„Die Finanzabteilung muss eine Kompassfunktion erfüllen“

In den Krisenjahren 2020 und 2021 hat der Personaldienstleister Hays Deutschland – wie viele andere auch – geringere Wachstumsraten als zuvor verzeichnet. Doch für CFO Markus Auer waren nicht die Zahlen der Grund, die Finanzabteilung umzubauen, sondern „die zunehmende Dynamik, Schnelllebigkeit und Deutungshoheit, die von der Finanzabteilung gefordert werden“, so Auer. „Man erwartet in einer mehrdeutigen Welt mehr von Finance als nur eine objektive Feststellung. Das geht weit über die klassische Berichterstellung und Zahlenproduktion hinaus. Die Finanzabteilung muss eine Kompassfunktion erfüllen.“ Nun besteht seine Abteilung aus drei getrennten Funktionen. Neu ist der Bereich Value Creation, der aus dem klassischen Controlling hervorgegangen ist, aber mehr Mitspracherecht hat. Herr Auer, Sie haben seit 2020 Ihre Finanzabteilung umgebaut. Warum? Wir wollten das Dilemma lösen, dass von einer Finanzabteilung mehrere Dinge gleichzeitig erwartet werden, was oft dazu führt, dass man nichts davon so richtig machen kann. Deswegen haben wir den Bereich Value Creation, den kommerziellen Part der Unternehmenssteuerung, getrennt von den klassischen Financial Services und der Finanz-Architektur, durch die wir Prozesse und Datenflüsse optimieren. So geben wir dem Bereich Value Creation, also den Leuten, die intern wirken sollen, mehr Raum. Dort sind auch komplett unterschiedliche Skills gefragt. FINANCE Köpfe Markus Auer Hays AG Mehr lesen Wie war es denn vorher? Unsere Leute mussten gleichzeitig in Projekten arbeiten, Monatsabschluss machen und ins Business gehen, um Maßnahmen zu verabschieden, die dieses besser machen, waren aber in Routinen der Berichterstellung gefangen. Hier hat der klare Fokus gefehlt. Deswegen haben wir uns entschlossen, wirklich konsistent zu sein und uns besser zu priorisieren. Warum haben Sie den Fokus nicht auf die klassische Berichterstattung gelegt? Es braucht kein zentral gesteuertes Corporate Controlling aus dem Elfenbeinturm heraus. Es war klar: Wenn jemand eine Businessexpertise von Finance einfordert, muss man die Finance-Leute ins Business bringen. Das bekommen Sie mit einem klassischen Ansatz von eierlegender Wollmilchsau nicht hin, wenn die Leute von allem etwas machen, aber für nichts richtig viel Zeit haben. Mich hat es aufgeregt, dass man immer diesen Kompromiss gehen musste. „Es braucht kein zentral gesteuertes Corporate Controlling aus dem Elfenbeinturm heraus“ Markus Auer, CFO bei Hays Was sollten die Controller jenseits der klassischen Berichterstellung leisten? Wir wollten Leute, die das Geschäftsmodell verstehen, die verstehen, was die Treiber sind, wo die Optimierungspotenziale liegen, und die auf der menschlichen Ebene letztendlich auch Vertrauenspersonen für die Business Heads sind. Sie sollen die Kapazitäten und die Zeit haben, Nähe zum Business aufzubauen, wodurch eine Offenheit entsteht, die am Ende gut für alle ist. Ich habe gesagt, am Ende rechnet es sich, wenn man dort investiert. Man hat dadurch mehr Kapazitäten, weil die Leute zu guten Feststellungen kommen und die Fähigkeiten besitzen, das zusammen mit dem Business umzusetzen. Auf den neu geschaffenen Bereich Value Creation gehen wir gleich weiter ein. Was genau sind die beiden anderen? Da gibt es noch das Core Finance, was eher nach oben und extern wirkt. Und Finance Information Architecture als Gestaltungsfunktion, die sich permanent mit der Verbesserung der Organisation auseinandersetzt, und die hinterfragt, ob Prozesse reibungslos funktionieren, wo wir etwas verbessern können oder ob wir neue KPIs brauchen. Die Kolleginnen und Kollegen dort arbeiten permanent an der Unternehmensentwicklung oder an der Entwicklung des Finanzbereichs. Value Creation erfordert andere Skills Kommen wir zu Value Creation, die Mitarbeiter dort heißen Business Partner. Was genau macht so ein Business Partner? Die Mitarbeitenden im Bereich Value Creation erstellen Business Reviews oder untersuchen eine Planung auf Chancen und Risiken. Auf dieser Basis machen sie Vorschläge fürs Business. Business Partners müssen erkennen, was strategisch über die Zeit wirkt, brauchen also auch Weitblick und Gesamtverständnis. Zudem müssen sie sehr viel Zeit mit den Leuten aus dem Business verbringen, es verstehen und Problempunkte erkennen. Das müssen sie in der Analyse herausarbeiten, auf den Punkt bringen und den Mitarbeitenden erklären. Dafür muss man eine gewisse Empathie mitbringen, Kommunikationsstärke besitzen, einem Business Lead auf Augenhöhe begegnen und mit diesem reden können. Das sind Softskills, die nicht zum klassischen Finanz-Profil gehören. Was waren denn besondere Herausforderungen beim Umbauprozess? Man muss aufpassen, dass keine Zweiklassengesellschaft entsteht zwischen denjenigen, die Business Partnering machen, und denen, die die klassische Arbeit machen, Berichte erstellen, Routinen pflegen und den Monatsabschluss buchen. Deswegen haben wir die Mitarbeitenden so vernetzt, dass jeder Business Partner eine Ansprechperson im klassischen Controlling