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CFO in der Türkei: Michael Moser von Enerjisa Enerji

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Michael Moser arbeitet als CFO in der Türkei. Foto: Enerjisa Enerji
Michael Moser arbeitet als CFO in der Türkei. Foto: Enerjisa Enerji

Istanbul – die Stadt, in die viele zum Sightseeing fahren, ist seit über zwei Jahren der Arbeitsort von CFO Michael Moser. Der CFO im Ausland leitet seit Juli 2019 die Finanzen von Enerjisa Enerji, einem türkischen Energieunternehmen in den Bereichen Netz, Retail, Customer Solutions und E-Mobility mit Standorten rund um Istanbul, Ankara und Adana. Das Unternehmen machte zuletzt einen Umsatz von 22 Milliarden Lira (etwa 1,9 Milliarden Euro Euro) und versorgt mit etwa 12.5000 Mitarbeitern ungefähr 10 Millionen Stromkunden. E.on sowie das türkische Konglomerat Sabanci Holding halten jeweils 40 Prozent an Enerjisa Enerji, die übrigen Anteile liegen im Free Float.

Für CFO Moser stand jüngst die Vermarktung eines 800 Millionen Lira (umgerechnet 72 Millionen Euro) schweren Bonds auf der Agenda. Mitte Oktober wurde dieser platziert.

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E.on ist Gesellschafter von Enerjisa Enerji

Der gebürtige Frankfurter wurde mit einem bestimmten Ziel zu dem börsennotierten Energiekonzern geschickt: „Ich sollte den Finanzbereich transformieren und das Geschäft auf Wachstum trimmen“, sagt Moser. Entsendet wurde er von E.on. CFO Moser leitete vorher die Finanzen der Einheit Customer Solutions von E.on. Zudem war er bei dem Konzern Chief Audit Officer und Global Head of Legal M&A.  

Was hat der 45-jährige Finanzer in zwei Jahren in der Türkei bereits umgesetzt? Vor allem im Treasury einiges . „Als ich bei Enerjisa Enerji anfing, gab es kein aktives Cash Management. Das Treasury hatte kaum Überblick über die tagesaktuellen Liquiditätsströme.“ Moser sagt, er habe den Bereich neu aufgestellt und die Finanzierungslaufzeiten breiter gestreut. Das Unternehmen nutzt seinen Angaben zufolge zur Finanzierung Kredite mit festen Laufzeiten, Bonds, darunter künftig auch Green Bonds, sowie Kreditlinien.

CFO in der Türkei: Inflation als Herausforderung

Eine große Herausforderung hat die Arbeit als CFO in der Türkei: Das Treasury muss mit der hohen Inflation umgehen, die in der Türkei herrscht. „Die Währungs- und Zinsschwankungen sind extrem. Fremdkapitalzinsen können heute noch 20 Prozent betragen und übermorgen signifikant darunter oder darüber liegen. Wir müssen daher sehr agil und flexibel sein“, berichtet Moser. Ein Treasury, das den Überblick über alle Positionen hat, sei dafür die Voraussetzung. 

Auch an dem Risikomanagementsystem hat der CFO gearbeitet und ein internes Kontrollsystem aufgesetzt, wie er berichtet. „Wir wissen jetzt, wie kurz-, mittel- und langfristige Risiken in der Finanzplanung abgedeckt sind.“ Zudem hat Enerjisa Enerji eine neue Berichtsstruktur: „Früher hatten einige der sieben Tochterunternehmen jeweils einen eigenen CFO, der an den CEO der jeweiligen Einheit berichtete.“ Dadurch fehlte die zentrale Steuerung über den Finanzbereich.

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CFO im Ausland

Fast jeder CFO absolviert eine Auslandsstation in seiner Karrierelaufbahn. FINANCE begleitet CFOs auf ihrem Weg – wie meistern sie ihre Expatstation, welche Herausforderungen gibt es und wie verläuft die Rückkehr.

