ZF-CFO: „Wir werden immer mehr ein Tech-Konzern“

Herr Frick, Sie sind zum Jahresbeginn bei ZF als CFO angetreten. Wie lief der Neustart? Und was haben Sie vor? Ich wurde sehr gut aufgenommen und fühle mich auch deshalb bei ZF sehr wohl. Wir wollen das Unternehmen dynamisch weiterentwickeln. Nach fünf Jahren der Krise im Automobilbereich ist der Handlungsdruck hoch. Das wollen wir mit der Tiefe unserer Organisation angehen – eine spannende Aufgabe mit einem großartigen Team. FINANCE Köpfe Michael Frick ZF Friedrichshafen AG Mehr lesen In der Tat steht die Autoindustrie vor einer großen Transformation. Der Druck ist auch auf die Zulieferer wie ZF groß. Wie gehen Sie damit um? Das stimmt. Bei Automobilzulieferern stehen die Elektronik und die Software stark im Fokus. Wir passen das Produktportfolio an die neuen Marktentwicklungen an und werden immer mehr zu einem Tech-Konzern. Deswegen müssen wir weiter in Forschung und Entwicklung investieren, aber auch in die Ausstattung unserer Werke. Die Herausforderung dabei ist, dass wir die Sicherheit der Investitionen schwer einschätzen können, weil geopolitische Risiken allgegenwärtig sind. Das trifft die gesamte Industrie. „Nach fünf Krisenjahren ist der Handlungsdruck hoch.“ Michael Frick, CFO bei ZF Das Russland-Geschäft müssen Sie wegen des Kriegs in der Ukraine herunterfahren. Zugleich haben Sie einen Deal mit dem taiwanesischen Elektronikhersteller Foxconn verkündet – just in einer Zeit extremer Spannungen zwischen den USA und China. Was steckt dahinter? Wir haben ein Joint Venture im Bereich der Montage von Fahrwerksystemen gegründet. Dabei erwirbt Foxconn 50 Prozent der Anteile an der ZF Chassis Modules GmbH. Das Pkw-Achsengeschäft hat hohe Wachstumschancen, dafür brauchten wir einen Partner, weil wir es nicht als technologisches Kerngeschäft von ZF sehen. Die strategische Kooperation mit Foxconn erlaubt uns, durch die Bündelung von Kompetenzen gemeinsam einen guten Schritt nach vorne zu machen. China ist „extrem wichtiger Markt“ Und wie sehen Sie auf den Regionalkonflikt zwischen China und Taiwan? Foxconn ist ein taiwanesisches Unternehmen, dass nicht nur in China, sondern auch in vielen anderen Ländern Asiens und der Welt Fertigungsstätten hat. Wir wollen gemeinsam unseren Footprint in der Automobilbranche weiter ausbauen. Abgesehen davon ist ZF eigenständig und mit Joint Ventures in China sehr gut etabliert. Wir machen dort rund 8 Milliarden Euro Umsatz. China bleibt für uns ein extrem wichtiger Markt, auf dem wir präsent bleiben wollen. Im Geschäftsfeld passive Sicherheit denken Sie wiederum über eine Abspaltung nach. Warum? Der Geschäftsbereich Passive Sicherheitstechnik hat die geringsten technologischen und strategischen Schnittstellen und Synergien zu anderen Geschäftsbereichen von ZF und ist weltweit die Nummer zwei im Markt mit sehr guten Wachstumschancen bei entsprechenden Investitionen. Nach einer Portfoliobetrachtung haben wir begonnen, den Bereich eigenständig aufzustellen. Ein Verkauf, eine Partnerschaft oder ein IPO sind denkbar. Eine Investmentbank sondiert derzeit den Markt. Wir stehen dort nicht unter Zeitdruck, sondern werden agieren, wenn sich eine passende Lösung ergibt. „China bleibt für uns ein extrem wichtiger Markt.“ Michael Frick, CFO bei ZF Selbst das Geschäft mit autonomen Shuttles, ehemals ein Prestigeprojekt, wollen Sie loswerden. Wir glauben an dieses Geschäft, es wird aber einen längeren Atem brauchen, als wir anfangs dachten. Die Kommunen stellen langsamer auf moderne Verkehrssysteme um. Da das Geschäft sehr kapitalintensiv ist, sondieren wir eine mögliche Partnerschaft beziehungsweise andere strategisch sinnvolle Alternativen. TRW und Wabco: „Transformatorische Deals, die richtig waren“ In den vergangenen Jahren prägten große M&A-Transaktionen wie der Kauf des US-Unternehmens TRW Automotive oder des Lkw-Zulieferers Wabco Ihre Strategie. Machen Sie jetzt mit den Deals nicht diese Transaktionen teilweise rückgängig? Nein, das waren transformatorische Deals, die