So will CFO Wilkens Teamviewer zum zweiten Frühling verhelfen

Beinahe auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass die Aktie des Fernwartungsspezialisten Teamviewer ihr Allzeithoch erreichte. Zum Handelsschluss am 9. Juli 2020 notierte das Papier der Göppinger bei 55 Euro – und das inmitten der Corona-Pandemie. Die rapide steigenden Infektionszahlen hielten damals Gesellschaft, Politik und Wirtschaft in Atem. Leitindizes zeigten sich aufgrund der anhaltenden Unsicherheit höchst volatil. Teamviewer, seit dem Jahr 2019 börsennotiert, schrieb all dem zum Trotz eine Erfolgsstory „Made in Germany“. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen hievten Teamviewer und sein Kernprodukt nochmal in ganz neue, ungeahnte Sphären: Aufgrund der von Covid-19 ausgehenden Ansteckungsgefahr und diverser Lockdowns mussten viele Unternehmen ihre Belegschaft über Nacht ins Homeoffice schicken. Der damit einhergehende Bedarf an Fernwartung und -steuerung von PCs und Laptops bescherte den Göppingern eine Sonderkonjunktur: Die fakturierten Umsätze, die sogenannten Billings, explodierten allein im ersten Quartal 2020 um 75 Prozent auf 120 Millionen Euro. Am Jahresende stand ein Umsatz von 460 Millionen Euro zu Buche, ein Plus von 44 Prozent gegenüber 2019. Hohe Umsatzziele werden CFO Gaiser zum Verhängnis Doch auf den Höhenflug folgt der tiefe Fall. Denn das Teamviewer-Management um CEO Oliver Steil und den damaligen CFO Stefan Gaiser gibt, wohl auch angetrieben durch Private-Equity-Investor und Großaktionär Permira, aggressive Umsatzziele vor: Der Konzern soll jährlich 30 Prozent wachsen. Am Ende liegen Gaiser & Co. deutlich daneben. Statt der avisierten 30 Prozent bewegt sich das Umsatzwachstum eher in der Größenordnung von 10 Prozent. Die Konsequenz: Im Jahresverlauf 2021 muss Teamviewer eine drastische Gewinnwarnung herausgeben. Als nicht hilfreich erweist sich in diesem Zusammenhang auch ein im März 2021 abgeschlossener fünfjähriger Trikot-Sponsoring-Deal mit Manchester United: Satte 50 Millionen Euro pro Jahr kostet die Göppinger der Platz des eigenen Logos auf der Brust der strauchelnden englischen Traditionsmannschaft. Die Unzufriedenheit ruft auch den aktivistischen Investor Petrus auf den Plan, der laut eigenen Angaben rund 3 Prozent der Teamviewer-Aktien hält. Auch den Aktionären schmeckt all das überhaupt nicht. So euphorisch sie zu Beginn der Pandemie waren, so unbarmherzig schnell suchen sie nun wieder das Weite. Und so notiert die Teamviewer- Aktie im Herbst 2022 bei unter 8 Euro – ein Minus von rund 85 Prozent gegenüber dem Allzeithoch von Juli 2020. CFO Gaiser ist da schon nicht mehr an Bord: Im Oktober 2021 hatte Teamviewer verkündet, dass er keinen neuen Vertrag bekommen werde. Neuer Teamviewer-CFO Wilkens kam von Telekom Aufgrund der vielen Enttäuschungen der jüngeren Vergangenheit ist es sicher kein Zufall, dass bei dem Göppinger Fernwartungsspezialisten seit September 2022 mit Michael Wilkens ein Controller das Sagen über die Finanzen hat. Nach neun Jahren als Senior Vice President Group Controlling der Deutschen Telekom darf sich der 57-Jährige nun als Konzern-CFO bei Teamviewer unter Beweis stellen und zeigen, dass er die Prognosen besser trifft als sein Vorgänger. In seinem ersten Gespräch mit FINANCE lässt Wilkens keinen Zweifel daran, wie wichtig ihm das Thema ist: „Mein Anspruch ist es, Volatilität und Unsicherheit so weit wie möglich aus unserem Zahlenwerk herauszunehmen“, erklärt Wilkens gegenüber der Redaktion. „Vertrauen