu verringern“. Neugeschäft mit russischen Kunden will die Deutsche Bank aufgrund des Ukraine-Kriegs nicht mehr machen, genau wie das Gros ihrer Mitbewerber.

Diesen Weg gehen selbst die Schweizer Banken, allen voran Julius Bär und die Credit Suisse. Anfang März hatte Letztere das Kreditengagement in Russland zum Jahresende 2021 auf 848 Millionen Franken beziffert. Nach der Kritik des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenskiy an der Schweiz, die als Finanzdrehscheibe für zahlreiche Rohstoff- und Devisengeschäfte fungiert, hatte die Credit Suisse betont, alle Sanktionen der EU, Großbritanniens, der USA und der Schweiz umzusetzen. Zudem will die Credit Suisse nach eigenen Angaben ihren Bestandskunden helfen, deren Russland-Engagement abzubauen.

RBI und Unicredit prüfen Ausstieg

Diesen Weg gehen sogar Häuser, die dafür deutlich tiefere Einschnitte in Kauf nehmen müssen als die Investmentbanken. Zu erwähnen sind hier zum Beispiel die Raiffeisenbank International (RBI) und die italienische Unicredit. Beide erwägen nach eigenen Angaben ebenfalls den Rückzug aus Russland. RBI-Chef Johann Strobl „prüft alle möglichen Optionen bis hin zu einem sorgfältig gesteuerten Ausstieg“. Für die Bank wäre dies ein teurer Schritt, erzielt die RBI doch rund 40 Prozent ihrer Gewinne in Russland, wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Berechnungen der Ratingagentur Moody‘s berichtet.

Auch Unicredit-Chef Andrea Orcel erwägt den Abschied aus Russland, kommuniziert dazu aber eher vage. „Wir erwägen einen Austritt, aber wir müssen natürlich die Komplexität und die Folgen dessen, was wir dort tun, abgleichen“, zitiert „Reuters“ den Bankchef. Die Unicredit beschäftigt rund 4.000 Mitarbeiter in Russland. Anfang März hatte die Muttergesellschaft der deutschen HypoVereinsbank ein Szenario präsentiert, nach dem eine vollständige Abschreibung des Russlandgeschäfts die Unicredit mehr als 7 Milliarden Euro kosten würde.

Goldman Sachs und JP Morgen sagen Russland adieu

Am weitesten gehen JP Morgan und Goldman Sachs. Die beiden US-Institute werden sich komplett aus dem Russlandgeschäft verabschieden. Goldman Sachs teilte mit, die Bank konzentriere sich darauf, ihren Klienten bei der Verwaltung oder Abwicklung bereits bestehender Verpflichtungen auf dem russischen Markt zu helfen und sich um das Wohlergehen ihrer 80 Angestellten vor Ort zu kümmern.

Auch die Citigroup, die bereits im April 2021 bekannt gegeben hatte, aus dem russischen Retailgeschäft aussteigen zu wollen, hat nachgelegt. Das US-Finanzinstitut teilte mit: „Wir haben nun entschieden, das Ausmaß dieses Ausstiegsprozesses zu vergrößern und weitere Geschäftslinien hinzuzunehmen.“ Mit einem Exposure von rund 10 Milliarden Euro ist die Citi aktuell die US-Bank mit dem stärksten Russland-Engagement. Schon länger geplante Verkäufe von russischen Einheiten dürften nun aber schwierig umzusetzen sein, weshalb wohl auch die Citi nennenswerte Wertberichtigungen wird vornehmen müssen.

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Eine Kontrast zu all diesen Stimmen setzt die HSBC, die wesentlich zögerlicher agiert. Zwar wollen auch die Briten kein Neugeschäft mit Russland mehr machen, aber trotz des Krieges am Angebot von Dienstleistungen für multinationale Unternehmen in Russland festhalten. Und die Bank will ihre „internationalen Kunden bei ihren Entscheidungen über ihre Geschäftstätigkeit in Russland in den kommenden Wochen unterstützen“, heißt es dazu von der HSBC.

Gegenüber dem Kreml geht die HSBC aber zumindest rhetorisch in die Knie. Bei hauseigenen Veröffentlichungen mit Bezug zum Angriffskrieg gegen die Ukraine gilt nach Recherchen der „Financial Times“ bei der HSBC seit kurzem die Sprachregelung, das Wort „Krieg“ durch „Konflikt“ zu ersetzen. Laut des Zeitungsberichts hat dies sowohl bei Mitarbeitern als auch in der britischen Politik Kritik ausgelöst. Die Bank selbst äußert sich nicht dazu.

thomas.holzamer[at]finance-magazin.de

Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE sowie Chef vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.