Wie sicher ist die Deutsche Bank, Herr Gillmann?

Herr Gillmann, Sie sind seit einem Jahr im neuen Amt. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?Die Aufgabe war nicht komplett neu, da ich zuvor bereits für internationale Konzerne weltweit, auch die deutschen, zuständig war, neben meiner regionalen Rolle als Leiter der Unternehmensbank in Europa. Hinzu kam nun noch die Verantwortung für den deutschen Mittelstand. Das Jahr war verbunden mit furchtbaren geopolitischen Entwicklungen, wenn man an Kriege und Terrorangriffe denkt. Unsere Unternehmenskunden stellt dies vor extreme Herausforderungen. Inwiefern?Unternehmen haben viele Fragen an uns, speziell in Sachen Geopolitik: Viele Firmenkunden stellen ihre Wertschöpfungs- und Lieferketten neu auf. Wie finanziert man Investitionen in geopolitisch unsicheren Märkten? Wie sichert man Risiken durch neue Handelspartner ab? Oder mit Blick auf die Zinswende: Wie sichert man sich am besten ab, auch wenn die Zinsen wieder sinken? Themen, die in Zeiten niedriger Zinsen und niedriger Inflation weniger präsent waren. Und auch die Dekarbonisierung und die Digitalisierung spielen weiter eine sehr wichtige Rolle. Info Jan-Philipp Gillmann arbeitet seit 2019 für die Deutsche Bank. Zuvor war er rund elf Jahre in unterschiedlichen Funktionen für die Commerzbank in Frankfurt, Hamburg und New York tätig. Seinen Einstieg ins Berufsleben machte er nach dem Studium in St. Gallen als Principal bei McKinsey. Foto: Deutsche Bank Das sind wahnsinnig viele Themen. Geht da das ESG-Thema nicht inzwischen unter all den Krisen etwas unter?Das sehe ich differenziert. Allen Unternehmen ist bewusst, dass sie dekarbonisieren müssen. Unternehmen, die das konsequent tun, dürften mittelfristig einen Wettbewerbsvorteil haben. Regulatorik und Berichtswesen bedeuten vor allem für den kleineren Mittelstand aber auch enorme Kosten, das sorgt teilweise für Verdruss, da es letztlich als Bürokratie wahrgenommen wird. Es wurde schon über den Fall eines kleineren Mittelständlers berichtet, der seine Firma deswegen ganz zugemacht hat. Das ist sicherlich ein Extremfall, aber ich sehe schon einen gewissen Frust über die stark gestiegene Bürokratie, auch bei Managern und Eigentümern großer Mittelständler, auch wenn kaum jemand den Zweck von ESG in Frage stellt. Eine aktuelle Bain-Studie besagt, dass ESG in den kommenden zehn Jahren viel Ertragspotential für Banken birgt. Sehen Sie das auch so?Ja, die Transformation benötigt mittelfristig massive Investitionen, und diese müssen finanziert werden. Das birgt ein Ertragspotential. Allerdings haben an ESG-Kriterien geknüpfte Bankprodukte nicht immer ein zusätzliches Ertragspotential, da sie zu großen Teilen klassische Produkte ersetzen. Dies wird auch 2024 ein relevanter Markt bleiben. Unternehmen fahren auf Sicht Aber brauchen die Unternehmen momentan überhaupt so viele Finanzierungsmittel? Viele fahren doch auf Sicht und scheuen wegen der unklaren und teils unguten Rahmenbedingungen größere Investitionen in Deutschland.Kurzfristig kann ich das für Investitionen in Deutschland leider nur bestätigen. Es gibt kein nennenswertes Wirtschaftswachstum und damit leichte Rezessionstendenzen, weshalb viele Unternehmen kurzfristig deutlich mehr auf ihre Liquidität achten. Und die Hürden für Investments sind – nicht zuletzt durch die Zinswende – deutlich gestiegen. „Es gibt kein nennenswertes Wirtschaftswachstum und damit leichte Rezessionstendenzen“ Jan-Philipp Gillmann, Deutsche Bank Droht tatsächlich eine Art De-Industrialisierung Deutschlands, wie Experten befürchten?Hier kommt es sehr auf die jeweiligen Branchen an. Energieintensive Industrien wie die Chemie stehen in Deutschland vor besonders großen Herausforderungen, bedingt durch die aktuell hohen Energiepreise. Wir beobachten, dass, je größer und globaler ein Unternehmen ist, eher im Ausland investiert wird, beispielsweise in den USA, wo die Wettbewerbsbedingungen getrieben durch den Inflation Reduction Act einfach besser sind. Aber nicht nur dort. Es wird weiterhin sehr stark in Asien