CFO Michael Moser musste erst Vertrauen gewinnen

Als neuer Finanzchef musste Moser sich gerade zu Beginn einigen Herausforderungen stellen. „Die Mitarbeiter waren erst einmal skeptisch, dass ein Ausländer den Finanzbereich leiten will und direkt auf die regionalen Einheiten zugreifen möchte“, erinnert er sich. Um eine persönlichere Beziehung aufzubauen, hat er deshalb beispielsweise seine Antrittsrede in Türkisch gehalten – ohne Sprachkenntnisse. „Ich habe eine Rede notiert, sie einem Übersetzer geschickt, und er hat mir über Sprachnachrichten alles ins Türkische vorgesprochen. Es war sicherlich ein schwer verständliches Türkisch, aber es hat frühzeitig zu einer emotionalen Verbundenheit geführt.“

Über die Zeit hat der CFO weitere Aufgaben hinzubekommen. Moser leitet jetzt auch die Bereiche Investor Relations, Strategy, Accounting, Treasury, Controlling, Tax, Procurement, M&A, Risk Management, Internal Control, Corporate Office, Sustainability sowie Legal und Compliance.

In seiner Tätigkeit versucht er, sich vieles von den türkischen Mitarbeitern abzuschauen. „In der Türkei wird beispielsweise ganz anders verhandelt als in Deutschland“, berichtet Moser. Bei einem M&A-Deal werde die Hälfte der Zeit über Familie und Fußball gesprochen, die andere Hälfte der Zeit gehe es um den eigentlichen Deal. „Trotzdem kommen die Deals meistens in der gleichen Zeit zustande.“ Diese Art der Gesprächsführung würde auch dazu führen, dass Beziehungen nachhaltiger werden. „Wenn in Deutschland eine Transaktion abgeschlossen ist, bleibt man danach mit der anderen Partei eher selten in Kontakt. In der Türkei entwickelt sich daraus jedoch oft etwas langfristiges.“

Auslandsstation ist „Muss“ für CFOs

Zusätzlich zum operativen Geschäft hat der Job für den Expat auch eine persönliche Herausforderung. Er pendelt jedes Wochenende zwischen Deutschland und der Türkei, um seine Familie in Frankfurt zu besuchen. Nur während des Lockdowns konnte er ein paar Wochen nicht nach Deutschland. „Das ist natürlich schon anstrengend“, gibt Moser zu.

Geholfen hat ihm bei seiner aktuellen Auslandsstation, dass er zuvor schon Expat in Brasilien war und Auslandserfahrung sammeln konnte. Für das zu doeser Zeit finanziell unter großem Druck stehende brasilianische Energieunternehmen Eneva, damals ebenfalls eine Beteiligung von E.on, begleitete er von 2013 bis 2015 eine Restrukturierung. Später war er als einer von drei Projektleitern an der E.on-Abspaltung von Uniper beteiligt, in deren Rahmen auch die Zukunft des Türkeigeschäfts Thema war.

Eine Expat-Station im Ausland kann für CFOs ein Sprungbrett sein. Manchmal ist es sogar eine Gelegenheit, um nach der Rückkehr nach Deutschland im Finanzbereich der Holding aufzusteigen. Auch Moser kann sich eine Rückkehr in die Zentrale vorstellen, auch wenn er vorerst noch in der Türkei bleiben wird. Seinen CFO-Kollegen empfiehlt er, eine Auslandsstation zu absolvieren. „Wer nur im sogenannten Elfenbeinturm sitzt, wird es sicherlich schwerer haben, die lokalen Herausforderungen zu verstehen und ein kulturelles Gefühl dafür zu entwickeln, wie Unternehmen vor Ort ticken und wie beispielsweise dort Verhandlungen ablaufen.“ Er selbst setzt diese Maßgabe im Recruiting um: Seine Wunschkandidaten in seinem CFO-Team sollten möglichst eine Auslandsstation absolviert haben oder zumindest dafür offen sein.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.