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Sixt-CFO: „Ich will Trends früher als andere mitbekommen“

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Sixt-CFO Kai Andrejewski hat eine intensivere Sichtweise auf Geopolitik als die meisten seiner Kollegen. Was ihm das bringt und was nicht, verrät er im FINANCE-Interview. Foto: Sixt
Sixt-CFO Kai Andrejewski hat eine intensivere Sichtweise auf Geopolitik als die meisten seiner Kollegen. Was ihm das bringt und was nicht, verrät er im FINANCE-Interview. Foto: Sixt

Herr Andrejewski, in Ihrem FINANCE-Köpfe-Steckbrief geben Sie als Hobby „Geopolitik“ an. Sie zählen zu den ganz wenigen CFOs, die sich in strategischen Thinktanks und Netzwerken engagieren, in denen die Auseinandersetzung mit der Weltlage und nicht mit Branchen- oder Karrieretrends dominiert. Was hat das Ihrem Arbeitgeber Sixt jetzt im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg gebracht? Hat Ihnen Ihr persönliches Profil dabei geholfen, diese Eskalation kommen zu sehen?

Aus meinen Netzwerken habe ich schon Anfang Januar starke Signale empfangen, dass der Truppenaufmarsch der Russen wahrscheinlich nicht nur Säbelrasseln ist. Wir haben daraufhin damit begonnen, viele unserer Software-Entwickler aus Kiew zu verlagern. Neben Pullach und Bangalore ist Kiew einer von drei Sixt-Entwicklungsstandorten weltweit und mit rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der kleinste der drei Standorte. Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wir beim Gang ins Ausland unterstützt, andere beim Umzug in die Westukraine.

Einige Wochen später habe ich dann am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz, die am Wochenende vor dem Kriegsausbruch stattfand, unisono gehört, dass jeden Moment mit einer umfassenden Invasion zu rechnen sei. Daraufhin haben wir die Verlagerungsbemühungen für unsere Mitarbeiter in Kiew nochmals intensiviert. Außerdem haben wir Vorbereitungen getroffen, um unser Franchise-Geschäft in Russland sofort einstellen zu können. Das ist dann auch schon bald darauf geschehen, nur zwei Tage nach Beginn der Invasion. Doch die wichtigste wirtschaftliche Folge des Krieges für Sixt habe ich nicht früh genug antizipiert, und das ärgert mich.

Welche war das?

Dass in der Autoindustrie durch den Ukrainekrieg noch zusätzliche Liefer- und Produktionsengpässe entstanden sind, zum Beispiel auf Grund der fehlenden Kabelbäume, die in der Ukraine gefertigt werden. Und zu wenig Autos waren schon vor Kriegsausbruch unsere größte Wachstumsbremse. Da hätten wir noch schneller unser Einkaufsverhalten anpassen müssen. Und genau um diese ganzheitliche Sichtweise geht es eigentlich bei meiner Zusammenarbeit mit den Thinktanks. Es zeigt, dass wir mit Sicherheit nicht alle Voraussagen mit höchster Genauigkeit treffen, aber doch das eine oder andere Risiko etwas früher in den Blick nehmen.  

„Wir könnten durch den Klimawandel 10 bis 20 Prozent der Wirtschaftskraft verlieren. Da rettet mich als CFO kein Green Finance.“

Das müssen Sie erklären.

Viele Manager und Unternehmer haben beim Betrachten von geopolitischen oder ESG-Trends einen strikten Fokus auf ihre Firma, auf ihre Branche. Dabei werden die größeren Zusammenhänge häufig übersehen. Und wenn man nur linear denkt, dann übersieht man viele Risiken. Beispiel Klimawandel: Es gibt sehr überzeugende Studien, die nahelegen, dass eine weltweite Temperaturerwärmung um 2 bis 3 Grad mindestens 10 bis 20 Prozent der Wirtschaftskraft vernichten würde. Da rettet mich als CFO kein Green Finance, denn dies hätte erhebliche Konsequenzen auf die Werte von Assets, Goodwill in Bilanzen und vielem mehr. Und wenn Sie mir ein weniger drastisches Beispiel erlauben, dann erwähne ich auch noch die geplante CO2-Grenzsteuer…

… mit der die EU plant, Auslandsimporte mit Sonderzöllen zu belegen, wenn diese aus Ländern mit großen CO2-Fußabdrücken kommen oder die Produkte „schmutzig“ hergestellt wurden.

