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Adlers verzweifelte Suche nach einem Abschlussprüfer

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Die Adler Group tut sich schwer damit, einen Abschlussprüfer zu finden. Foto: Roman Babakin-stock.adobe.com
Die Adler Group tut sich schwer damit, einen Abschlussprüfer zu finden. Foto: Roman Babakin-stock.adobe.com

Die Adler Group tut sich offenbar sehr schwer damit, einen neuen Abschlussprüfer zu finden, nachdem KPMG dem angeschlagenen Immobilienkonzern im Mai überraschend den Rücken gekehrt hatte. Ende Juli sind Verwaltungsratschef Stefan Kirsten und der Vorsitzende des Prüfungsausschusses Thilo Schmid daher einen ungewöhnlichen Schritt gegangen und haben einen dreiseitigen Brief an die WP-Branche geschrieben, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Auf FINANCE-Anfrage hat ein Adler-Sprecher die Inhalte des Briefs bestätigt.

In dem Schreiben bedauern die beiden Manager demnach, dass sich noch keine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an der Ausschreibung beteiligt habe. „Gerne möchten wir in einem persönlichen Gespräch mehr über Beweggründe Ihrer Entscheidung erfahren“, schreiben die beiden weiter.

Dabei wollten sie „zugleich darlegen, warum es aus unserer Sicht von Vorteil für Ihr Haus sein kann, die Abschlüsse der Adler-Gruppe zu prüfen“, zitiert die Zeitung aus dem Brief. Gleichzeitig räumen die Verwaltungsräte ein: „Auch wir sehen potenzielle Reputationsrisiken, die aus einem Audit entstehen können.“

Verhältnis zwischen Adler und KPMG ist zerrüttet

Dass es für Adler schwierig werden dürfte, einen neuen Abschlussprüfer zu finden, war durchaus abzusehen. Das Unternehmen befindet sich seit der Shortseller-Attacke von Fraser Perring, die sich im Oktober jähren wird, in schwierigem Fahrwasser.

Eine Sonderprüfung durch Forseniker von KPMG förderte teils größere Compliance-Schwächen zutage, viele Punkte konnten laut KPMG zudem nicht richtig überprüft werden, weil den Forensikern nicht alle angeforderten Dokumente seitens Adler geliefert wurden. Kurz darauf verweigerten die Abschlussprüfer von KPMG dem Immobilienkonzern außerdem das Testat für 2021 – und gaben das Mandat ab.

Dass das Verhältnis zwischen Prüfer und Unternehmen zerrüttet war, war zu dem Zeitpunkt offensichtlich. Inzwischen hat auch die Bafin in ihrer Untersuchung Fehler in einer Bilanz gefunden und damit einige Ergebnisse von KPMG bestätigt. Seitdem muss Adler unter Zeitdruck einen neuen Prüfer suchen, der nun im laufenden Geschäftsjahr in die Prüfung einsteigt – das Unternehmen strebt ein uneingeschränktes Testat für 2022 an, um das Vertrauen der Investoren wiederzugewinnen.

Deloitte käme für Adler am ehesten infrage

Doch besonders attraktiv ist das Mandat bei Adler nicht. Nicht nur ist abzusehen, dass die Zusammenarbeit zwischen Prüfer und Unternehmen schwierig werden dürfte, angesichts der Probleme, über die KPMG sich bereits beklagt hat. Auch birgt die Prüfung ein höheres Reputationsrisiko. Nach dem Wirecard-Skandal sind Wirtschaftsprüfer mehr denn je sensibilisiert, außerdem ist die Haftung bei Fehlern deutlich angestiegen – WP-Gesellschaften wägen daher genau ab, welche Mandate sie noch annehmen wollen.

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Aufgrund der Größe und Komplexität des Mandats kommt im Prinzip auch nur ein Big-Four-Haus infrage. PwC, die bereits viel Erfahrung in der Prüfung von Immobilienkonzernen mitbringt, scheidet allerdings aus, da Adler die Gesellschaft vor einiger Zeit bereits mit der Analyse und der Entwicklung einer robusten Compliance-Funktion beauftragt hat. Dass EY sich bemüht, scheint unwahrscheinlich, da die Gesellschaft noch den Wirecard-Skandal aufarbeitet und kaum Interesse haben dürfte, sich einen umstrittenen Fall ins Haus zu holen. Bleibt nur noch Deloitte, doch offenbar hat sich die kleinste der Big Four bisher nicht dazu durchringen können.

Adler lockt Prüfer mit Sonderkonditionen

In dem Brief an die WP-Branche versucht Adler nun, einen neuen Abschlussprüfer mit Sonderkonditionen zu locken, wie das „Handelsblatt“ berichtet. So sei man gewillt, die Reputationsrisiken „strukturell zu reduzieren, zum Beispiel über einen Verzicht auf die berufsübliche Pflicht zur Verschwiegenheit“. Dies könnte so manchen Prüfer tatsächlich zum Umdenken bewegen, denn die Verschwiegenheitspflicht ist im Falle eines Bilanzskandals oftmals eine große Belastung, weil sich die Prüfer nicht öffentlich gegen Vorwürfe verteidigen dürfen.

Auch eine verstärkte Kommunikation zwischen Prüfer und Verwaltungsrat oder die Öffnung sämtlicher Daten aus Berichtsperioden vor dem Abschluss für 2022 seien denkbar, so Kirsten und Schmid in dem Brief weiter. Fakt ist, dass es knapp wird, wenn Adler nicht bald einen Prüfer findet – die Einarbeitung in so einen komplexen Fall dürfte sehr zeitaufwendig sein.

Stefan Kirsten: „Armutszeugnis für die Prüfer-Branche“

In einem Interview mit FINANCE zeigte sich Stefan Kirsten vor gut zwei Monaten noch optimistisch, dass man einen Prüfer finden werde: „Es gibt noch mehrere andere WP-Häuser außer KPMG, die in der Lage sind, große Immobilienunternehmen wie das unsere zu prüfen. Es wäre ein Armutszeugnis für die Prüfer-Branche, wenn jetzt alle zurückschrecken würden.“

Sollte Adler aber bis zum Jahresende keinen Prüfer finden, müsste jemand gerichtlich bestellt werden, erklärte er und ergänzte: „Bei einem SDax-Unternehmen! Das muss man sich mal vorstellen! Das wäre Neuland in der deutschen Kapitalmarktgeschichte.“

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.