investiert, nicht nur in China. Unsere Kunden diskutieren mit uns verstärkt, wie sie ihre Finanzierung in diesem geopolitischen Kontext anpassen. Das bedeutet?Ein Beispiel ist China, wo Unternehmen nach der Erfahrung mit Russland bei der Finanzierung neue Wege gehen. In der Vergangenheit haben Unternehmen mehr Vorteile einer konzerninternen Finanzierung gesehen, bei der die Auslandstochter von dem besseren Kreditrating der Muttergesellschaft profitieren konnte. Heute sehen wir einen klaren Trend zu einer „Vor-Ort-Finanzierung“ einzelner Landesgesellschaften durch uns oder eine lokale Bank. „In China gehen Unternehmen nach der Erfahrung mit Russland bei der Finanzierung neue Wege.“ Jan-Philipp Gillmann, Deutsche Bank Zuletzt waren aber auch Banken in einer schwierigen Lage, wie etwa das Beben im Frühjahr 2023 gezeigt hat. Im Zuge dessen ist der Credit Default Swap (CDS) der Deutschen Bank deutlich gestiegen. Zeitweise haben nach unseren Informationen Treasurer Gelder abgezogen oder Anlagelimite reduziert. Wie signalisieren Sie Ihren Kunden gegenüber Stabilität?Zum einen handelte es sich im Kern um einen einzigen Tag. Der CDS-Markt ist sehr illiquide, da können schon einzelne Trades zu Sprüngen führen, wenn etwa ein Hedgefonds aktiv ist. Zum anderen haben wir – anders als Ihre Wahrnehmung – keine breiteren Geldabflüsse im Zusammenhang mit den Marktverwerfungen gesehen. Dennoch liegt auch heute der CDS der Deutschen Bank deutlich über den Werten vieler Wettbewerber.Der CDS ist ein schwieriger Indikator, er kann durch einzelne Trades verzerrt werden. Deshalb würde ich nicht so viel Gewicht darauf legen. Die Liquiditätslage der Bank ist sehr stabil. Zudem hat jüngst auch S&P sowohl das langfristige als auch das kurzfristige Emittentenrating auf A/A-1 von zuvor A-/A-2 angehoben, mit stabilem Ausblick. Probleme mit Integration der Postbank Ein anderes Thema, bei dem die Deutsche Bank zurzeit kämpft, sind die Probleme des IT-Großprojekts Unity der Postbank. Strahlen diese auch auf das Firmenkundengeschäft aus?Das Thema hat in unserem Haus höchste Priorität, wir werden die Probleme in den Griff bekommen. Sie liegen auch weniger in der IT-Migration, die technisch funktioniert hat. Bei der Vorbereitung der Kunden auf die Migration und den damit verbundenen Umstellungen hätten wir einiges besser machen können. Unsere Unternehmenskunden waren weitestgehend nicht betroffen von der IT-Integration. Welche konkreten Pläne haben Sie dort für 2024? Worauf sollten sich Kunden einstellen?Wir haben eine intakte Strategie, die wir nicht ändern werden. Aber man kann immer besser werden. Unser Fokus muss darauf liegen, unsere 700 Kolleginnen und Kollegen, die in Deutschland den gehobenen Mittelstand betreuen, in die Lage zu versetzen, unseren Kunden alles anbieten zu können, was wir im Portfolio haben: unsere starken Produkte, auch in den privaten Bereich hinein, und unsere globale Präsenz. Dies gilt auch für unsere circa 10.000 Postbank-Kunden im gehobenen Mittelstand, die nach unserer IT-Migration auf denselben Systemen laufen und denen wir nun die gesamte Produktwelt des Konzerns anbieten können. Laut „FINANCE Banking-Survey“ ist die Deutsche Bank 2023 die Nummer 1 im deutschen Firmenkundengeschäft. Aber wie wollen Sie das internationale Geschäft stärken?Wir sehen uns als natürlicher Partner für deutsche Unternehmen, die über Deutschland und Europa hinaus aktiv sind. Und unser Ziel ist, im internationalen Geschäft weiter Kunden zu gewinnen. Wir haben die Zahl unserer Mitarbeiter an relevanten Auslandsstandorten deutlich aufgestockt, um mit unseren deutschen Kunden weltweit zu wachsen. Das Gleiche gilt für große, multinationale Konzerne mit Sitz außerhalb Deutschlands. Auch mit diesen wollen wir weiterhin stark wachsen, zum Beispiel in der Schweiz, wo viele Unternehmen eine zweite internationale Bank wollen. Hier haben wir uns beispielsweise auch personell verstärkt. Meine Schweizer Kollegin wurde gerade zur Leiterin Kundenbetreuung für die gesamte DACH-Region ernannt.

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