Genau. Diese Steuer ist für mich als CFO eines Unternehmens, das eine Flotte von zeitweise über 200.000 Fahrzeugen betreibt, viel mehr als ein Preisthema. Wenn zum Beispiel Autos, die aus China kommen, in ein paar Jahren 20 Prozent teurer werden, gleichzeitig aber ein Land wie Frankreich wegen des hohen Atomstromanteils als „grüner“ Standort klassifiziert wird, weiß ich, dass unser Einkauf gar nicht nach China zu blicken braucht – dann müssten wir viel stärker als jetzt in Frankreich sourcen. Meine Kontakte in die Thinktanks helfen uns beispielsweise dabei, einzuschätzen, wann die Grenzsteuer kommen wird – und in welchem Ausmaß.

Kai Andrejewski ist Teil der Atlantikbrücke

Wie läuft dieser Austausch mit Thinktanks?

Rund 30 bis 60 Minuten am Tag reserviere ich für den Austausch mit Thinktanks und mein geopolitisches „Hobby“. Über meine Mitgliedschaft im Verein „Atlantikbrücke“ bekomme ich beispielsweise einen guten Eindruck von den politischen Trends in den USA, und das ist der wichtigste Auslandsmarkt von Sixt. Dort gibt es – anders als in Europa – im Moment zum Beispiel noch keine landesweiten Auflagen für den CO2-Ausstoß von Fahrzeugflotten. Ich will früher als andere mitbekommen, wenn sich der politische Wind in Washington in diese Richtung dreht, denn dann bräuchten wir sehr schnell sehr viel mehr E-Autos in unserer US-Flotte.

… was nach einer nicht unlösbaren Herausforderung für Ihr Beschaffungs-Team klingt.

Bitte übersehen Sie eines nicht: Politische Entscheidungen zu solch großen Themen wie dem Klimawandel haben nicht nur finanzstrategische Implikationen – sie haben Einfluss auf das komplette Geschäftsmodell unseres Unternehmens. Es ist bereits heute abzusehen, dass in Zukunft „Shared Mobility“ und nicht mehr der Besitz eines eigenen Autos die Norm sein wird. Wenn Städte Individualverkehr in ihren Innenstädten verbieten – und Paris zum Beispiel geht ganz stark in diese Richtung –, werden nur noch selbstfahrende Flotten von Robotertaxis in diesen Bezirken automobile Mobilität möglich machen. Darauf muss sich ein Mobilitätsunternehmen wie Sixt, das sehr langfristig denkt, schon jetzt ausrichten. Und das tun wir auch im Rahmen unserer Partnerschaft mit Mobileye.   

Auch Sixt setzt auf Green Finance

Hat das auch Folgen für Ihre Finanzierungsstrategie?

Ja, und zwar immer größere. Aktuell ist etwa jedes zehnte Fahrzeug, das wir ankaufen oder in ein Kurzzeit-Leasing nehmen, ein Hybrid- oder reines Elektroauto. Dieser Anteil wird in den nächsten Jahren stark steigen. Diese Investitionen lassen sich über Green Bonds, grüne Schuldscheine und ähnliches finanzieren. Also wird auch der Anteil solcher Instrumente an unserem Finanzierungsmix deutlich zunehmen. Ich bin überzeugt, dass dies langfristig günstigere Finanzierungen sein werden als „nicht-grüne“ Instrumente. Aktuell liegt der Preisvorteil von grünen Instrumenten bei höchstens 10 Basispunkten, dieser Spread dürfte sich in den nächsten Jahren weiten. Aber das ist gar nicht der Blickwinkel, den wir bei Sixt auf Green Finance haben.   

Wie sieht denn Ihrer aus?

Sixt versteht sich als Mobilitätsdienstleister: Mietwagen, Car Sharing, Subscription-Modelle, Ride Hailing, beispielsweise in Form von Robotertaxis, das alles gehört zum Mix der Zukunft. Wir sind ideal positioniert und bündeln alle dafür notwendigen Kompetenzen unter einem Dach. Am Ende dieser Transformation wird Sixt einen erheblichen Beitrag für die Reduktion des Autoverkehrs und damit für mehr Lebensqualität in den Städten liefern. Wir wollen bei der Nachhaltigkeit einen Unterschied machen und nicht nur Regulatorik erfüllen, denn Mobilität ist eine der Lebensadern unserer Gesellschaft. Den Kapitalmarkt will ich überzeugen, mit Hilfe nachhaltiger Instrumente diese Transformation unseres Unternehmens zu finanzieren. Da geht es um langlaufende grüne Anleihen und Schuldscheine, deren Erlöse wir nicht nur einsetzen, um E-Autos zu kaufen, sondern auch um die Transformation voranzutreiben. Und auch dafür halte ich den Austausch mit externen Experten aus Thinktanks für enorm wertvoll.