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CFOs überschätzen die eigene Digitalisierung

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Finanzentscheider halten sich bereits für digitalisiert. Foto: Rymden - stock.adobe.com

Deutschlands Finanzchefs werden gelassener. Sie blicken zuversichtlich in die Zukunft und passen ihre operativen Schwerpunkte an den Krisenmodus an. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen FINANCE CFO Panels. Für die Befragung hat die FINANCE-Redaktion in Kooperation mit der Unternehmensberatung Horváth & Partner in der zweiten Märzhälfte rund 40 Finanzchefs in Deutschland anonym zu ihrer aktuellen Markteinschätzung befragt.

Fast alle der befragten CFOs sind sehr oder eher optimistisch, dass die eigene Finanzabteilung in diesem Jahr die allgemeinen Abteilungsziele erreichen wird – und fast 90 Prozent glauben, dass sie ihre persönlichen CFO-Ziele schaffen. Ähnlich viele gehen davon aus, dass ihr Unternehmen die strategischen Unternehmensziele erreicht. Etwa acht von zehn Finanzentscheidern blicken entspannt auf die Liquiditätslage und auf das Unternehmenswachstum.

Insgesamt stehen die Zeichen in den meisten Unternehmen auf Wachstum: Jeweils rund acht von zehn zählen organisches Wachstum (81 Prozent) und langfristiges Wachstum (78 Prozent) zu den wichtigsten strategischen Unternehmensleitlinien (Mehrfachnennungen möglich).

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FINANCE CFO Panel

Für das FINANCE CFO Panel befragt die FINANCE Redaktion im halbjährlichen Rhythmus Finanzvorstände führender deutscher Unternehmen. Wir wollen herausfinden, was CFOs bewegt, welche Trends in Finanzierung und Unternehmensstrategie sie erwarten und was sie persönlich antreibt. Das Panel zeigt Einschätzungen zu aktuellen Themen rund um modernes Finanzmanagement – ausschließlich aus Sicht der CFOs.

Controlling ist die oberste Priorität

Im Alltag der CFOs dominiert eindeutig das Thema Controlling, das weiterhin 60 Prozent der Befragten zu den drei Top-Prioritäten zählen, weit vor dem Kostenmanagement mit 48 Prozent (Herbst 2022: 40 Prozent).

„Die CFOs haben gelernt, mit Krisensituationen umzugehen“, sagt der Horváth-Partner Achim Wenning. „Sie wollen aber besser steuern können, um robust für die Zukunft zu sein. Dazu passen auch die anderen Prioritäten wie das Kostenmanagement. Denn darauf kommt es in Krisenzeiten an.“

Mit gutem Forecasting können Finanzvorstände schließlich exogene Schocks schneller durchspielen, die Folgen für das eigene Unternehmen abschätzen und schnell auf plötzlich neu auftretende Herausforderungen reagieren.

Auch das Accounting und die Finanzierungsstruktur sind den CFOs wichtig, jeweils 30 Prozent nennen sie als eine von drei Prioritäten. Während die Bedeutung der Finanzierungsstruktur seit dem Herbst 2022 konstant geblieben ist, hat sich der Anteil der Befragten, die das Accounting zur Top-3-Priorität erhoben haben, um 16 Prozentpunkte erhöht.

Rapide abgenommen hingegen hat die Bedeutung des Risikomanagements: Nur noch 15 Prozent der Befragten sehen es als eine von drei Top-Prioritäten, im Herbst 2022 waren es mit 28 Prozent noch fast doppelt so viele. Dies passt zu der grundlegend optimistischen Stimmung der Finanzvorstände.

Digitalisierung verliert an Bedeutung

Auf dem letzten Platz der Top-3-Prioritäten findet sich das Thema Digitalisierung, sowohl was die Prozesse in der Finanzabteilung angeht als auch in Bezug auf das Geschäftsmodell (jeweils 12,5 Prozent). „Ich finde es absolut erstaunlich, dass die Digitalisierung hier so abfällt“, sagt Kai Grönke, Partner bei Horváth und Leiter des Competence Teams CFO Strategy & Organization. „Wir sehen ja in unserer Tätigkeit, dass die Digitalisierung in den Finanzabteilungen noch nicht so weit vorangeschritten und damit eindeutig ausbaufähig ist.“ Der Anteil der Finanzchefs, die der Digitalisierung des Geschäftsmodells Priorität beimessen, ist seit der vorherigen Befragung im Herbst 2022 von 18 auf 12,5 Prozent gesunken.

