Top-Dealmaker Johannes Hermanns: Der Zwischentondeuter

Es war eine der 20 größten Übernahmen des vergangenen Jahres: Der Autozulieferer Schaeffler übernimmt die restlichen 50,1 Prozent am Mitbewerber Vitesco. Das Deal-Volumen: rund 1,9 Milliarden Euro. Die Reaktionen am Markt: fast durchgehend positiv. „Das ist sowohl strategisch als auch produktseitig ein guter Deal für Schaeffler“, sagte etwa Analyst Klaus Ringel von Oddo BHF damals gegenüber FINANCE. Sein Kollege Alexander Wahl von Stifel hob die finanziellen Synergien der Akquisition hervor: „Es scheint nicht abwegig zu sein, dass sich Synergien von 600 Millionen Euro ergeben.“ Einer der Financial Advisor, die an dem Deal beteiligt waren: Johannes Hermanns von der Deutschen Bank. Mit der Vitesco-Übernahme schließt sich der Kreis Nicht nur für Schaeffler-CEO Klaus Rosenfeld schloss sich mit der Vitesco-Übernahme der Kreis, sondern in gewissem Sinne auch für Hermanns. Denn einer der ersten größeren Deals, an dem er beteiligt war, war die Übernahmeschlacht zwischen Schaeffler und Continental gewesen. Diese gewann der Herzogenauracher Zulieferer 2008 zwar letztlich, doch sie brachte ihn aufgrund der ausbrechenden Weltfinanzkrise fast an den Rand des Ruins. „Wir haben Continental damals auf der Defense-Seite beraten und uns vor allem mit der Frage beschäftigt, wie wir mit den Folgen der während der Angebotsperiode auftretenden Finanzkrise, und der dadurch sehr hohen Zahl angedienter Aktien sowie der Finanzierung umgehen“, erinnert sich Hermanns im Gespräch mit FINANCE. Mehr zum Thema Schaeffler: Der Kreis schließt sich Der fränkische Zulieferer Schaeffler will die Conti-Abspaltung Vitesco komplett übernehmen. Ein Scheitern der Übernahme scheint ausgeschlossen, nicht zuletzt, weil beide Unternehmen schon eng miteinander verwoben sind. Mehr lesen Schaeffler wurde schließlich gerettet und Hermanns konnte Beziehungen knüpfen, die sein berufliches Leben bis heute begleiten. So war der 43-jährige, heutige Managing Director der Deutschen Bank, 2013 beratend bei dem Vitesco-Spinoff und dem anschließendem Börsengang beteiligt. Und jetzt wieder bei der Übernahme des Autozulieferers durch Schaeffler. Johannes Hermanns landet auf dem Treppchen Doch das war nicht der einzige Deal, an dem Hermanns im vergangenen Jahr arbeitete. Neben der Vitesco-Übernahme war er an Südzuckers Erwerb der restlichen 25 Prozent von Cropenergies für rund 261 Millionen Euro und dem anschließenden Delisting beteiligt, der Übernahme von ESG durch den Rüstungshersteller Hensoldt für 675 Millionen Euro inklusive Kapitalerhöhung sowie dem Verkauf von 50 Prozent der Anteile der ZF Chassis Modules an den chinesischen Hersteller Foxconn für rund 556 Millionen Euro. Das Gesamtvolumen der Deals beträgt mehr als 3,3 Milliarden Euro. Damit landete Hermanns auf dem Treppchen der Top-Dealmaker 2023 und musste nur Macario Prieto und Christopher Droege den Vortritt lassen. Damit verbesserte er sich im Vergleich zum Jahr 2022, als er Platz 7 belegt hatte, um vier Plätze und machte den größten Sprung im diesjährigen Ranking. Info Dieser Artikel ist der zweite Teil der zweiten Staffel unserer Serie „Deutschlands Top-Dealmaker“, in der wir Ihnen die Macherinnen und Macher hinter den spannendsten Deals in der Bundesrepublik vorstellen. Seien Sie gespannt! Die Teile der ersten Staffel aus dem Jahr 2023 sowie alle künftigen Dealmaker finden Sie hier. Hermanns studierte Finance und Unternehmensbewertung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Aus München war der Weg ins Investmentbanking unüblich“, wie er sagt. Schon allein, dass er für Praktika nach Frankfurt ging, sei ungewöhnlich gewesen. Die meisten seiner Kommilitonen hätte es zu den in München ansässigen Unternehmen wie Siemens oder BMW oder zu Unternehmensberatungen gezogen. Doch genau diese Praktika bei der Deutschen Bank und KPMG waren es, die sein Interesse am Investmentbanking weckten. „Ich finde es extrem spannend und herausfordernd, sehr nah am Wirtschaftsgeschehen dran zu sein – das gilt bis heute. Schauen Sie nur auf die Mammutaufgabe der Transformation unserer Wirtschaft in Deutschland und Europa, vor der die Industrie heute steht“, sagt Hermanns. Hermanns interessierte sich früh fürs Investmentbanking So ging Hermanns 2006 nach dem Studium nach Frankfurt und begann bei der Deutschen Bank im Bereich Corporate Finance M&A, ECM. Nach vier Jahren in dieser Position, in der er erste Erfahrungen sammelte, zog es ihn nach London, wo er bis 2012 im Bereich Leveraged Finance/LDCM für die Blauen tätig war. In dieser Rolle habe er vielen deutschen Unternehmen dabei geholfen, sich nach der Finanzkrise zu refinanzieren und sie aus einer von Banken abhängigen Finanzierungsstruktur zu