Im September wurde der deutsche Leitindex Dax von 30 auf 40 Unternehmen aufgestockt. Der historische Schritt hat dazu geführt, dass sich zahlreiche Manager künftig Dax-Vorstand nennen dürfen – mit all dem Prestige, das damit einhergeht. Sie alle haben einzigartige Lebensläufe. Aber der ungewöhnlichste der neuen Dax-Chefs ist wohl Hans-Dieter Pötsch.
Er ist vor rund sechs Jahren zu eher zweifelhaftem Weltruhm gelangt. Der Manager war von 2003 bis 2015 Finanzvorstand des Volkswagen-Konzerns. Im letzten Jahr seiner Amtszeit schlitterte Deutschlands größter Autobauer in den Dieselskandal. Der damalige CEO Martin Winterkorn wurde angeklagt, Pötsch aber kam trotz seiner Rolle als Vorstandsmitglied glimpflich davon: Er wurde zum Aufsichtsratschef berufen und sollte den Abgasbetrug aufklären. Nicht wenige sahen und sehen diese Personalie kritisch.
Wie die Porsche SE entstanden ist
Kaum beachtet, weil vermeintlich unwichtig, war eine Zusatzaufgabe, die Pötsch seit 2009 innehat: Er ist seitdem CFO der Porsche Automobil Holding (kurz „Porsche SE“), seit 2015 agiert er sogar als CEO und CFO in Personalunion. Die bis vor kurzem recht unbekannte Holdinggesellschaft – die nicht mit dem gleichnamigen Automobilkonzern zu verwechseln ist – ist durch die Dax-Neuaufstellung nun in die oberste Börsenelite aufgestiegen. Die Beteiligungsholding kommt dabei auf für Dax-Maßstäbe mickrige 107 Millionen Euro Jahresumsatz. Beim Börsenwert bringt die Porsche SE immerhin knapp 13 Milliarden Euro auf die Waage.
Bei der Porsche SE handelt es sich um eine Gesellschaft, die nach der berüchtigten Übernahmeschlacht zwischen Volkswagen und Porsche in der zweiten Hälfte der Nullerjahre entstand. Für die jüngeren Leser: 2005 schmiedeten Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und CFO Holger Härter den waghalsigen Plan, die wesentlich größere Volkswagen AG zu übernehmen.
In den folgenden Jahren entwickelte sich ein in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einzigartiger Übernahmekrimi. 2009 beendeten die Familien Porsche und Piëch als Porsche-Eigentümer die Übernahmeschlacht. Der Sportwagenhersteller Porsche AG ist seitdem eine VW-Tochter. Die Porsche SE hält hingegen seither 53,3 Prozent der Stammaktien am VW-Konzern und investiert nebenher in kleinere Unternehmen wie den Raketenhersteller Isar Aerospace oder den Verkehrssoftwarehersteller PTV Group.
Durch die Struktur ist das Konzernergebnis massiv von der Performance der Volkswagen-Aktien abhängig. 2020 lag der Gewinn nach Steuern bei stolzen 2,6 Milliarden Euro – das 26fache des Umsatzes.
Ist Hans-Dieter Pötsch nicht zu alt für einen Dax-CEO?
Doch fast genauso ungewöhnlich wie das Unternehmen selbst ist CEO/CFO Pötsch: Er ist im Spätherbst seiner Karriere mit 70 Jahren noch einmal zum Chef eines Dax-Konzerns aufgestiegen. Eine späte Berufung, die eigentlich kaum mit den Regeln guter Unternehmensführung vereinbar ist, denn der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) gibt eine Altersbeschränkung für Vorstände vor.
Eine solche hat auch die Porsche SE: Laut Geschäftsbericht 2020 liegt diese bei 65 Jahren. Nach Vollendung dieses Lebensjahrs solle die Vorstandsbestellung auch enden – eigentlich. Für Pötsch wird hier aber eine Ausnahme gemacht: Der Aufsichtsrat sei der Auffassung, dass es „im Interesse der Gesellschaft“ sei, dass CEO Pötsch und sein 63-jähriger Vorstandskollege Manfred Döss aufgrund ihrer „umfassenden Qualifikationen, Kenntnisse und Erfahrungen“ ihr Wissen auch weiterhin zum „Wohl der Gesellschaft“ einbringen sollen, ist in dem Dokument nachzulesen. Ein Überschreiten der Regelaltersgrenze sei insofern „hinzunehmen“. Drittes Vorstandsmitglied ist übrigens Lutz Meschke, Finanzvorstand der Porsche AG. Er ist 55 Jahre alt.
Pötsch wird von VW und Porsche bezahlt
Interessant wird es auch, wenn man den Blick auf die Vergütung von Pötsch weitet. Laut Geschäftsbericht der Porsche SE flossen dem CEO 2020 rund 815.000 Euro zu. Davon waren 500.000 Euro Fixgehalt, die restlichen 315.000 Euro entstanden durch Nebenleistungen. Das Besondere hier: Entgegen der sonstigen Gepflogenheiten im Dax erhält Pötsch keine variablen Vergütungsanteile, im Volksmund Bonus genannt. Der DCGK sieht eigentlich fixe sowie variable Vergütungsbestandteile vor.
Hinzu kommt, dass Pötsch Chef-Kontrolleur eines weiteren Dax-Konzerns ist. Diese Posten sind finanziell durchaus auskömmlich: Im Rahmen seiner Arbeit als Volkswagens Aufsichtsratschef hat Pötsch im vergangenen Jahr eine Vergütung von 900.000 Euro erhalten, womit er die Aufsichtsräte im Dax anführte. Insgesamt bekommt Pötsch für seine VW-bezogenen Dienste also immer noch 1,4 Millionen Euro jährlich. Für einen Dax-Chef ein sehr niedriges Salär, als Aufstockung der Rente durchaus beachtlich.
Wie lange der ungewöhnliche Dax-Chef seine Funktion als Porsche-SE-CEO noch ausführt, ist indes offen: Aktuell läuft sein Kontrakt laut Geschäftsbericht noch bis Ende dieses Jahres. Ob dieser verlängert wird – oder es einen neuen Porsche-SE-Chef geben wird – ist noch nicht bekannt.
Auf FINANCE-Nachfrage hieß es hierzu, „unseres Wissens steht in diesem Jahr keine Entscheidung an“. Der Aufsichtsrat werde sich „zu gegebener Zeit mit der Vertragssituation von Herrn Pötsch befassen“.
jakob.eich[at]finance-magazin.de
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Jakob Eich ist Chef vom Dienst des Printmagazins FINANCE und arbeitet parallel für das Schwestermedium DerTreasurer. Beide Publikationen gehören zum Fachverlag F.A.Z Business Media, bei dem der gebürtige Schleswig-Holsteiner auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Erste journalistische Erfahrungen sammelte der Journalist in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost.