Wie Banken und CFOs über ESG verhandeln

Unternehmen, Banken und die stets präsente Frage, was ist wirklich nachhaltig – das ist kein neues Thema. Auch die Frage, ob nachhaltige Finanzierungen überhaupt eine Wirkung entfalten, spaltet weiterhin regelmäßig die Gemüter. Bei kaum einer Finanzierungsart gibt es so viele Meinungen und Interpretationsansätze wie bei Green Finance. Die Debatte bleibt relevant, denn auch wenn die jüngsten Krisen das Thema in den vergangenen zwei Jahren in der Wahrnehmung vieler Finanzentscheider ein wenig in den Hintergrund gedrängt haben, ist das Interesse von Unternehmen an Finanzierungen mit grünem Label ungebrochen. Einen einheitlichen Standard gibt es weiterhin nicht, das Dickicht aus unterschiedlichen Bewertungsmodellen, in dem sich Unternehmen, Banken und Ratingagenturen bewegen, ist nur schwer zu durchdringen. Ein wenig Ordnung in den sprichwörtlich grünen Finanzierungsdschungel bringt die noch junge Regulatorik aus EU-Taxonomie und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU. „Die Taxonomie bietet einen klaren Rahmen, was im Sinne der EU nachhaltig ist und was nicht“, erläutert Christoph Betz, der als Partner im Bereich Financial Service bei KPMG Banken zum Thema ESG berät. In jenen Wirtschaftsbereichen, die das europäische Regelwerk bislang erfasst, sei die Einordnung inzwischen nachvollziehbar. „Was Taxonomie-konform ist, gilt als nachhaltig“, erläutert Betz. EU-Taxonomie bildet lediglich den Faktor „E“ ab Doch viel ist das derzeit noch nicht. „Die Taxonomie bildet bislang lediglich den Faktor E ab und deckt zudem momentan lediglich 30 Prozent der Gesamtwirtschaft überhaupt ab“, erläutert der ESG-Experte. So hat die Europäische Union in ihrem Regelwerk insgesamt sechs Umweltziele festgelegt: die Eindämmung des Klimawandels, die Anpassung an diesen, die nachhaltige Nutzung und den Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, den Wandel hin zu einer Kreislaufwirtschaft, die Bekämpfung der Umweltverschmutzung sowie den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme. Diese Ziele wurden auf technische Kriterien heruntergebrochen, die einheitliche Standards für die nicht-finanzielle Berichterstattung von Unternehmen definieren. In den verbleibenden Bereichen setzen Banken mangels einheitlicher Standards bei der Nachhaltigkeitsbewertung noch immer auf externe Ratings sowie eigene ESG-Frameworks – und diese unterscheiden sich in ihrer Ausprägung nicht selten noch voneinander. Immerhin haben sich die internen ESG-Frameworks zumindest im Fall der großen hierzulande aktiven Geldhäuser in den vergangenen zwei Jahren einander deutlich angenähert. Mehr zum Thema So nutzen Unternehmen den Markt für nachhaltige Finanzierungen Der Markt für nachhaltige Finanzierungen wächst weiter, allerdings langsamer. Auch deutsche Unternehmen setzen auf Green Bond und Co. Doch inzwischen schauen Investoren kritischer auf die Instrumente. Mehr lesen ESG-Frameworks lassen Banken Spielraum Doch was bedeutet dies für die Verhandlungen zwischen Geldhäusern über den Abschluss von ESG-linked Finanzierungen in einem Bankenclub und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und ihren Firmenkundenbanken? Wer entscheidet letztlich darüber, welche KPIs an die Marge gekoppelt werden sollen und ob die vom Unternehmen vorgeschlagenen Ziele überhaupt ambitioniert genug sind? Was passiert beispielsweise, wenn ein Kredit an ein ESG-Rating gekoppelt werden soll, was längst nicht mehr jede Bank als ausreichend ambitioniert erachtet? Offiziell wollte sich zu diesen Fragen zwar keines der von FINANCE angefragten Geldhäuser äußern, doch einiges war dennoch im Hintergrund zu erfahren. „Dass es unter den beteiligten Banken auch mal zu unterschiedlichen Einschätzungen über die Nachhaltigkeitskomponente einer Finanzierung kommt, ist