Christian Schulz: der Goldjunge

Auf blau-orangenen Fahnen prangt das Renk-Logo an der sandigen Fassade der Frankfurter Börse. Am 7. Februar um 9.18 Uhr finalisierte Renk schließlich den zweiten Anlauf für seinen lange erwarteten Börsengang. Mit einem Paukenschlag eröffnete der Rüstungszulieferer als erster IPO des Jahres das Börsenjahr in Deutschland. Renk-CEO Susanne Wiegand läutete mit breitem Lachen die Glocke und übergab sie schließlich an CFO Christian Schulz, der passend zum Unternehmenslogo eine orangefarbene Krawatte trug. Die beiden wirkten sichtlich stolz, hatten sie erst Anfang Oktober vergangenen Jahres den ursprünglich geplanten IPO von Renk abgesagt. Das Marktumfeld sei zu jenem Zeitpunkt zu eingetrübt, hieß es seinerzeit in einer kurzen Mitteilung des Augsburger Unternehmens. In der Tat war die Stimmung an den Aktienmärkten gedrückt. Im Gesamtjahr 2023 schafften nur drei Unternehmen in Deutschland die Börsennotierung. Aktionäre zeigten sich wegen der Zinsbewegungen, der Inflationsangst sowie der mauen Konjunktur zurückhaltend. Trotzdem: Einen IPO ankündigen und dann abblasen, das ist keine leichte Entscheidung. Renk startet stark an der Börse Ganz anders sah es nun am Tag des IPO für Renk aus: Der erste Kurs für die Aktie des Rüstungskonzerns wurde in Frankfurt mit 17,50 Euro festgestellt. Das waren 17 Prozent mehr als der Ausgabepreis von 15 Euro. Renk wurde zum ersten Kurs mit 1,75 Milliarden Euro bewertet. Durch den Krieg in der Ukraine sind Getriebe für Panzer so gefragt wie lange nicht mehr. Jenes Geschäft macht rund 70 Prozent des Umsatzes von Renk aus. Der Rest wird mit Produkten wie Antrieben für Windräder oder Wasserstofftechnologie erzielt. Der Börsengang gebe Renk Spielraum für nachhaltiges Wachstum im Verteidigungsbereich, aber auch im Bereich der Energiewende, sagte Renk-Chefin Susanne Wiegand auf dem Parkett. KNDS präsentiert sich als Cornerstone-Investor Der Börsengang in Frankfurt war kein klassischer IPO, vielmehr eine Notierungsaufnahme. Denn das breite Investorenpublikum konnte keine neuen Aktien zeichnen. Stattdessen platzierte der Finanzinvestor Triton aus seinem Bestand innerhalb von zwei Tagen 33,3 Millionen Renk-Aktien für 500 Millionen Euro bei institutionellen Investoren. Allein Aktien für 100 Millionen Euro zeichnete der Leopard-2-Panzerhersteller KNDS. Der Großkunde hält nun 6,7 Prozent an Renk und hat sich die Option einräumen lassen, zu einem späteren Zeitpunkt von Triton weitere Aktien zu kaufen und so seinen Anteil bis auf 25 Prozent aufzustocken. Der Zeitpunkt für den zweiten Anlauf war gewinnbringend gewählt: Nicht nur der deutsche Leitindex Dax zeichnete zum Tag des IPO Rekordwerte, auch die Rüstungstitel Hensoldt und Rheinmetall hatten in den ersten Wochen des Jahres 17 beziehungsweise 11 Prozent an Wert gewonnen. Die Renk-Aktie hat kräftig Rückenwind: Der Aktienkurs liegt bei über 28 Euro und hat sich seit der Erstnotierung fast verdoppelt. Die Marktkapitalisierung ist auf 2,8 Milliarden Euro geklettert. Christian Schulz brachte bereits Traton an die Börse Christian Schulz musste in einer kurzen Amtszeit viel erreichen. Er stieg als neuer CFO in einer heißen Phase seines neuen Arbeitgebers ein. Erst im Juni 2023 wechselte Christian Schulz aus dem „Garden Leave“, also der Freistellung seines vorherigen Arbeitgebers, zum Augsburger Getriebehersteller. Er trat die Nachfolge von Niklas Beyes an, der sein Amt laut Renk nach eineinhalb Jahren auf eigenen Wunsch niedergelegt hatte. Der nun geglückte IPO dürfte eine seiner wichtigsten Aufgaben gewesen ein. Als Schulz zu Renk kam, war der Börsengang bereits in Vorbereitung. Wie das „Handelsblatt“ berichtete, hatte die Private-Equity-Gesellschaft erste Vorbereitungen für den IPO oder einen Verkauf des Unternehmens vorgenommen. Triton war im Oktober 2020 bei Renk eingestiegen. Bereits bei Bekanntgabe seines Wechsels zu Renk wurde