Kai Tschöke: Rothschilds Mann für die Langstrecke

Branchenexpertise, ein gutes Netzwerk und vor allem Verschwiegenheit – in wohl keiner anderen Disziplin des Investmentbankings kommt es so sehr auf die Kombination dieser Eigenschaften an wie im M&A-Business. Denn die Anbahnung von Deals ist neben der nötigen Fachkenntnis vor allem eines: Vertrauenssache. Einer, der das Vertrauen vieler CEOs und Wirtschaftslenker in der Republik genießt, ist Kai Tschöke, Deutschlandchef der britisch-französischen Investmentbank Rothschild & Co. Der Top-Dealmaker ist seit mehr als 30 Jahren im Geschäft und gilt als einer der bestvernetzten Banker Deutschlands. Und so verwundert es nicht weiter, dass Tschöke in den vergangenen Jahren an einer langen Liste hochkarätiger Deals beteiligt war. Unter anderem begleitete er die Übernahme des Gasversorgers Uniper durch den Bund im Jahr 2022, die IPOs von Porsche und der Thyssenkrupp-Sparte Nucera im vergangenen Jahr und zuletzt den Einstieg der Reederei MSC bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Dabei ist der Rothschild-Deutschlandchef regelmäßig unter den besten Zehn der einschlägigen League Tables vertreten. Mit insgesamt drei Deals im Gesamtvolumen von umgerechnet rund 1,9 Milliarden Euro sichert sich der Vorjahressieger Tschöke im 2023er-Ranking des Datenanbieters Mergerlinks diesmal Platz 6, vor seinem Kollegen Martin Suter auf Rang 7. Zusammen mit Nick Bossard auf dem 4. Platz gehen damit gleich drei Top-Ten-Plätze an Rothschild. Und Tschöke ist eine Konstante im Ranking: Lediglich im Jahr 2021 belegte er keinen Tabellenplatz, in den Jahren davor schaffte er es auf die Plätze 6 (2020) und 4 (2019). Mehr zum Thema Das sind Deutschlands Top-Dealmaker 2023 Die Unsicherheit am M&A-Markt hat die League Tables der Top-Dealmaker 2023 durchgeschüttelt. Einige alte Bekannte sind zwar wieder dabei, doch es gibt auch zwei Newcomer, zeigt das exklusive Ranking. Mehr lesen Tschöke ist in der M&A-Community bestens vernetzt Trotz schillernder Deals und einem Ruf, der Tschöke in der M&A-Szene vorauseilt, ist im Netz über den Rothschild-Banker und seine Vita kaum etwas herauszufinden – ein Umstand, der viele der deutschen Top-Dealmaker eint, wie auch unser Portrait von Goldman-Banker Macario Prieto zeigt. Einzig über die Beförderung Tschökes und seines Kollegen Martin Suter zur Doppelspitze des deutschen Investmentbankings von Rothschild & Co 2018 sowie Tschökes zusätzlichen Aufstieg zum Deutschlandchef zum 1. Januar dieses Jahres ist dort zu lesen. Wer jedoch etwas über den Menschen Tschöke und was diesen antreibt erfahren will, findet zunächst nichts außer einem „leeren“ Linkedin-Profil. „Stimmt, was das angeht, bin ich sicher nicht der Aktivste“, gesteht Tschöke im Gespräch mit FINANCE. Selbstvermarktung sei jedoch auch nicht sein Ding. Stattdessen konzentriert sich der erfahrene M&A-Berater vor allem auf das für ihn Wesentliche: die Deals. Daran hat auch der Aufstieg zum Deutschlandchef nichts geändert. „Der Vorteil eines vergleichsweise kleinen Hauses wie dem unseren ist, dass der administrative Aufwand noch nicht so groß ist. So ist es weiterhin möglich, aktiv mit den Teams mitzuarbeiten“, erläutert Tschöke. Die Flinte muss Rothschilds oberster Banker hierzulande daher noch nicht an den Nagel hängen. M&A ist Rothschilds Kernprodukt Das passt zum Geschäft, das bei Rothschild traditionell von den Senior-Partnern gesteuert wird – ein Umstand, der mit Blick auf die Fees durchaus auch auf Kritik stößt. Trotz der geringeren Größe im Vergleich zu so manchem Wettbewerber – Rothschilds Investmentbanking-Team zählt hierzulande aktuell 17 MDs – bietet Rothschild & Co seinen Kunden die gesamte Produktpalette des Investmentbankings. „Rund um unser Kernprodukt M&A können wir dank unserer Sektor-Erfahrung und der starken Aufstellung auch bei Debt/Restructuring und in der Equity-Beratung alle Corporate-Finance-Bedürfnisse der Kunden bedienen“, betont Tschöke. Zudem sei das Bankhaus im Markt sehr breit vernetzt, vom Dax-Konzern bis zu kleinen Unternehmen. Eben jene Abwechslung war es auch, die Tschöke 2014 zu Rothschild lockte. Er kam damals von der US-Investmentbank Morgan Stanley, wo er als Vorstandsmitglied der Deutschlandtochter unter anderem für das M&A-Beratungsgeschäft