„Die Finanzchefs haben die Digitalisierung auf dem Schirm, setzen das in ihrem operativen Alltag aber nicht um.“

Kai Grönke, Partner bei Horváth und Leiter des Competence Teams CFO Strategy & Organization

Zugleich zählen aber knapp zwei Drittel der CFOs die Digitalisierung zu den wichtigsten strategischen Unternehmensleitlinien. „Die Finanzchefs haben die Digitalisierung auf dem Schirm, setzen das in ihrem operativen Alltag aber nicht um“, stellt Horváth-Partner Grönke fest. Trotzdem glauben 82 Prozent der CFOs, dass sie im Jahr 2023 ihre Ziele der weiteren (Prozess-)Digitalisierung erreichen werden. „Da zeigt sich eine gewisse Selbstüberschätzung“, sagt Grönke.

CFOs sehen Cybercrime als Gefahr

Als große Gefahr sehen CFOs Hackerangriffe: Acht von zehn halten laut Befragung Cyberangriffe für ein gesamtwirtschaftliches Risiko, das weiter steigen wird. Und: Cybercrime-Attacken sehen die Befragten als zweitgrößte – und weiter wachsende – Bedrohung für ihr Unternehmen. Auf einer Skala von 1 (keine Bedrohung) bis 10 (sehr starke Bedrohung) vergeben sie für diesen Aspekt den Wert 7,1. Im Herbst 2022 wurde er noch mit 6,2 bewertet.

Trotz der grundsätzlich positiven Stimmung der CFOs kristallisiert sich eine große Sorge heraus: Den allgemeinen Fachkräftemangel sehen sie als das größte Risiko, auf einer Skala von 1 bis 10 erhält er 7,6 Punkte. Seit dem Herbst 2020 (5,6) ist dieser Wert stetig gestiegen. Den Fachkräftemangel speziell in der Finanzabteilung stufen die Finanzentscheider mit dem Wert 5,7 deutlich weniger kritisch ein.

„Der ,War for Talents‘ ist eines der Top-Themen.“

Achim Wenning, Partner bei Horváth

Mehr als acht von zehn Befragten glauben, dass der Fachkräftemangel als gesamtwirtschaftliche Herausforderung schlimmer werden wird; die übrigen erwarten, dass der Mangel im Jahr 2023 zumindest konstant bleibt. „Der ,War for Talents‘ ist eines der Top-Themen, auch in unseren Gesprächen“, sagt Achim Wenning von Horváth. „Es gibt insgesamt zu wenige Fachkräfte. Hinzu kommt, dass die Fachkräfte in der Finanzabteilung andauernd neue Anforderungen erfüllen müssen.“

Insgesamt 62 Prozent der Befragten hoffen auf moderne Technologien und stimmen der Aussage zu, dass Künstliche Intelligenz (KI) und Robotics in der Finanzabteilung den Fachkräftemangel in den nächsten fünf Jahren abfedern werden.

CFOs sind vielseitig

Befragt nach dem eigenen Rollenverständnis bei Initiativen zur Unternehmenstransformation zeigt sich ein überraschend unklares Bild: Der CFO ist ein Tausendsassa. 100 Prozentpunkte sollten die Befragten auf sechs Antwortoptionen verteilen. Im Durchschnitt liegen alle etwa gleich auf, wobei die Werte bei den einzelnen Antworten um bis zu 60 Prozentpunkte variieren.

Demnach sehen sich die Finanzverantwortlichen als Risikomanager (20 Prozent), Transformationsinitiator (18 Prozent), Problemlöser (16 Prozent), Informationsanbieter (16 Prozent), Change Manager (15 Prozent) und Business Case Tracker (15 Prozent). Kai Grönke von Horváth sagt dazu: „Man kann die Rolle sehr unterschiedlich ausleben. CFOs müssen heutzutage aber zumindest gemeinsam mit dem Team all diese Funktionen abdecken.“

Zum FINANCE CFO Panel (PDF)

Erika von Bassewitz ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Philosophie und Französisch an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Université de Genève studiert und mit einem Magister Artium abgeschlossen. Vor FINANCE war sie mehr als acht Jahre Redakteurin in der Multimediaredaktion des Medienhauses der EKHN. Davor war sie unter anderem Redakteurin beim HR-Magazin von monster, freie Autorin bei Deutsche Welle TV und freie Mitarbeiterin bei der Westdeutschen Zeitung.