führen, etwa indem er sie an den High-Yield-Bond-Markt brachte. Doch die Finanzkrise ging auch an der Deutschen Bank nicht spurlos vorüber. Statt das Investmentbanking wieder auf das Vorkrisenniveau auszubauen, mussten fast die kompletten 2010er-Jahre hinweg die Scherben aufgekehrt werden, die die Finanzkrise in den Zwillingstürmen in Frankfurt hinterlassen hatte. Das bedeutete auch tiefe Einschnitte für die Investmentbanker und viele verließen deshalb die Bank, doch Hermanns blieb. Hermanns ist ein Deutsche-Bank-Urgestein „Die Zeiten waren nicht immer sonnig, das stimmt. Aber für mich war es wichtig, dass die Aufgaben herausfordernd sind und die Lernkurve stimmt, und das ist bis heute so“, sagt Hermanns, den Wegbegleiter als fokussierten und pragmatischen Teamplayer beschreiben. Mehr zum Thema Das sind Deutschlands Top-Dealmaker 2023 Die Unsicherheit am M&A-Markt hat die League Tables der Top-Dealmaker 2023 durchgeschüttelt. Einige alte Bekannte sind zwar wieder dabei, doch es gibt auch zwei Newcomer, zeigt das exklusive Ranking. Mehr lesen „Außerdem bedienen wir als Universalbank in unserem Heimatmarkt nahezu alle Corporate Finance Produkte vor Ort. Das hilft mir in meiner Rolle als M&A-Banker sehr, weil wir beispielsweise auch die Expertise auf der Finanzierungsseite oder der ECM-Seite mitbringen. Auch wegen dieser Vielseitigkeit ist es mir bei der Deutschen Bank nie langweilig geworden.“ Und: „Ich habe viele geschätzte Kollegen, die ihr gesamtes Berufsleben bei der Deutschen Bank sind – und dies nie bereut haben.“ Ende 2012 war es Zeit für Hermanns, der englischen Hauptstadt den Rücken zu kehren und nach Frankfurt zurückzukehren, um die Position des Vice President, Mergers & Acquisitions im Investment Banking Advisory anzutreten. Nach etwas mehr als drei Jahren wurde der Diplom-Kaufmann zum Director befördert. Im Januar 2019 schließlich wurde Hermanns zum Managing Director M&A ernannt, diesen Posten hat er bis heute inne. Hermanns’ Kundenportfolio bildet deutsche Wirtschaft ab Eine Lieblingsbranche, in der er besonders gerne Deals einfädelt, hat Hermanns laut eigener Aussage nicht. „Meine Kunden bilden die Ausprägung der deutschen Wirtschaft gut ab.“ Viele seiner Kunden kämen aus dem Chemie- oder dem Automobilsektor. In den vergangenen Jahren sei aber auch notwendigerweise der Infrastruktursektor, wie zum Beispiel Lösungen für den Ausbau von Glasfasernetzen, erneuerbare Energien oder Stromnetze, dazugekommen. Ein Thema, an dem er laut Weggefährten sehr interessiert ist. „Alles Bereiche, die Investitionen und Lösungen suchen, und die zentral sind, um Deutschland als Wirtschaftsstandort voranzubringen.“ So gehörte Hermanns etwa 2021 in gewichtiger Rolle dem Deutsche-Bank-Team an, das BASF beim Erwerb des weltweit größten Offshore-Windparks vor der Westküste der Niederlande beriet. In dieselbe Kategorie fällt der Verkauf von 72,55 Prozent des Schienenlogistikers und Güterwagenvermieters VTG an die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) und den Infrastruktur-Investmentfonds Global Infrastructure Partners (GIP) für 5,4 Milliarden US-Dollar, der Hermanns 2022 auf Platz 7 der Top-Dealmaker-Rangliste katapultierte. Für einen guten Deal kommt es auf die Zwischentöne an An seinem Job reize ihn, dass jeder Deal anders sei, dass es immer eine Herausforderung darstelle, die unterschiedlichen Interessen in Einklang zu bringen. „Die Situationen sind komplex, die Ziele sind komplex, es gibt vielschichte Interessen von Stakeholdern, Unternehmen, manchmal auch öffentlichen Stellen oder der Politik. Die Tätigkeit wird nie langweilig.“ Dass er mal eine richtig einfache Situation vorfinde, sei selten, denn: „Wenn es einfach wäre, bräuchten uns die Kunden nicht.“ Mehr zum Thema Goldman-Dealmaker Prieto: Vom Netzwerkingenieur zum Netzwerker Mit Macario Prieto stellt Goldman Sachs im aktuellen Ranking den Top-Dealmaker des Jahres 2023. Wie tickt der Banker, über den man trotz seiner Skills kaum etwas liest? Teil 1 unserer Dealmaker-Serie. Mehr lesen Einer der wichtigsten Soft Skills eines M&A-Beraters ist für Hermanns das Zuhören. „Ich muss verstehen, was mein Kunde, aber auch was die Gegenseite, beziehungsweise andere relevante Parteien, wirklich umtreibt. Das sind oft nicht die lauten Töne, sondern die eher leiseren Zwischentöne.“ Nur wenn das gelingt, könne er die möglichen Lösungsräume aufzeigen, die es für ihr Anliegen gäbe. „Das ist ganz wichtig.“ Ob ein Deal wirklich gut ist, zeige sich oft nicht direkt nach dessen Abschluss, sondern erst langfristig nach Jahren, sagt Hermanns. „Aber wenn mich dann ein Kunde anruft und immer noch zufrieden ist, dann haben wir alles richtig gemacht.“

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