klar“, bestätigt ein hochrangiger Landesbanker. Ein Fall, in dem eine Finanzierung aus diesem Grund nicht zustande gekommen wäre, sei ihm jedoch nicht bekannt. „In der Regel gibt es da immer ein wenig Spielraum, so dass sich eine für alle Beteiligten annehmbare Lösung findet“, betont er. Letztlich komme es für jede der finanzierenden Banken darauf an, die Finanzierungsentscheidung auch gegenüber Dritten vertreten zu können – Stichwort Greenwashing. Das kann auch KPMG-Berater Betz bestätigen, der mit seinem Team die hauseigenen ESG-Leitlinien mehrerer Banken verglichen hat. „Die einzelnen Frameworks ähneln sich zwar in ihrer Gestaltung, lassen den Banken aber immer auch einen gewissen Spielraum“, erläutert er. Dies gilt jedoch nur für jene Fälle, die bislang nicht unter die EU-Taxonomie fallen. „Soll eine Finanzierung Taxonomie-konform ausgestaltet werden, sind die Vorgaben eindeutig.“ Mehr zum Thema Deutsche-Bank-CSO Eigendorf: „Es wartet noch viel Arbeit auf uns“ Jörg Eigendorf ist seit September Chief Sustainability Officer der Deutschen Bank. FINANCE hat mit ihm über Herausforderungen, Transparenz und die Frage nach Vertrauen gesprochen. Mehr lesen Finanzinstitute bei Verhandlungen kompromissbereit Von einem Kompromiss bei einer Verhandlung mit anderen Banken berichtet der Firmenkundenchef eines weiteren großen Geldhauses. Im geschilderten Fall ging es um eine Kreditlinie mit ESG-Link. Die gewählten Nachhaltigkeitsziele, an die das betroffene Unternehmen die Finanzierung habe knüpfen wollen, hätte es zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon so gut wie erfüllt. „Die Ziele waren aus unserer Sicht also nicht sehr ambitioniert, was jedoch für einen Teil der beteiligten Banken offenbar kein Problem war“, berichtet der Banker. Letztlich habe man sich auf einen Kompromiss geeinigt, eine Art Rendezvous-Klausel, nach der die ESG-Ziele – in diesem Fall die CO2-Reduktion innerhalb der Produktion – nach einem festgelegten Zeitraum noch einmal geprüft und bei Bedarf nachjustiert werden können. Ein Kompromiss, mit dem die Banker in diesem Fall leben konnten. Letzten Endes komme es schließlich darauf an, den Unternehmen die für die notwendige Transformation ihrer Geschäftsmodelle erforderliche Finanzierung zur Verfügung zu stellen, begründet der Firmenkundenchef den Schritt. Andernfalls wäre das Resultat wohl, dass Unternehmen von Finanzierungspartnern mit weniger Skrupeln, etwa aus dem Ausland, finanziert würden. So würden etwa viele Kohlefinanzierungen inzwischen von chinesischen Banken oder von Finanzdienstleistern aus anderen Ländern übernommen, wie etwa Jörg Eigendorf, ESG-Chef der Deutschen Bank, bereits im vergangenen Jahr im FINANCE-Interview erläuterte. Alles zum Thema Firmenkundengeschäft Margendruck, Restrukturierungen, angriffslustige Auslandsbanken: Alles Wichtige zum harten Kampf im deutschen Firmenkundengeschäft. Mehr lesen ESG: Banker sehen Markt als Treiber Nicht zuletzt aus diesen Gründen sehen die befragten Firmenkundenbanker beim Thema Nachhaltigkeit generell eher den Markt als Treiber denn die Banken, „wenn beispielsweise ein großer Autobauer die eigene Nachhaltigkeitsstrategie innerhalb der Lieferkette vorantreibt und dies auch von seinen Zulieferern verlangt“, erläutert einer der Befragten. Den Geldhäusern komme dabei lediglich die Position als finanzieller Enabler der nötigen Transformation zu. Dass es bei ESG-linked Finanzierungen unter den am Konsortium beteiligten Häusern tatsächlich einmal zu Diskussionen über einzelne KPIs komme, sei in lediglich 10 bis 20 Prozent der Finanzierungsgespräche der Fall, schätzt ein weiterer hochrangiger Banker. In der Regel gehe das Gros der eingeladenen Banken mit dem vom Arrangeur gemeinsam mit dem Kunden ausgearbeiteten Finanzierungsentwurf d’accord. „Natürlich gibt es auch hin und wieder mal Anpassungswünsche, aber wenn das übergreifende Transformationsziel stimmt und ambitioniert genug ist, können wir bei einem der meist drei bis vier KPI-Ziele, die eine Finanzierung beinhaltet, auch mal bei einer Kennzahl nachgeben.