auch im Nachhinein völlig richtig waren. Mit TRW gelang die technologische Öffnung in neue Bereiche der Pkw-Technologie hinein. Mit dem Wabco-Deal stellen wir das Lkw-Zuliefer-Geschäft auf eine breitere Basis. Acht Jahre nach dem TRW-Deal und drei Jahre nach Wabco besteht aber der Bedarf, das Portfolio anzuschauen. Das machen wir gerade im neuen Managementteam sehr intensiv. Macht die breite Aufstellung – Zulieferer für Pkw- und Nutzfahrzeughersteller – vor diesem Hintergrund noch Sinn? Bei den großen Autobauern wie VW und Mercedes-Benz sieht man, dass sie die Truck-Sparten unabhängig voneinander fortentwickeln wollen. Wir sehen bei unseren Produkten ein höheres technologisches Synergiepotential zwischen den Bereichen Pkw und Lkw, deshalb ist es sinnvoll, beides weiter voranzutreiben. Anders als einige Wettbewerber ist ZF ein Stiftungsunternehmen, also nicht getrieben von den Aktienkursen. Wie wirkt sich das auf Ihre CFO-Arbeit aus? Wir müssen trotzdem Shareholder Value schaffen. Als Stiftungsunternehmen können wir aber langfristiger denken und nachhaltiger agieren als manches börsennotierte. Wir verfolgen eine Dividendenlogik und werden aus dem Aufsichtsrat heraus und vom Anteilseigner sehr kompetent begleitet und unterstützt. Aber auch in der Zeppelin-Stiftung, die die Anteile an ZF hält, gibt es Rechtsstreitigkeiten mit dem Urenkel des Stiftungsgründers. Betrifft das ZF im Alltag? Nein, im Alltag spielt es für uns keine Rolle. Aus unserer Sicht existiert eine eindeutige Rechtsposition der Stiftung. Rating: „Sehen uns auf dem Weg zurück ins Investmentgrade“ Dem Eigenkapitalmarkt sind Sie zwar nicht ausgeliefert, wohl aber dem Fremdkapitalmarkt. Wie gehen Sie mit Zinswende und Co. um? Immerhin ist die Verschuldung durch die Akquisitionen noch recht hoch. Die Kupons für Anleihen haben sich im Vergleich zu früheren Transaktionen teils mehr als verdoppelt. Wir freuen uns, dass wir ein im Kapitalmarkt gern gesuchter und begleiteter Titel sind. Wir haben ein stabiles, hochqualitatives Rating. Derzeit stehen wir mit Ba1/BB+ im Crossover-Bereich, sehen uns aber auf dem Weg zurück ins Investmentgrade. Klar wollen wir unsere finanzielle Situation verbessern. Der wichtigste Hebel dafür ist die Steigerung der Profitabilität, dies wiederum ist die Basis für einen besseren Cashflow und damit auch für Entschuldungsfähigkeit. Das haben wir uns für dieses und nächstes Jahr vorgenommen. Die Profitabilität ist aber noch eine Achillesferse von ZF, hier liegen Sie nur bei einem Ebit adjusted von 4 Prozent – weniger als wichtige Wettbewerber. Der Free Cashflow war im ersten Halbjahr mit 480 Millionen Euro negativ. Warum gehen Sie davon aus, dass sie sich im zweiten Halbjahr besser schlagen als im ersten? Ein Punkt ist, dass sich Probleme in den Lieferketten nach und nach lösen. Im zweiten Halbjahr sollten diese deutlich kleiner sein als im ersten. Dadurch können wir im Bereich Elektronik Bestände abbauen, die wir wegen der Supply-Chain-Krise bewusst aufgebaut hatten. Das Working Capital wird also deutlich entlastet. Darüber hinaus arbeiten wir an weiteren Kostensenkungen. „Die Probleme in den Lieferketten lösen sich nach und nach.“ Michael Frick, CFO bei ZF Fürchten Sie eine Lohn-Preis-Spirale, die die Kosten noch mal empfindlich in die Höhe treibt? Das sollten wir uns in Deutschland nicht leisten, denn es wäre ein weiterer Standortnachteil. Es liegt klar in der Verantwortung der Sozialpartner, eine solche Entwicklung zu verhindern und gute Lösungen für beide Seiten zu finden. Bei ZF sind wir in diesem Sinne mit den Gewerkschaften und dem Betriebsrat auf einem gemeinsamen Weg. Info Der Traditionskonzern ZF 1915 wurde die Zahnradfabrik Friedrichshafen gegründet. 2022 hat der Konzern mit weltweit rund 165.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 43,8 Milliarden Euro erzielt. ZF gehört zu den größten Automobilzulieferern weltweit. 93,9 Prozent seiner Anteile gehören der Zeppelin-Stiftung.

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