„Als Finanzchef im Glücksspielgeschäft muss man stochastisch denken“

Seit Mitte September 2023 ist Sebastian Bielskifür die Finanzgeschicke von Zeal Network zuständig. In dieser Position ist er neben dem Finanzbereich außerdem für die Ressorts Investor Relations und ESG verantwortlich. Vor seiner Zeit bei dem Unternehmen war er unter anderem CFO bei dem Kreditvergleichsportal Smava an, wo er für sieben Jahre tätig war. Im Dezember 2022 übernahm Bielski den CFO-Posten beim Leipziger Solartechnikanbieter Energiekonzepte Deutschland. Sein neuer Arbeitgeber Zeal ist eine E-Commerce-Unternehmensgruppe, die online Lotterieprodukte anbietet. Zu den bekanntesten Marken der Gruppe zählen unter anderem Lotto24 und Tipp24. Bis Mitte Dezember war Zeal zudem im SDax gelistet. Wie Bielski im Unternehmen gestartet ist und wie seine Arbeit im Glücksspielgeschäft zwischen Regulierungen und Präventionsmaßnahmen aussieht, das und mehr hat der 1978 geborene Manager im FINANCE-Interview verraten. Herr Bielski, Sie sind jetzt etwas mehr als 100 Tage als CFO bei Zeal im Amt. Was hat sich seitdem getan?Wir haben das Geschäftsjahr 2023 mitsamt dem Start unserer Online-Games im Juni 2023 reflektiert, den Strategieprozess für das nächste Jahr und Ende November das Budget für das kommende Jahr festgelegt. Für mich persönlich war die erste Regel-Kommunikation mit unseren Investoren zu den Quartalszahlen besonders wichtig. Dass wir den strategischen Ausbau unserer Marktführerschaft im Bereich der Online-Lotterien kommunizieren konnten, hat mich besonders gefreut. 2024 wollen wir weiter zulegen – Potenzial für weiteres Wachstum sehen wir dabei vor allem im neuen Segment Online-Games sowie im Bereich der Soziallotterien, wo wir mit Freiheit+ selbst als Anbieter auftreten. Sie waren vorher unter anderem Finanzchef bei dem Kreditvergleichsportal Smava sowie bei dem Solartechnikanbieter Energiekonzepte Deutschland (EKD). Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit bei Zeal von der bei Ihren vorherigen Stationen?Es ist natürlich ein großer Unterschied, ob man bei einem börsengelisteten oder einem privaten Unternehmen CFO ist. Sowohl Smava als auch EKD waren in den Händen von Finanzinvestoren. Beide Unternehmen sind im Vergleich zu Zeal noch recht jung und legen ihren Fokus auf sehr hohes Wachstum. Nun befinde ich mich in einem Börsenumfeld, das deutlich stärker reguliert ist. Zeal ist bereits ein etabliertes Unternehmen mit einem klaren Wachstumsanspruch, wobei es hier mehr um Optimierungsfragen geht als ausschließlich um eine steile Wachstumskurve. Genau diese neuen Fragestellungen machen die Position so spannend für mich. Wie haben Sie sich auf den neuen Job vorbereitet?Ich habe mich tiefgreifend mit dem Geschäftsmodell von Zeal und dem Marktumfeld beschäftigt. Die Glücksspielbranche ist ein ganz eigener Markt und aus gutem Grund streng reglementiert – mich hier tief einzuarbeiten war daher sehr wichtig. Vor meinem Start habe ich außerdem die App von Lotto24 ausprobiert und einige Lottoscheine abgegeben – allerdings ohne Erfolg. Zeal: Geschäft von Jackpot-Entwicklung abhängig Wir befinden uns aktuell in wirtschaftlich volatilen Zeiten. Wie wirkt sich die Unsicherheit auf Ihr Geschäft aus?Unser Geschäft ist konjunkturunabhängig. Die Menschen träumen von finanzieller Unabhängigkeit, Freiheit und Sicherheit. Diese Träume gibt es in wirtschaftlich guten und in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Mit unserem Geschäftsmodell sind wir resilient aufgestellt und bieten unseren Investoren so Verlässlichkeit. Info Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022 hat Zeal einen Umsatz von 105,2 Millionen Euro geschrieben (Vorjahr 2021: 