CFOs und Wirtschaftsprüfer: Die neue Augenhöhe

„Verändern Sie die Datenstruktur!“ Das war der Vorschlag, den ihr Wirtschaftsprüfer der Vodafone-Deutschland-Finanzchefin Anna Dimitrova mit Blick auf ein Data-Analytics-Projekt unterbreitete, mit dessen Ergebnissen sie nicht voll zufrieden war. Eine Empfehlung, die den gewünschten Erfolg brachte. Für die CFO sind es genau solche Impulse, auf die sie von Wirtschaftsprüfern in Beraterfunktionen hofft: „Sie sollten unsere Methoden und Zielsetzungen verstehen und in der Lage sein, uns an ähnlichen Projekten in anderen Unternehmen zu benchmarken.“ Was die CFO als Wunschvorstellung formuliert, ist in der Praxis für die Prüfer nicht so einfach zu erfüllen: Die Digitalisierung verändert die Arbeitsweisen vieler Unternehmen und ihrer Finanzabteilung. Das verlangt den Wirtschaftsprüfern einiges ab – unabhängig davon, ob sie als Berater für ein Unternehmen tätig sind oder als Abschlussprüfer dessen Bilanzen testieren. „Die Wirtschaftsprüfer müssen sich mit dem Thema Digitalisierung, mit neuen Tools und Analysemethoden mindestens genauso intensiv befassen wie ihre Mandanten, wenn sie auf Augenhöhe agieren wollen“, sagt Melanie Sack, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des IDW. Was Vodafone vom Wirtschaftsprüfer erwartet Vodafone beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Digitalisierung, seit 2016 ist das Thema in die Geschäftsstrategie integriert. Im Fokus stehen drei Stoßrichtungen: die Digitalisierung der Schnittstellen zum Kunden, etwa im Service, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie die Verbesserung interner Prozesse, etwa durch Nutzung neuer Tools – ein Thema, das auch den Finanzbereich stark betrifft. So hat das Vodafone-Deutschland-Finanzteam sich zum Ziel gesetzt, agiler zu arbeiten und auch Budgets auf diesem Wege festzulegen – in kleinen Schritten, so dass man jederzeit nachsteuern kann, wenn das Ergebnis nicht passt. Um den Digitalisierungsfortschritt zu messen, hat das Unternehmen zudem neue Kennzahlen (KPIs) eingeführt. FINANCE-Köpfe Anna Dimitrova, Vodafone Kabel Deutschland GmBH Anna Dimitrova startet 2001 im Marketing von Vodafone Deutschland und übernimmt anschließend verschiedene Positionen, darunter sind auch Stationen im Finanzbereich. 2012 übernimmt sie das CFO-Amt von Vodafone Tschechien. Zwei Jahre später kehrt Dimitrova nach Deutschland zurück und wird Geschäftsführerin für Strategie und Unternehmensentwicklung. Seit November 2018 ist sie Finanzchefin der Deutschlandtochter des Mobilfunkriesen Vodafone. zum Profil Diese Veränderungen müssen die Wirtschaftsprüfer mitgehen, sagt Dimitrova – und das Unternehmen auf dem Weg voranbringen. „Ihr Vorteil besteht darin, dass sie tief in Digitalisierungsprojekte verschiedener Unternehmen in unterschiedlichen Branchen eintauchen können“, sagt die CFO. Diese Übersicht möchte sie für ihr eigenes Haus nutzen: „Wenn bestimmte Trends in anderen Branchen bereits etabliert sind, bei uns aber noch nicht angekommen sind, möchte ich das wissen.“ Wirtschaftsprüfer ringen um Positionierung Das gelingt freilich nur, wenn die Wirtschaftsprüfer diese Themen im Blick haben – keine einfache Aufgabe. IT- und Digitalisierungsthemen bilden im Curriculum des WP-Examens bislang keinen eigenen Bereich. Es ist Eigenständigkeit gefragt: „Weiterbildung, etwa im Umgang mit großen Datenmengen sowie mit Analyse- und Prognoseverfahren, ist heutzutage unerlässlich“, sagt IDW-Vorständin Sack. Sie räumt ein, dass es für Wirtschaftsprüfer heute anspruchsvoller ist als noch vor ein paar Jahren, eine „erfolgversprechende Positionierung“ zu finden. Im Gegenzug biete die Digitalisierung jedoch auch die Chance, sich in neuen Themenfeldern zu positionieren. „Der Bereich Cybersicherheit ist beispielsweise für viele Wirtschaftsprüfer ein interessantes neues Geschäftsfeld.