hat. Auf Arbeitsebene haben wir also Teams, die sehr gut miteinander harmonieren. Wie groß ist das Mitspracherecht der Business Partner? Darf jeder eigenständig Empfehlungen aussprechen oder läuft es über eine zentrale Stelle? Es ist gewünscht, dass sich die Business Partner stark einbringen, aber am Ende liegt die Verantwortung beim Business Head. „Der Report geht an mich, aber die Business Partner sitzen gefühlt eher an der Seite der Geschäftsbereiche“ Markus Auer, CFO bei Hays Das heißt, wenn ich jetzt im Bereich Value Creation arbeiten würde und ein Business hätte, dem ich zugeordnet bin, dann dürfte ich dort selbst Empfehlungen aussprechen? Auf jeden Fall. Bei den Business Reviews bei uns in der Zentrale sitzen wir zusammen mit den Kollegen von Value Creation. Als Finanzvorstand geht der direkte Report an mich, aber die Business Partner sitzen gefühlt eher an der Seite der Geschäftsbereiche und erklären das Geschäft mit seinen Stärken und Schwächen. Wo genau liegt der Unterschied zum klassischen Controlling? Das klassische Controlling ist vielfach zentraler ausgerichtet und hat weniger Tiefgang. Kontrolle kommt dort eher von der Kostenseite. Wenn wir von Value Creation reden, haben wir unsere Top-Line, also unsere Umsatzzahlen, zerlegt in Werttreiber. Wir gehen tiefer in die Werttreibermodelle und fragen nach. Das ist ein Schritt weiter als ein normales Finanzcontrolling. Die Business Partner sind von Anfang an dabei, auch bei der Erstellung des Businessplans, und vertreten diesen mit. „So erledigen wir zwei Dinge richtig, statt fünf halbherzig“ Markus Auer, CFO bei Hays Einige Themen haben Sie auch früh beerdigt. Ja, bei Automatisierungsbestrebungen in unserem Kerngeschäft etwa haben wir festgestellt, dass wir im Vorhinein die Systeme mit so viel mehr Informationen über die Kandidaten anreichern müssten, dass der Aufwand sich nicht rechnen würde. Nicht jede Automatisierung ist per se sinnvoll. Das ist im Laufe dieses Prozesses deutlich geworden. Welche Vorteile ziehen Sie daraus? So werden Projekte entweder früher spruchreif und man erzeugt im Business ein Commitment, das erfüllt werden muss. Oder man hört früher auf, etwas zu tun. Es hat auch dafür gesorgt, dass wir nicht fünf Dinge gleichzeitig machen, sondern uns die Zeit genommen haben, herauszufinden, welches Thema unmittelbar am besten wirkt. So erledigen wir zwei Dinge richtig, statt fünf halbherzig. Das alles führt am Ende zu mehr Fokus und Klarheit. Ich merke auch, dass unser Grundverständnis für das optimale Zielbild wächst. Und das auf allen Ebenen. Was hat die Umstellung gekostet? Die Finanzabteilung hat insgesamt etwa 50 Mitarbeitende, bei über 4000 Mitarbeitenden sicher nicht übermäßig viel. Wir haben ein neues Planungstool eingeführt, das Excel ersetzt. Solche Neuerungen stellen alles in allem eine knapp siebenstellige Investition dar. Ich bin mir ganz sicher, dass wir hierdurch einen großen Return on Invest haben. Die ersten Erfolge davon sehen wir bereits. Aufbau auf andere Industrien übertragbar Was müssen Sie noch umsetzen, um den Umbau abzuschließen? Wir haben vorher alles in Excel gemacht und festgestellt, dass wir 30 Prozent unserer Zeit darauf verwenden, dieses Monster aufrechtzuerhalten. Aktuell sind wir dabei, die letzten Schritte in den Planungstools zu machen. Wir brauchen ein Setup-Tool, das uns dabei hilft, den Businessplan zu erstellen und Szenarien zu rechnen. Könnte ein Industriekonzern dieses Modell einfach so übernehmen? Ich denke, dass sich das unabhängig von Industrien diskutieren lässt. Sie brauchen eine strategische Ebene in der Unternehmensentwicklung mit guten Finance-Leuten. Sie müssen die klassischen Pflichtthemen abbilden und brauchen auch Leute, die näher am Business sind, um den Impact zu schaffen. „Es ist auch für mich eine Enabling-Funktion, genau das zu machen, was ich eigentlich machen will“ Markus Auer, CFO bei Hays Hat sich Ihre CFO-Rolle durch diesen Umbau verändert? Auf jeden Fall. Das ist das Mittel für mich, um nah am Business zu sein und zu verstehen, wo die Werttreiber und Hebel sind, um etwas zu verbessern. Es ermöglicht mir als CFO, meine Rolle so auszulegen, dass ich nicht nur rein finanzwirtschaftlich, sondern progressiv ganz vorne in den Businessplan-Diskussionen dabei sein kann. Das geht nur, wenn man den Content auch in der Finanzfunktion selbst generiert. Das heißt, es ist auch für mich eine Enabling-Funktion, genau das zu machen, was ich eigentlich machen will: Meinen Job sehr businessgetrieben auszuleben, als Challenger, als Gestalter. Info Markus Auer ist seit Juli 2016 CFO der Hays AG. Davor war er Group CFO des Planungs- und Beratungsunternehmens Lahmeyer. Von 2008 bis 2011 kümmerte er sich als kaufmännischer Spartenleiter beim Industriedienstleister Pöyry (jetzt Afry) in Helsinki um das Wasser- und Umweltgeschäft, davor war er mit Unterbrechungen insgesamt neun Jahre für Bilfinger tätig, zuletzt als Head of Group Controlling. 2003 wechselte Auer innerhalb des Konzerns für rund zweieinhalb Jahre zur GKW Group.

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