86,8 Millionen Euro). Das Ebitda belief sich auf 31,7 Millionen Euro (2021: 27,7 Millionen Euro). Wovon hängt die Entwicklung der Geschäftszahlen dann ab?Ein wichtiger Treiber für die wirtschaftliche Lage von Zeal ist die jährliche Jackpot-Entwicklung. Hohe Jackpots stimulieren die Nachfrage nach unseren Kernprodukten Lotto 6aus49 und Eurojackpot. Es gibt Jahre, in denen es viele hohe Jackpots gibt, wie im Jahr 2020, die den Umsatz deutlich steigern. Wie hoch die Jackpots ausfallen, darauf haben wir keinen Einfluss: Diese werden nämlich immer aufgestockt, wenn vorher kein Spieler den Jackpot knackt. Es gibt aber auch Jahre mit einer durchschnittlichen oder leicht unterdurchschnittlichen Jackpot-Entwicklung. Das dürfte die Finanzplanung deutlich erschweren.Ich habe gelernt, dass man als Finanzchef im Glücksspielgeschäft stärker stochastisch denken muss. Besonders im Hinblick auf die Budgetierungsfragen muss jede Wahrscheinlichkeit berücksichtigt werden. Wir haben in der Regel ein Basis-Szenario, das von einem durchschnittlichen Jackpot-Jahr ausgeht. Daneben gibt es aber auch Szenarien mit über- und unterdurchschnittlichen Jackpots. Darum herum planen wir dann das kommende Geschäftsjahr. In den ersten neun Monaten in 2023 konnte Zeal seinen Umsatz um 16 Prozent auf 86 Millionen Euro (2022: 74,5 Millionen Euro) steigern. Auch das Ebitda, also der Gewinn vor Zinsen und Steuern stieg um 5 Prozent von 22 Millionen auf 23,2 Millionen Euro. Wie erklären Sie sich die positiven Zahlen?In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres gab es bereits ein paar hohe Jackpots. Wir haben darüber hinaus sehr treue Kunden, die mit einer hohen Regelmäßigkeit wiederkommen. Wir haben ungefähr 1,1 Millionen monatliche aktive Kunden aus dieser Kundenbasis. Nichtsdestotrotz sind die Marketingaufwendungen um 27 Prozent auf 30,7 Millionen Euro gestiegen. Warum waren die Aufwendungen so hoch?Zum einen gab es in den Sommermonaten einen erhöhten Wettbewerbsdruck, insbesondere im Online- und Performance-Marketing. Da mussten wir gegenhalten. Zum anderen ergeben sich die höheren Marketingkosten auch unmittelbar aus unserer Wachstumsstrategie: in Phasen mit hohen Jackpots erhöhen wir unsere Marketingausgaben bewusst, um von der höheren Aufmerksamkeit sowie der steigenden Spielerzahl zu profitieren. Und das zahlt sich aus: allein in den ersten neun Monaten 2023 haben wir über eine halbe Million Neukunden dazugewonnen. Dafür haben wir zum Beispiel im dritten Quartal eine große Markenkampagne für Lotto24 gelauncht. Info Der Lotterieanbieter Zeal besteht aus den vier Geschäftsfeldern Lotterievermittlung, Online-Games, Soziallotterien und Zeal Ventures. Das Hauptgeschäft fokussiert sich auf den Geschäftsbereich Lotterievermittlung. Im Juni 2022 hat Zeal den Bereich „Online Games“ gelauncht. Im dritten Quartal 2023 – das erste Quartal der Einheit – hat die Sparte bereits 1,2 Millionen Euro Umsatz erzielt. Mit KI gegen Sucht Im Glücksspielgeschäft tauchen immer wieder Themen wie Jugendschutz und Suchtprävention auf. Welche Maßnahmen unternimmt Zeal in der Hinsicht?Der Schutz von Spielerinnen und Spielern steht bei Zeal an oberster Stelle. In Deutschland ist das Glücksspiel zu Recht streng reguliert. Zeal ist deutschlandweit sowohl als Lotterievermittler als auch als Anbieter von virtuellen Automatenspielen lizensiert. Darüber hinaus sind wir im Prime Standard der Deutschen Börse notiert und erfüllen somit höchste Standards mit Blick auf Transparenz und Offenlegungspflichten. Bei uns müssen sich Kunden im Rahmen der Registrierung einer Identitätsüberprüfung unterziehen. Durch moderne Verfahren wird verifiziert, dass der Spieler vor dem Computer auch