EnBW-CFO Thomas Kusterer: Mr. Sustainability

„Es ist eine besondere Anerkennung für das, was wir bisher erreicht haben“, sagt Thomas Kusterer, Finanzchef des Energiekonzerns EnBW. Fast 2.000 Augenpaare sind auf ihn gerichtet, als der Top-Manager die Auszeichnung „CFO des Jahres“ auf der 19. Structured FINANCE in Stuttgart entgegennimmt. „Ich sehe es gleichzeitig auch als Anerkennung und Wertschätzung für die gesamte Transformation von EnBW sowie für meine gesamte Finanzorganisation“, sagt Kusterer. Dass der Finanzmanager zum „CFO des Jahres“ gekürt wurde, hat er vor allem seiner langen Erfolgsbilanz bei EnBW zu verdanken. So begleitete er das Unternehmen durch eine langjährige Transformation hin zu einem Anbieter erneuerbarer Energien – trotz Herausforderungen wie Atomausstieg, Klimakrise oder Ukraine-Krieg. Gerade sein Start als Konzern-Finanzvorstand bei EnBW war alles andere als einfach. Kurz vor seinem Amtsantritt im April 2011 ereignete sich am 11. März das Reaktorunglück im japanischen Fukushima. Der Katastrophe, die viele Menschenleben kostete und bis heute nachwirkt, folgte der Beschluss der Bundesregierung, aus dem Atomgeschäft auszusteigen. Für ein Unternehmen wie EnBW, das damals auf Kohle- und Atomenergie spezialisiert war, ein harter Schlag. Zu diesem Zeitpunkt stammten bis zu vier Fünftel der operativen Erlöse aus diesen beiden Bereichen, also aus der konventionellen Stromerzeugung. Nach Reaktorunglück: Vorstandssitzungen statt Urlaub Für Kusterer direkt eine riesige Herausforderung: Das Unternehmen muss sich transformieren. „Ich wollte mich eigentlich gerade in den Urlaub verabschieden“, erinnert sich Kusterer, der kurz vor seinem Antritt bei EnBW noch bei dem britischen Versorger EDF Energy, einer Tochter des französischen EDF-Konzerns, in Diensten stand. Statt Ski zu fahren, habe er die folgende Woche zwischen Vorstandssitzungen in England und in Deutschland verbracht. Von seinem alten Arbeitgeber EDF hatte das Land Baden-Württemberg Anfang 2011 45 Prozent der Anteile an EnBW zurückerworben. Kusterer musste in der brenzligen Lage nach Fukushima schnell reagieren. „Es war relativ schnell klar, dass wir auf der einen Seite die Kosten senken und auf der anderen Seite das Unternehmen umbauen müssen – und zwar schneller und tiefgreifender, als wir ursprünglich gedacht hätten. Das war eine große Herausforderung“, sagt der heute 55-Jährige. Seither hat sich viel getan, insgesamt investierte EnBW über 17 Milliarden Euro in die Transformation. Heute gelten die Baden-Württemberger als Vorreiter in der Energiewende und waren 2017 unter anderem das erste deutsche Unternehmen, dass mit einem Gebot den Zuschlag für einen Offshore-Windpark erhielt. Zudem hat der Energiekonzern aus Karlsruhe nun ein A-Rating und kann seine Gewinne jährlich steigern. FINANCE Köpfe Thomas Kusterer EnBW Energie Baden-Württemberg AG Mehr lesen Energiekrise nach Ukraine-Krieg Kusterers Vorteil während dieser stürmischen Zeit: Er kennt das Unternehmen extrem gut – auch schon aus der Zeit vor seiner CFO-Position. Der gebürtige Badener aus einer kleinen Gemeinde bei Pforzheim stieg 2004 als Leiter Rechnungswesen und Steuern bei den Karlsruhern ein. Anschließend wurde er Generalbevollmächtigter Finanzen. 2009 wechselte er als CFO zum britischen Energieversorger EDF Energy in London, bevor er als Finanzvorstand zu EnBW zurückkehrte. Kusterer musste allerdings mit seinen Vorstandskollegen nicht nur die Transformation meistern, sondern durchlebte 2022 noch eine weitere handfeste Krise: Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine sorgte zeitweise für extrem steigende Energiepreise und volatile Rohstoffmärkte. Sogenannte Margin Calls in Milliardenhöhe waren die Folge. „Im Finanzbereich stand im Vordergrund, die Liquidität zu sichern“, betont Kusterer und verweist dabei auf sein Treasury-Team, das ganze Arbeit leisten musste. „Wir hatten zwischenzeitlich mehrere Milliarden Euro an Liquidität auf den Bankkonten liegen, um kurzfristig reagieren zu können“, erinnert sich der Finanzchef. Kusterer sichert ersten