Schulz‘ Expertise am Kapitalmarkt hoch gehandelt: „Aufgrund seiner Kapitalmarkt- und internationalen Erfahrung bringt er beste Voraussetzungen mit, Renk auf seinem künftigen Wachstumskurs erfolgreich zu unterstützen“, so Claus von Hermann, Co-Head von Renk-Mehrheitseigner Triton. Schulz weiß, worauf es beim Börsendebüt ankommt, so die Hoffnung. Und der Goldjunge hat abgeliefert. Mit Traton wagte Schulz neue Wege Der 46-jährige Schulz war von 2018 bis September 2021 für die Finanzgeschicke der VW-Tochter Traton verantwortlich. Die frühere Trucksparte von Volkswagen führte er 2019 an die Börse. Darüber hinaus platzierte der Finanzchef Ende Juli 2020 den ersten eigenen, von VW unabhängigen Konsortialkredit über 3,75 Milliarden Euro beim Lkw-Hersteller Traton, der zudem an ESG- und Nachhaltigkeitskriterien gekoppelt war. Während seiner Zeit bei Traton navigierte Schulz auch die komplexe Navistar-Übernahme. Den Lkw-Hersteller verließ der CFO dann im Zuge der Ankündigung einer neuen Konzern-Strategie. Renk-CFO Schulz war 15 Jahre bei Daimler Finanzexperte Schulz ist ein Kind der Automobilindustrie: 1999 begann der Hobby-Wanderer seine berufliche Laufbahn bei dem Autobauer Daimler, wo er verschiedene leitende Funktionen bekleidete, unter anderem bei der Daimler-Tochter Mitsubishi Fuso Truck & Bus in Tokio. Nach mehr als 15 Jahren wechselte er dann 2017 zu Volkswagen Truck & Bus. Dort war er zunächst für die Bereiche Unternehmensentwicklung, Strategie und M&A verantwortlich, bis er im Juni 2018 zum CFO der VW-Sparte befördert wurde, die kurz darauf in Traton umfirmierte. Renk-CEO Wiegand sorgt sich um Lieferkette Auch Renk will mit Schulz nun auf der Erfolgsspur bleiben. Der Getriebehersteller hat große Pläne für die Zukunft, wie CEO Wiegand in einem Interview mit „Capital“ konstatiert: „Wir wollen unseren Umsatz mittelfristig um jährlich 10 Prozent steigern.“ Ihr Vorhaben ist nicht abwegig. Die Bilanz der ersten neun Monate in 2023 zeigt ein florierendes Unternehmen: Im Vergleich zum Vorjahr sind 24 Prozent mehr Aufträge eingegangen und der Umsatz hat sich um 10 Prozent auf 653 Millionen Euro im September 2023 gesteigert. Der bereinigte operative Gewinn (Ebit) wuchs um 6 Prozent auf 104 Millionen Euro. Das Ergebnis bemisst sich aus der positiven Entwicklung der Sparten Fahrzeugmobilitätslösungen, Marine & Industrie und Gleitlager. „Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung unserer drei Segmente und besonders mit der Entwicklung in unserem Marine & Industrie Geschäft im vergangenen Quartal“, sagte CFO Christian Schulz. Renk plant 2023 einen Umsatz von 1 Milliarde Euro – nach 850 Millionen Euro im Vorjahr. Die Finanzen von Renk sind umgebaut Bislang stehen die Sterne gut. Der IPO hat sich für Renk voll und ganz ausgezahlt. Ende Februar hat Renk zudem seine Finanzierung neu aufgestellt. Eine 520 Millionen Euro schwere Unternehmensanleihe konnte der Konzern vorzeitig zurückführen und durch einen 525 Millionen Euro Term Loan von einem Konsortium aus 14 Banken und Finanzinstituten aus Europa, Nordamerika und Asien ersetzen. Der Term Loan soll fünf Jahre laufen. Nachdem die Ratingagentur S&P bereits das Rating angehoben hat, folgte Ende Februar auch Moody’s, die Renk von B1 auf Ba3 sowie den Ausblick auf „positiv“ angehoben haben. Diese Entwicklungen geben auch Schulz allen Grund zur Zuversicht: „Wir sind sehr erfreut, dass wir mit diesem wettbewerbsfähigen Paket unsere Fremdfinanzierung auf mittelfristig solide Beine stellen konnten“, so Christian Schulz. Am wichtigsten ist jedoch, dass Schulz mit Renk den Meilenstein Börsengang nun geschafft hat. Dieser wird sich für den CFO voraussichtlich auch finanziell lohnen: Für gewöhnlich erhält das Management bei einem erfolgreichen IPO von PE-Investoren eine üppige Erfolgsprämie. Es dürfen sich also nicht nur die Aktionäre freuen.

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