Canyon wird belgisch: Die Beteiligungsgesellschaft Groupe Bruxelles Lambert (GBL) beteiligt sich mehrheitlich an dem Koblenzer Fahrradhersteller. Der Investor ist in Deutschland gut bekannt, etwa als Großaktionär von Adidas. Verkäufer sind der US-Private-Equity-Investor TSG Consumer Partners, der seinen Minderheitsanteil damit nach rund fünf Jahren vollständig abgibt, und der Unternehmensgründer Roman Arnold.
Der TSG-Anteil beläuft sich laut „Financial Times“ auf rund 40 Prozent, Arnold wird seinen Anteil dem Bericht zufolge von 60 auf 40 Prozent reduzieren. Der Gründer wird einen „signifikanten“ Teil seines Erlöses in das Unternehmen reinvestieren, teilte GBL mit. Wie das konkret umgesetzt wird, ist allerdings nicht bekannt. Arnold war bereits im Oktober vom Vorstand in den Beirat gewechselt und übergab sein Amt damals an den operativen Geschäftsführer Armin Landgraf.
Neben dem belgischen Investor co-investiert zudem der frühere Apple-Manager Tony Fadell, der unter anderem an der Entwicklung des iPods beteiligt war, in die Koblenzer und erhält zudem einen Sitz im Beirat. Er soll Canyon mit seiner Expertise und seiner Beratungsfirma Future Shape bei den Wachstumsplänen unterstützen.
GBL setzt sich im Bieterwettstreit um Canyon durch
In dem Bieterverfahren, für das Canyon die Investmentbank Robert W. Baird mandatiert haben soll, lockte das Unternehmen namhafte Investoren an. Einen Bloomberg-Bericht zufolge sollen im Oktober Finanzinvestoren wie Carlyle, KKR, Advent, Apax, General Atlantic und Permira interessiert gewesen sein.
Im Zuge des Deals mit GBL wird Canyon mit rund 800 Millionen Euro inklusive Schulden bewertet, wie verschiedene Medien berichten. Das entspricht einer Bewertung von rund 2x Umsatz, der laut GBL derzeit bei über 400 Millionen Euro liegt. Wie die FT unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtet, hätten PE-Investoren sogar mehr geboten.
Letztlich habe sich Canyon-Gründer Arnold für die Belgier entschieden, weil sie eine langfristige Investment-Perspektive von mehr als zehn Jahren im Auge hätten, heißt es weiter. Die Transaktion soll im ersten Quartal 2021 abgeschlossen werden. Regulatorische Zustimmungen für den Deal stehen noch aus.
Fahrradhändler profitieren von Corona-Boom
Das Geschäft der Koblenzer liegt schon lange im Trend: Das Fahrrad als nachhaltiges Fortbewegungsmittel wird immer beliebter. In den vergangenen sieben Jahren betrug das jährliche Umsatzwachstum laut GBL bei Canyon etwa 25 Prozent.
Die Coronavirus-Krise hat diese Entwicklung weiter befeuert: Menschen suchen nach Alternativen zu öffentlichen Verkehrsmitteln, um die Ansteckungsgefahr zu verringern – oder nach einem sportlichen Ausgleich im Lockdown. In diesem Jahr soll das Wachstum bei Canyon laut der „Financial Times“ sogar 30 Prozent betragen.
Canyon bietet sowohl Räder für Profisportler wie auch Privatpersonen an. Das Besondere: Die Fahrräder in verschiedenen Preisklassen werden auf der eigenen Website direkt an den Kunden verkauft. Gemeinsam mit GBL will Canyon nun in Europa und den USA wachsen sowie den E-Bike-Markt erobern.
FINANCE-Themenseite
GBL mischt auch bei Gea mit
GBLs Hoffnungen in Canyon sind hoch: In der Regel wollen die Belgier ihren Einsatz in zehn Jahren verdrei- oder vervierfachen, zitiert die „Financial Times“ den GBL-Chef Ian Gallienne. GBL gilt als aktiver Investor, der den Kontakt zum Management sucht. Neben Adidas ist die Gesellschaft in Deutschland auch bei dem Anlagenbauer Gea beteiligt. Zeitweise gehörte eine Beteiligung bei Bertelsmann zum Portfolio.
Info
Mehr über die Strategien der Aktivisten lesen Sie auf unserer Themenseite zu aktivistischen Investoren. Spannende Einsichten in die Private-Equity-Welt bietet unsere Themenseite zu Private Equity.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.