IDW-Chefin Melanie Sack: „KI macht die Abschlussprüfung nicht günstiger“

Frau Sack, Sie sind seit Anfang des Jahres neue Vorstandssprecherin des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW). Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?Als IDW-Vorstandssprecherin sehe ich meine Rolle in erster Linie darin, für einen starken und qualitätsorientierten Berufsstand einzutreten. Wir leben in herausfordernden Zeiten und dem Wirtschaftsprüfer kommt eine verantwortungsvolle Aufgabe bei ihrer Bewältigung zu. Er agiert im öffentlichen Interesse und sorgt für Vertrauen in die Informationen, die Unternehmen veröffentlichen müssen. Mein Ziel ist es, aufzuzeigen, welch wichtige Rolle der Berufsstand bei der Transformation der Wirtschaft spielt und wie er insbesondere die Nachhaltigkeit voranbringen kann. Aber auch beim IDW selbst wird es einige Veränderungen geben.Das ist richtig. Fachlichkeit als unser Markenkern bleibt gesetzt. Darüber hinaus legen wir den Fokus noch konsequenter als bisher auf den Markt, unsere Stakeholder und unsere Mitarbeiter. Deswegen sind weitere Punkte auf unserer Agenda die Themen „New Work“ und „New Leadership“ und, wie diese auf uns wirken. Wir wollen vernetzt, agil und flexibel arbeiten. Damit wird nicht nur eine kulturelle Veränderung einhergehen, sondern auch eine räumliche. Wir werden dieses Jahr innerhalb Düsseldorfs umziehen. In den neuen Räumlichkeiten wird „New Work“ für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IDW spür- und erlebbar werden. Ich bin sicher, das wird uns einen großen Schub geben. Info Melanie Sack ist seit 2012 im IDW und gehört seit April 2018 dem Vorstand als geschäftsführendes Mitglied an. Zum Jahresbeginn löste die Diplom-Kauffrau den langjährigen Vorstandssprecher des IDW Karl-Peter Naumann ab. Dort verantwortet sie die Bereiche Prüfung, Digitalisierung sowie Markets und Kommunikation. Sie sprachen von „herausfordernden Zeiten“ in denen wir leben. Vor welchen Herausforderungen steht ihr Berufsstand?Wir leben in Zeiten größerer Unsicherheiten, gerade die Geopolitik und die wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland sind wenig erbaulich. Für den Berufsstand möchte ich konkret drei Themen nennen: Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und den Fachkräftemangel. Mir ist es aber wichtig festzustellen, dass die Themen zwar herausfordernd sind, aber auch Chancen mit ihnen einhergehen. Künstliche Intelligenz wird die Wirtschaftsprüfung ändern Dann beginnen wir doch mit der Künstlichen Intelligenz. Kaum einer Technologie wird aktuell so eine große disruptive Kraft, aber gleichzeitig auch große Chancen zugeschrieben. Auch die Wirtschaftsprüfung setzt vermehrt auf KI. Kommt bald die automatische, KI-gesteuerte Abschlussprüfung?Sie haben recht, KI-Systeme werden bei der Abschlussprüfung schon eingesetzt, etwa in der Datenanalyse, um Anomalien zu entdecken. Oder sie werden für Geschäftsmodellanalysen genutzt. Auch beim Auslesen von Verträgen oder bei der Überprüfung, ob der Anhang komplett ist, kommt KI zum Einsatz. Also überall dort, wo große Text- oder Datenmengen anfallen und verarbeitet werden müssen. In diesen Feldern kann KI wertvolle Unterstützung liefern. Wichtig ist aber, dass die Verantwortung immer beim Abschlussprüfer bleibt. Alles zum Thema Wirtschaftsprüfer Wirtschaftsprüfer haben einen verantwortungsvollen Job, der eine lange Ausbildung erfordert und gut bezahlt ist. Skandale wie Wirecard rütteln die Branche aber derzeit durch. Alles über den Beruf, Herausforderungen und Trends gibt es auf dieser Themenseite. Mehr lesen Der Abschlussprüfer wird also immer das letzte Wort gegenüber der KI haben?Selbstverständlich. Der Abschlussprüfer muss jede Entscheidung eigenverantwortlich treffen. Er ist vertrauensbildende Instanz, die die Korrektheit des Jahresabschlusses und der zugrundliegenden Daten bestätigt. Die KI kann nur ein Hilfsmittel sein. KI wird nicht nur