kommt zu Fuß und geht zu Pferd“, beschreibt er die Herausforderung, das verspielte Vertrauen der Aktionäre wieder zurückzugewinnen. FINANCE Köpfe Michael Wilkens TeamViewer SE Mehr lesen Die ersten Monate im neuen Amt Ende 2022 seien sehr intensiv gewesen. Das habe zum einen an den vielen neuen inhaltlichen Zusammenhängen gelegen, zum anderen aber auch am Wechsel in die Vorstandsebene. „Der Posten Group Controller ist sicher sehr bedeutsam, gerade bei einem Multimilliarden-Konzern wie der Deutschen Telekom. Allerdings geht die Rolle des Group-CFO in einem MDax-Unternehmen nochmal mit einer höheren Verantwortung einher“, so Wilkens. Wilkens versteht sich als Business-orientierter CFO Der dreifache Familienvater beschreibt sich als Business-orientierten CFO: „Ein Finanzer kann seine Aufgaben umso besser erledigen, je mehr er das operative Geschäft, die Produkte und die Kunden versteht.“ Um diesem Anspruch gerecht zu werden, habe er in den ersten Wochen immer wieder den Austausch mit Kollegen aus anderen Abteilungen gesucht – und tut dies auch weiterhin im Tagesgeschäft. Dies habe ihn mitunter schon mal auf eher ungewohntes Terrain geführt: „Ich saß zum Beispiel im Kunden-Support-Center oder bei den Mitarbeitenden im Inside-Sales-Vertrieb“, berichtet der CFO. Hinzu kamen Aufsichtsratssitzungen, unzählige Investorengespräche und schon nach acht Wochen im Amt die erste Quartalspressekonferenz. „Das lief ganz gut und konnte sich sehen lassen“, erinnert sich Wilkens mit einem Lächeln. Teamviewer stellt Verschuldung komplett auf Euro um Mit zu den ersten Maßnahmen des Finanzchefs zählte die Vollendung der noch unter Vorgänger Gaiser angestoßenen Refinanzierung. Man habe das Verschuldungsprofil komplett auf Euro umgestellt, in der Höhe reduziert und gleichzeitig die Fälligkeiten in die Länge gezogen. Parallel dazu wurde die Kreditlinie von 150 auf 450 Millionen Euro erhöht, um Teamviewer Handlungsspielraum für das zukünftige Wachstum zu sichern – und dies mit einem deutlich kleineren Kernbankenteam als zuvor. Durch die Reduzierung der variablen Verschuldungskomponenten im Rahmen der Refinanzierung und der zeitgleichen Absicherung der variablen Tranchen des Schuldscheindarlehens konnte das Finanzierungsportfolio rechtzeitig und solide gegen das massiv steigende Zinsumfeld abgesichert werden, erläutert Wilkens. Ausdrücklich lobt er dabei Treasury-Chefin Sabine Kießling und ihr Team: „Sie haben einen fantastischen Job im Vorfeld gemacht. Gemeinsam haben wir das Paket dann nur noch finalisiert.“ Zusätzlich sichere Teamviewer seit seinem Amtsantritt Teile des operativen Gewinns vor Abschreibungen (Ebitda) aus dem US-Dollar ab: „Wir wollen und werden nicht mehr mit dem US-Dollar gewinnen oder verlieren, künftig hängt dies allein von unserer operativen Performance ab“, so Wilkens. Maßnahmen wie diese seien essentiell, um die eigenen Prognosen zu treffen und so Stück für Stück Vertrauen zurückzugewinnen. Teamviewer-Reporting nun auf Basis vom Umsatz Darüber hinaus hat Wilkens mit seinem Team einen neuen KPI-Rahmen erstellt, um Investoren das eigene Geschäftsmodell besser verständlich zu machen. Daher hat Teamviewer seit 2023 – wie bei den meisten Dax- und MDax-Konzernen üblich – sein Reporting vornehmlich auf umsatzbasierte Kennzahlen umgestellt und auch seine Prognose darauf ausgerichtet. „Grundsätzlich mögen wir zwar die Billings, also die fakturierten Umsätze, als Kennzahl, weil sie, anders als der IFRS-Umsatz, ein vorwärtsgewandter Indikator