tatsächlich mit den angegebenen Daten übereinstimmt und mindestens 18 Jahre alt ist. Und zur Suchtprävention?In Deutschland gibt es eine zentrale Datenbank, in der man sich registrieren kann, wenn man spielsüchtig ist. Wir sind dazu verpflichtet, diese Datenbank regelmäßig abzufragen – ist man einmal auf einer dieser Spielschutzlisten, ist es schwierig, von diesen wieder zu verschwinden. Darüber hinaus haben wir verschiedene Limits. Spieler können zum Beispiel monatlich nur bis zu 1.000 Euro einzahlen. Wir nutzen moderne, KI-basierte Software, die das Spielverhalten aller Kunden prüft und Auffälligkeiten meldet. Wir nehmen dann Kontakt zu den Spielern auf und überprüfen, ob wir Anzeichen von problematischem Spielverhalten erkennen. Ich sehe das Problem daher vielmehr bei Anbietern, die nicht in Deutschland lizensiert sind. Das müssen Sie erklären.Ausländische Anbieter unterliegen nicht den gleichen Regulierungen wie deutsche. Sie müssen sich zum Beispiel nicht an Limits halten und machen zum Beispiel auch keine Altersverifikationen. Auch Präventionsmaßnahmen vermisst man nicht selten. FINANCE Köpfe Sebastian Bielski Zeal Network SE Mehr lesen Missbrauch von Glücksspiel lässt sich aber nie komplett unterbinden. Wie gehen Ihre Investoren mit dieser Tatsache um?Wir müssen uns vermutlich mehr bei potentiellen Investoren erklären als andere Unternehmen. Dass wir in Deutschland lizenziert sind, wie unser Geschäftsmodell aussieht und wie es langfristig trägt, zählt zu den wichtigsten Argumenten. Sehr wichtig ist für uns tatsächlich unser ESG-Profil: Unsere eigenen Lotterien, wie Freiheit+, dienen dem Gemeinwohl. Mindestens 30 Prozent des Spieleinsatzes gehen an die Initiative Bildungschancen gGmbH, die damit soziale Projekte im Bereich Bildungsförderung finanziert. Unser technologiegestützter Spielerschutz ist State-of-the-Art und auch intern haben wir uns hohe Standards in den Bereichen „E“ und „S“ gesetzt. Können Sie Beispiele nennen?In dem Bereich „E“ wollen wir zum Beispiel vollständig CO2-neutral werden und haben den Weg zu diesem Ziel mit einer sorgfältigen Erfassung unserer Scope 1-, Scope 2- und Scope 3-Emissionen geebnet. Im Bereich „S“ bieten wir unseren Mitarbeitern beispielsweise ein inklusives, vielfältiges Arbeitsumfeld, in dem sie sich stärkenorientiert entwickeln können. Wie sieht die Investorenstruktur bei Zeal aktuell aus?Unser größter Investor ist mit 35 Prozent die Günther-Gruppe, dann haben wir neben einzelnen Aktionären außerdem den Hedgefonds Working Capital im Aktionariat, der ungefähr 27 Prozent der Anteile hält. Hinzu kommen noch kleinere Small- und Mid-Cap-Funds. Insgesamt haben wir 22 große Ankerinvestoren, die schon lange in Zeal investiert sind. Unsere Hausbank ist die Commerzbank. Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft richten. Welche Themen stehen künftig an und wo sehen Sie in den kommenden Jahren die größte Herausforderung für Zeal?Ein großes Thema ist auf jeden Fall das Neukundenwachstum. Darüber hinaus wollen wir besonders in den Bereichen Online-Games und Soziallotterien mit neuen Produkten weitere Kundengruppen akquirieren. Außerdem stehen die weitere Steigerung der Profitabilität sowie eine nachhaltige Kapitalallokation auf meiner Agenda. Der Trend ist klar: Immer mehr Deutsche spielen Online-Lotto. Aktuell sind wir bei einer Online-Penetration von circa 23 Prozent – in anderen Ländern wie Italien oder Norwegen liegen wir jedoch bei 41 Prozent beziehungsweise sogar 59 Prozent Online-Anteil im Lotteriegeschäft. Es ist also noch Luft nach oben und wir sind perfekt positioniert, um von dem weiterem Marktwachstum zu profitieren.

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