die Abschlussprüfung an sich beeinflussen, sondern auch das Berufsfeld. Müssen Wirtschaftsprüfer künftig auch IT-Fachleute sein?Da kann ich Sie beruhigen. Wirtschaftsprüfer werden künftig kein zusätzliches Informatikstudium benötigen. Aber natürlich wandelt sich das Berufsbild – auch durch den vermehrten Einsatz von KI. Wie man verantwortungsvoll mit KI-Systemen umgeht, wie man die Qualität der Daten überprüft und vor allem wie man eine Nachvollziehbarkeit der Prüfungsergebnisse erreicht, sollte ein Wirtschaftsprüfer künftig schon wissen. Aber dafür gibt es Aus- und Weiterbildungsprogramme, Leitfäden und Branchenveranstaltungen, die beim Wissensaufbau helfen, auch vom IDW. Wirtschaftsprüfer sind ein sehr veränderungsbereiter Berufsstand. Regulatorik darf Wirtschaftsprüfer nicht benachteiligen Vermutlich wird das auch eine Frage der Regulatorik sein: Was darf KI, was darf sie nicht?Die Regulatorik spielt natürlich eine große Rolle. Neben der Frage, was KI darf, ist aber auch die Frage entscheidend: Wer darf KI einsetzen und wie? Wir benötigen einheitliche Regeln und Standards, die uns nicht gegenüber den Mandanten benachteiligen. Gleichzeitig bedarf es Standards für die Prüfung von KI-Systemen, die in den Unternehmen zum Einsatz kommen. Hierzu haben wir den Prüfstandard IDW PS 861 zur freiwilligen Prüfung von KI-Systemen veröffentlicht, der Mindestanforderungen an verlässliche KI-Systeme definiert und so Vertrauen schafft. KI ist eine teure Technologie, die sich permanent weiterentwickelt. Große Einsparpotentiale, die die Abschlussprüfung günstiger machen, sehe ich hier nicht. Melanie Sack Der Einsatz von KI-Systemen wird die Abschlussprüfung effizienter machen, macht er sie auch preiswerter?Diese Hoffnung muss ich Ihnen leider nehmen. KI ist eine teure Technologie, die sich permanent weiterentwickelt. Große Einsparpotentiale, die die Abschlussprüfung günstiger machen, sehe ich hier nicht. Eine große Chance der KI liegt in der Qualitätssteigerung. Seit Jahresbeginn gilt die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die damit verbundene verpflichtende Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ist die Branche bereit für dieses neue Aufgabenfeld?Ja, das sind wir in weiten Teilen. Die Anforderungen der CSRD oder auch der Taxonomie treffen die Wirtschaftsprüfer nicht unvorbereitet. Die meisten Häuser haben ESG-Teams ausgebaut und einige sind schon länger beratend auf diesem Feld tätig. Außerdem haben viele Unternehmen schon zuvor freiwillig ihre Nachhaltigkeitsberichte von uns prüfen lassen. Aber natürlich muss auch der Berufsstand noch weiter Kompetenzen aufbauen. Das Thema Nachhaltigkeit entwickelt sich gerade mit einer hohen Dynamik. Das IDW hat kürzlich die erste Modulverlautbarung für die European Sustainability Reporting Standards – kurz ESRS – entwickelt, die Unternehmen und deren Abschlussprüfer bei einer einheitlichen Auslegung und Anwendung der neuen europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstützt. Mehr zum Thema EY akzeptiert Wirecard-Strafe: Prüfmandats-Sperre bis 2026 Ein Kapitel im Wirecard-Skandal wird geschlossen: Das Big-Four-Haus EY geht nicht weiter gegen die Sanktionen der Abschlussprüferaufsicht Apas vor. Mehr lesen Abschlussprüfer soll Nachhaltigkeitsbericht prüfen Und wie sieht es bei den Unternehmen aus: Sind die gut vorbereitet?Bei den großen Unternehmen von öffentlichem Interesse sehe ich keine großen Schwierigkeiten. Die kennen das schon und viele haben schon zuvor freiwillig ihre Nachhaltigkeitsberichte prüfen lassen. Die kleineren und mittleren Unternehmen werden mehr Hilfestellung benötigen. Das gilt vor allem für jene Unternehmen, die eigentlich gar nicht unter diesen Regulationsrahmen fallen, aber Teil einer Wertschöpfungs- oder Lieferkette sind und deshalb jetzt Nachhaltigkeitsdaten für ihre Kunden oder Auftraggeber erheben müssen. Hier gibt es aus meiner Sicht noch viel zu tun. Das