verantwortlich war. „Mein Herz hat schon seit meinem Eintritt bei Morgan Stanley Anfang 1993 für M&A und die Beratung geschlagen“, erinnert er sich. In seinen rund 21 Jahren in einer traditionell sehr hierarchisch Richtung Zentrale ausgerichteten US-Investmentbank habe er auch gelernt, „dass ich dafür nicht zwingend eine große Bilanz brauche“. Info Dieser Artikel ist der fünfte Teil der zweiten Staffel unserer Serie „Deutschlands Top-Dealmaker“, in der wir Ihnen die Macherinnen und Macher hinter den spannendsten Deals in der Bundesrepublik vorstellen. Hier geht es zu den vergangenen Porträts. Tschöke wechselte von Morgan Stanley zu Rothschild Dann lernte Tschöke bei einem gemeinsamen Deal Martin Reitz kennen, seinen Vorgänger auf dem Posten des Deutschlandchefs, der ihn schließlich zu Rothschild & Co holte. Was für Tschöke den Reiz an dem im Vergleich zum US-Dickschiff Morgan Stanley deutlich kleineren britisch-französischen Bankhaus ausmachte: „Bei Rothschild & Co steht die Beratung unserer Kunden im Mittelpunkt und auch jüngere Banker können und müssen bereits früh sowohl die kleine Rolle im großen Deal als auch die große Rolle im kleinen Deal spielen.“ Das zahle nicht nur auf die gesammelte Erfahrung ein, sondern habe auch im zuletzt schwächelnden Markt dafür gesorgt, dass es Tschökes Team nicht an Arbeit mangelte. Denn während sich die Zahl der großen Deals angesichts der volatilen Marktsituation in Grenzen hielt, war Rothschild auch an zahlreichen kleineren Transaktionen beteiligt. „Wenn man nur Jagd auf ‚Elefanten‘ macht und es sind gerade keine in der Savanne unterwegs, dann wird es nichts“, fasst der Investmentbanker scherzhaft zusammen. „Wenn man nur Jagd auf ‚Elefanten‘ macht, dann wird es nichts.“ Kai Tschöke, Rothschild & Co Bei der Begleitung seiner Kunden liebt es Tschöke vor allem, zu beraten. „Es gibt schließlich nichts Langweiligeres, als wenn der Kunde schon alles weiß“, sagt er. Dabei scheut der begeisterte Ausdauersportler auch die lange Strecke nicht. Ganz im Gegenteil: „Ich fürchte, ich bin manchmal etwas zu perfektionistisch und versuche, den Shortcut zu vermeiden. Das verbessert das Ergebnis, ist zugegebenermaßen aber auch nicht immer der ressourceneffizienteste Weg“, sagt Tschöke. Letztlich gehe es vor allem um das beste Ergebnis für die Kunden. „Ohne diese Leidenschaft kann man den Job nicht überzeugend machen, und das M&A-Geschäft lebt von der Reputation und Empfehlungen.“ Apropos Leidenschaft: Wie fühlt es sich an, wenn einmal nach monatelanger Vorbereitung auf einen Pitch das Mandat dann doch an einen Wettbewerber geht? „Man sollte meinen, bei unserem Job ist man solche Verluste gewohnt. Aber manchmal ist es doch schon schmerzhaft und ärgert einen“, gesteht Tschöke. „Gerade, wenn die Vorbereitung viel Arbeit erfordert hat, schaut das Team da natürlich erstmal auf den Senior. Der muss dann schon mal das Team zum Essen einladen und dabei ordentlich Motivationsarbeit leisten“, sagt er und lacht. Beständigkeit ist Tschökes Credo Das Credo des Rothschild-Chefs ist ein hohes Maß an Beständigkeit in einem sich schnell ändernden Geschäft. „Kai Tschöke kenne ich schon seit 23 Jahren, so lange wie keinen anderen Banker“, sagt ein langjähriger Geschäftspartner. Auch Tschöke hat in seiner rund 31-jährigen Karriere viele langjährige Beziehungen geknüpft. Auch an einen seiner ersten großen Deals erinnert er sich noch gut: „Ich habe damals im Rahmen der Vodafone-Übernahme als junger Vice President allein vor dem gesamten Vorstand von Mannesmann gesessen. Das wäre inzwischen gar nicht mehr vorstellbar. Stattdessen würde man heute eher drei Managing Directors hinschicken.“ Jenes Feuer, mit dem Tschöke für seinen Job brennt, zieht den Rothschild-Deutschlandchef im Privaten aufs Rennrad. Wann immer es geht, schwingt er sich in den Sattel, um Kilometer zu machen und war auch in diesem Jahr mit einem Amateurteam von rund 20 Bankern und Juristen beim Radsport-Klassiker Eschborn-Frankfurt am 1. Mai am Start. Neben der Steigung am heimischen Radrenn-Hotspot Mammolshain zieht es den Rothschild-Deutschlandchef regelmäßig zu Fuß oder auf Ski in die Berge. Und wie im Büro gilt dabei für ihn: Es darf auch mal die lange Strecke sein.

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