sind. Allerdings ist die Umsatzkennziffer am Kapitalmarkt viel verbreiteter, weshalb ihre verstärkte Nutzung für unser Reporting absolut Sinn ergibt“, erklärt Wilkens. Rückkaufoption für Fußballverein Manchester United Gleichwohl sei dies kein einfaches Unterfangen gewesen: „Wenn die Billings-Ebitda-Marge zwischen 45 und 47 Prozent und die Umsatz-Ebitda-Marge – allein aufgrund ihrer Berechnung – zwischen 40 und 41 Prozent liegt, hätte das gerade zu Beginn zu Missverständnissen führen können, hat es aber dank intensiven Austauschs mit Investoren und Analysten nicht“, sagt Wilkens. Auch mit dem umstrittenen Werbe-Deal mit Manchester United hat sich Wilkens bereits beschäftigt. Gemeinsam mit CEO Oliver Steil und dem ebenfalls neuen CCO Peter Turner vereinbarte er eine vertragliche Option, die es dem Verein ermöglicht, die Rechte als Haupttrikotsponsor bei dem englischen Rekordmeister zurückzukaufen, so dass ein zielgerichteter Verkaufsprozess für einen neuen Haupttrikotsponsor eingeleitet werden konnte. Wann dieser Prozess beendet sein wird, ist nach wie vor unklar. Teamviewer-Aktie noch weit entfernt vom Allzeithoch Ist also alles gut bei Teamviewer? Wohl kaum, denn es braucht noch einige Arbeit. Zuletzt ist die Aktie zwar wieder auf rund 14 Euro angestiegen, vom Allzeithoch aber noch weit entfernt. Einer, der noch substantiell Luft nach oben sieht, ist Florian Treisch, Senior Equity Research Analyst bei Kepler Cheuvreux. So hätten die Teamviewer-Papiere zuletzt zwei Täler durchschritten, was für junge Softwarekonzerne nicht unüblich sei, wie Treisch erläutert. „Sicher wurden in den vergangenen Jahren einige unglückliche Fehlentscheidungen getroffen. Im Kern ist das Geschäftsmodell von Teamviewer jedoch intakt, und das Unternehmen ist zudem sehr gut aufgestellt“, findet der Analyst. Teamviewer-Aktie hat noch viel Boden gut zu machen Quelle: Ariva Explizit lobt er dabei die für ein Softwareunternehmen ungewöhnlich hohe Billings-Ebitda-Marge von knapp 50 Prozent. Hinzu komme der bereits unter Gaiser angestoßene und nun unter Wilkens fortgesetzte Entschuldungskurs: „Zwischen Ende 2021 und Anfang 2022, als kaum ein Unternehmen aktives Kostenmanagement betrieb, hat Teamviewer hier viel gemacht, unter anderem bei den Personalkosten.“ Die Folge: Der 2017 zu Hochzeiten von PE-Investor Permira noch beim 7- bis 8-Fachen liegende Nettoverschuldungsgrad (Net Debt/Ebitda) belief sich Ende 2022 nur mehr auf 1,6x. CFO fühlt sich mit Umsatz- und Ebitda-Guidance wohl Letztlich müsse Teamviewer nun verlässlich liefern, so Treisch, dann könne es für die Aktie wieder deutlich aufwärts gehen. Wilkens ist sich dessen bewusst: „Klar, wir müssen verlässlich liefern, Quartal für Quartal.“ Mit der Guidance für 2023 fühlt er sich dabei wohl: Beim Umsatz will man in einer Range zwischen 10 und 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen, die bereinigte Ebitda-Marge auf Umsatzbasis soll mit rund 40 Prozent in etwa konstant bleiben. Zusätzlich nimmt CFO Wilkens etwas Unsicherheit aus der Prognose: Eine Mid-Term Guidance gibt es derzeit nicht. „In dem aktuell sehr volatilen makroökonomischen Umfeld wäre es fast unseriös, eine mittelfristige Prognose auszugeben und damit vorzugeben, eine klare Visibilität über die Entwicklung in fernerer Zukunft zu haben“, begründet Wilkens die Entscheidung. Ob die ergriffenen Maßnahmen der Teamviewer-Aktie zu einem neuen Höhenflug verhelfen, werden die kommenden Monate zeigen.

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