“ Das ist von den Wirtschaftsprüfern gefragt BeratungBenchmarking: Prüfer sollten die Projekte ihrer Mandanten in Bezug zu denen anderer Unternehmen setzen können. Überblick: Gibt es Trends aus anderen Häusern, die sich übertragen lassen? Solche Infos können für Mandanten wichtig sein. PrüfungTools: Der Einsatz moderner Technologien wird zunehmend erwartet. Das erfordert auch Investitionen. Know-how: Prüfer müssen die Digitalisierung im eigenen Haus vollziehen, aber auch deren Folgen für das Geschäft der Kunden nachvollziehen können. Abschlussprüfung: Masse statt Stichprobe Neben neuen Beratungsfeldern eröffnet die Digitalisierung auch bei der Abschlussprüfung neue Möglichkeiten, dem zweiten großen Einsatzfeld der Prüfer. Vodafone vergibt sein Prüfmandat über die Konzernmutter zentral. Eine Voraussetzung: „Wir erwarten von unseren Prüfern, dass sie digitale Tools nutzen, um die Prüfung vorzunehmen.“ Dabei geht es der Finanzchefin darum, durch die neuen Methoden qualitativ bessere Ergebnisse zu erzielen: „Früher machte man Stichproben, heute lassen sich große Datenmengen mit Hilfe von Algorithmen auf Konsistenz untersuchen“, nennt sie ein Beispiel. „Das muss ein Prüfer beherrschen.“ IDW Melanie Sack sieht die Prüfer vor Herausforderungen. Ähnlich wie die Unternehmen stehen auch viele Wirtschaftsprüfer bei der Digitalisierung ihrer Angebote vor Herausforderungen, insbesondere kleinere mittelständische Häuser. Nicht nur in Fort- und Weiterbildung muss massiv investiert werden, um bei Branchenentwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben. Auch der Einsatz neuer Tools kostet Geld: „Kleinere Häuser tun sich bisweilen schwerer, diese teilweise immensen Investitionen zu stemmen, und schließen sich dafür beispielsweise in Netzwerken zusammen“, berichtet Sack. Die Annahme, dass eine teilweise automatisierte Prüfung günstiger angeboten werden könne, sei jedoch ein Trugschluss. Einerseits hört die IDW-Vorständin aus der WP-Branche immer häufiger, dass Unternehmen bereits bei der Ausschreibung danach fragten, mit welchen Tools der Prüfer etwa bei der Abschlussprüfung arbeiten wolle. Andererseits gebe es aber nach wie vor Unternehmen, die sehr restriktiv unterwegs seien und dem Prüfer keinen Volldatenzugriff einrichten möchten. „Im Moment müssen die Wirtschaftsprüfer die gesamte Bandbreite abdecken“, sagt Sack. Corona beschleunigt Digitalisierung In der Abschlussprüfung hat zuletzt die Coronavirus-Krise zu einem nicht ganz freiwilligen, zugleich aber wichtigen Digitalisierungsschub geführt. Auch Anna Dimitrova erlebte die Prüfung des jüngsten Berichts „remote“: „Als die Corona-Fälle in Deutschland im Frühjahr stiegen, habe ich meinen Bereichsleiter Finance Operations angerufen und mit ihm besprochen, wie wir den Jahresabschluss hinbekommen“, berichtet sie. Der Kollege konnte sie beruhigen: „Wir hatten bereits ein Tool für den Datenaustausch mit dem Wirtschaftsprüfer im Einsatz, wichtige Prozesse waren bereits etabliert. Angesichts der vielen Herausforderungen in dieser Phase war das eine enorme Erleichterung.“ Melanie Sack hat beobachtet, dass auch kleinere Mittelständler viele Prüfprozesse digitalisiert haben, einfach weil sie mussten. Tools zum Datenaustausch wurden eingesetzt, Inventuren liefen via Bildübertragung, Gespräche fanden virtuell statt. „Ich gehe davon aus, dass auch die kommende Prüfsaison überwiegend digital stattfindet.“ Melanie Sack, Vorstandsmitglied, IDW Die veränderten Prozesse sind für die Prüfer eine doppelte Herausforderung: Nicht nur müssen sie selbst die Veränderung mitgehen, sie müssen sie auch beim Mandanten in die Bewertung einbeziehen. „Der Wirtschaftsprüfer muss sich etwa fragen, ob ein neuer Prozess Auswirkungen auf das interne Kontrollsystem hat oder ob sich die Verlässlichkeit von Prüfungsnachweisen verändert“, sagt sie. Der Umstellungsaufwand dürfte sich lohnen, erwartet Sack: „Ich gehe davon aus, dass auch die kommende Prüfsaison überwiegend digital stattfindet.“ Anna Dimitrova rechnet ebenfalls damit, dass manche Errungenschaft erhalten bleiben wird. „Ich denke, dass es ein hybrides Modell zwischen Präsenzprüfung und virtueller Prüfung geben wird. Wir werden sicherlich nicht mehr allein zu Excel-Tabellen und physischen Unterschriften zurückkehren.“ Info Welche aktuellen Herausforderungen die großen Häuser der Branche bewegen lesen Sie auf unseren Themenseiten zu den Big Four und den Next Ten.

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