Schuldschein von EnBW Zudem belastete der Krieg in der Ukraine das Geschäft der EnBW-Tochter VNG, eines Gasimporteurs mit Sitz in Leipzig. Kusterer war maßgeblich an der Stabilisierung von VNG beteiligt und unterstützte das Unternehmen unter anderem mit einer Eigenkapitalerhöhung. Außerdem war der Finanzchef an Gesprächen mit dem Bund über eine staatliche Rettung beteiligt. Mit Hilfe einer intensiven Kapitalmarktkommunikation, eines durchdachten Hedging-Konzepts sowie einer Verteilung der Finanzierungsquellen gelang es Kusterer, den Energiekonzern erfolgreich durch diese Zeit zu führen. Im Krisenjahr 2022 platzierte der Finanzchef den ersten Schuldschein von EnBW in Höhe von 500 Millionen Euro sowie eine US-Privatplatzierung in Höhe von insgesamt 850 Millionen US-Dollar. Darüber hinaus begab EnBW Green Bonds mit einem Volumen von 1 Milliarde Euro. „Während dieser Zeit hat sich gezeigt, wie wichtig langfristige, stabile Bankbeziehungen sind“, sagt Kusterer. „Wir waren auf Banken angewiesen, die unser Geschäft sowie auch die Energiewirtschaft insgesamt kennen.“ Mehr zum Thema Die Hall of Fame der CFOs des Jahres Gestern Abend kürte FINANCE wieder den CFO des Jahres. Der neue Preisträger Thomas Kusterer ist in guter Gesellschaft. Dies ist die Hall of Fame. Mehr lesen Green Finance im Fokus Zwischen all den Ereignissen engagiert sich Kusterer besonders für das Feld Green Finance. „Wir waren 2018 einer der ersten deutschen Energieversorger, der eine grüne Anleihe begeben hat. Heute sind bereits knapp 40 Prozent unserer ausstehenden Anleihen grüne Finanzierungen. Und dieser Anteil wird weiter zunehmen“, sagt Kusterer. Die Nachhaltigkeitsstrategie von Kusterer und EnBW spiegelt sich auch in der Berichterstattung des Konzerns wider. Bereits 2014 entschied sich der CFO für eine integrierte Berichterstattung. „Unser Geschäftsmodell ist auf Nachhaltigkeit fokussiert. Über das Reporting haben wir uns daher auch schon früh mit nicht-finanziellen KPIs beschäftigt“, sagt Kusterer. Das Thema Nachhaltigkeit wird bei EnBW großgeschrieben. Noch ist der Energiekonzern nicht klimaneutral, denn der Atomausstieg bedeutet, dass ein Teil der Verstromung über Kohle produziert wird, was hohe CO2-Emissionen verursacht. „Diese Situation ist natürlich nicht hilfreich für den CO2-Footprint von EnBW, doch Kohle ist zum jetzigen Zeitpunkt notwendig für die Versorgungssicherheit des Landes“, sagt Kusterer. Perspektivisch will der Konzern jedoch so schnell, wie es die Rahmenbedingungen zulassen, aus der Kohle aussteigen – und hat sich dafür 2028 als Ziel gesetzt. Spätestens 2035 will EnBW zudem klimaneutral sein. Transparente Berichterstattung Doch auch außerhalb des Konzerns engagiert sich der EnBW-Finanzvorstand für das Thema Nachhaltigkeit. Er ist in internationalen Gremien wie dem International Integrated Reporting Council (IIRC) und der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) aktiv, die das Ziel haben, Standards für die Bewertung und Gestaltung einer ESG-konformen Unternehmensberichterstattung zu erarbeiten. „Mir ist das Thema Transparenz sehr wichtig, da die Finanzkrise 2008/2009 unter anderem auch aus fehlender Transparenz hervorging“, sagt Kusterer. „Durch unser nachhaltiges Geschäftsmodell war es aus meiner Sicht schlicht eine konsequente Weiterentwicklung, mich auch darüber hinaus mit dem Thema zu befassen.“ Kusterer positioniert sich zudem öffentlich klar gegen Greenwashing. „Ich glaube, das Thema Greenwashing wird durch den Finanzmarkt und immer klarere Standards mittlerweile so stark in den Blick genommen, dass man durchaus von einer guten Entwicklung sprechen kann“, so der CFO. Seit seinem Amtsantritt 2011 hat Kusterer turbulente Zeiten gemeistert. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt ihm dennoch nicht. Die Klimakrise ist allgegenwärtig, hinzu gesellen sich geopolitische Herausforderungen, die Energie mehr denn je zu einem Kernthema machen. Gerüstet ist der Finanzvorstand nach all den Krisen der vergangenen Jahre aber auf jeden Fall.

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