Bundesjustizministerium hat mittlerweile den Referentenentwurf zur Umsetzung der CSRD veröffentlicht. Die Branche hat sich mit ihrer Forderung durchgesetzt, dass nur Wirtschaftsprüfer die Nachhaltigkeitsberichte prüfen sollen. Kritiker könnten trotzdem entgegnen, dass Wirtschaftsprüfern die nötige Kompetenz für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte fehle und sie dem außerdem personell nicht gewachsen seien.Hier muss man unterscheiden: Gemäß der CSRD ist der Abschlussprüfer vorgesehen, Mitgliedstaaten haben aber ein Wahlrecht, weitere Personen als Prüfer zuzulassen. In der deutschen Umsetzung wird davon Gebrauch gemacht und es werden auch andere Wirtschaftsprüfer zugelassen. Das ist aus meiner Sicht auch sinnvoll, denn der Berufsstand hat methodische Prüfungskompetenz und auch eine qualitätssichernde Infrastruktur. Im Idealfall prüft der Abschlussprüfer auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung, denn er kennt das Unternehmen, die Systeme und Prozesse bereits. Und nur weil die Verantwortung beim Abschlussprüfer oder Wirtschaftsprüfer liegt, heißt das nicht, dass er alles allein machen wird. Aber er muss eben die Gesamtverantwortung übernehmen können. Deswegen haben wir Standards für die Einbeziehung externer Dritter. Schon heute werden im Rahmen der Jahresabschlussprüfung in Rechtsfragen oder Spezialfragen, wie zum Beispiel der Bewertung von Immobilien, externe Fachleute hinzugezogen. Genauso wird der Berufsstand beispielsweise bei Fragen zur Biodiversität oder technischen Fragen zum CO2-Ausstoß Experten hinzuziehen. Im Idealfall prüft der Abschlussprüfer auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung, denn er kennt das Unternehmen, die Systeme und Prozesse bereits. Melanie Sack Das Berufsbild Wirtschaftsprüfer wandelt sich Die dritte Herausforderung, die Sie eingangs nannten, ist der Fachkräftemangel. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird der größte Teil der Babyboomer-Generation in Rente gegangen sein und damit auch eine große Zahl aktuell noch aktiver Wirtschaftsprüfer. Gleichzeitig verharrt die Zahl der jährlich erfolgreich abgelegten Wirtschaftsprüferexamen im dreistelligen Bereich. Wie soll diese Lücke geschlossen werden?Der demografische Wandel ist natürlich auch für unsere Branche eine große Herausforderung. Und ich glaube nicht, dass wir diese Lücke eins-zu-eins werden schließen können. Aber ich möchte hier nicht schwarzmalen. Im Gegenteil. Wir sehen schon jetzt, dass das Thema ESG ganz andere Menschen für den Beruf begeistert als noch ein vor ein paar Jahren. Wir sprechen neue Leute an, nicht primär diejenigen, die sich für Finanzkennzahlen interessieren. Die Teams sind heute viel diverser besetzt, da arbeiten neben den klassischen BWLern auch Biologen, Techniker oder Informatiker zusammen. Das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers verändert und erweitert sich dadurch, es wird attraktiver. Mehr zum Thema Big-Four-Ranking Audit: EY holt KPMG wieder ein Trotz Wirecard konnte EY im Audit zuletzt überraschend stark zulegen – und damit KPMG einholen. Aber auch Deloitte kommt rasant näher. Das FINANCE-Ranking zum Wirtschaftsprüfermarkt. Mehr lesen Aber das vereinfacht das ohnehin schon schwierige Examen nicht gerade.Das stimmt. Deshalb glauben wir vom IDW auch, dass das Examen zum Wirtschaftsprüfer an der einen oder anderen Stelle überarbeitet werden muss, ohne dass die Qualität darunter leitet. Vor ein paar Jahren erfolgte die Modularisierung des Examens, die zwar zu einer Entzerrung desselbigen aber zu keinem Qualitätsverlust geführt hat. Aber man könnte bestimmte Leistungen aus dem Studium anerkennen oder die Anzahl der mündlichen Prüfungsteile reduzieren. Das Examen wird aber anspruchsvoll bleiben, schließlich ist die Aufgabe des Wirtschaftsprüfers als Vertrauensgeber auch anspruchsvoll. Gerade in so herausfordernden Zeiten.

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