“ “Von 100 Gesprächen gibt es vielleicht ein oder zwei, in denen ein Unternehmen mit deutlich zu niedrig angesetzten Zielen auf uns zukommt” ein hochrangiger Firmenkundenbanker Gros der Banken folgt dem Arrangeur Dem Arrangeur oder dem an der Strukturierung einer ESG-linked Finanzierung beteiligten Sustainability Advisor kommt also eine besondere Rolle zu. Er führt meist die Erstverhandlungen mit dem Unternehmen. Diese würden in der Regel relativ unkompliziert verlaufen, so der Banker. „Von 100 Gesprächen gibt es vielleicht ein oder zwei, in denen ein Unternehmen mit deutlich zu niedrig angesetzten Zielen auf uns zukommt“, berichtet er. Dies sei meist dann der Fall, wenn das betreffende Unternehmen in Sachen ESG noch relativ am Anfang stehe und nicht über eine kohärente Strategie verfüge. In einem konkreten Fall, an den er sich erinnert, seien sich die beteiligten Banken jedoch direkt einig gewesen, dass die Ziele ambitionierter sein müssten. Das Unternehmen habe entsprechend anpassen müssen. In einem anderen Fall habe das Unternehmen von sich aus ambitioniertere Zielwerte angeboten, nachdem man die Ziele mit denen anderer Unternehmen derselben Branche verglichen habe. Heterogene Ansätze bei ESG-linked Finanzierungen „Wenn es um ESG-linked Finanzierungen geht, gibt es drei verschiedene Arten von Kunden: CFOs, die mit einer ESG-linked Finanzierung nach innen wie außen ein Statement setzen wollen und sich dafür sehr ambitionierte Ziele setzen. Es gibt zudem Finanzchefs, die zwar ihre Nachhaltigkeitsstrategie vorantreiben, aber im Hinblick auf die Ziele bewusst etwas zurückhaltender agieren, sowie einige wenige Finanzentscheider, die von solchen Finanzierungen nichts oder nur wenig halten“, so der Banker. Das Gros der Kunden bringe jedoch eine hohe intrinsische Motivation mit und setze sich auch ohne Einfluss der Banken ambitionierte Ziele. „Viele Mittelständler nehmen Hunderte Millionen Euro in die Hand für Investitionen, die sich oft erst langfristig auszahlen“, berichtet er. „Deren Finanzentscheider suchen sich einen guten Arrangeur, mit dem gemeinsam die Ziele festgelegt werden, so dass die übrigen Banken im Klub in der Regel keinerlei Einwände mehr haben.“ “An KPI-Ziele oder Ratings geknüpfte Finanzierungen werden an Bedeutung verlieren” ein befragter Landesbanker Green Loans und Bonds im Kommen Für die Banken ist es im Kern wichtig, dass CFOs einen klar erkennbaren Fahrplan für die Transformation ihres Geschäftsmodell mitbringen. „Ein CFO, der das glaubwürdig darstellen kann, hat auch kein Problem, eine Finanzierung zu bekommen, auch wenn es bei der geplanten Maßnahme nur um einen ersten Schritt geht“, so der Banker. Als Beispiel nennt er einen Stahlproduzenten, der in eine energieeffizientere Bogenschmelze investiere, auch wenn diese bei Inbetriebnahme vorerst noch nicht mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden könne. Mit der Weiterentwicklung der Regulatorik – etwa der laufenden Fortschreibung der EU-Taxonomie in den Bereichen Social und Governance – dürfte der Diskussionsbedarf unter den Finanzierungspartnern künftig sogar noch weiter abnehmen. „Aus meiner Sicht werden solche an KPI-Ziele oder Ratings geknüpften Finanzierungen in den nächsten zwei bis drei Jahren an Bedeutung verlieren“, ist sich der ESG-Spezialist einer Landesbank sicher. Stattdessen sei bereits jetzt ein leichter Trend hin zu Taxonomie-konformen Finanzierungsmodellen wie Green Loans und Bonds erkennbar. Wenngleich deren Zahl mit Blick auf das vergangene Jahr bislang noch überschaubar war.

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