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Hannover Finanz mit Deal in der Coronakrise

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Es ist der erste Deal in diesem Jahr für die Hannover Finanz, und dann auch noch mitten in der Coronavirus-Krise: Der Finanzinvestor steigt gemeinsam mit der Lück Gruppe bei dem Lüftungstechniker Kretz + Wahl ein.
usssajaeree/iStock/Getty Images

Es ist der erste Deal in diesem Jahr für die Hannover Finanz, und dann auch noch mitten in der Coronavirus-Krise: Wie FINANCE vorab erfahren hat, übernimmt die Hannover Finanz den Lüftungstechniker Kretz + Wahl mehrheitlich.

Das Besondere an diesem Private-Equity-Investment: Der Mittelstandsinvestor steigt bei Kretz + Wahl gemeinsam mit der Beteiligungsgesellschaft der Lück Gruppe ein. Hannover Finanz übernimmt 50 Prozent der Anteile, Lück weitere 15 Prozent. Die Geschäftsführer von Kretz + Wahl bleiben mit einem Minderheitsanteil rückbeteiligt.

Hannover Finanz kooperiert mit Ex-Portfoliounternehmen

Die Lück Gruppe, die in der Elektroinstallation tätig ist, ist zugleich ein ehemaliges Investment der Hannover Finanz. Im Jahr 2012 stieg der Finanzinvestor bei Lück ein, damals erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 55 Millionen Euro und beschäftigte 134 Mitarbeiter. Zum Exit der Hannoveraner im Jahr 2017 waren 1.025 Mitarbeiter bei Lück angestellt, die einen Umsatz von 134 Millionen Euro erwirtschafteten.

Zu dieser ungewöhnlichen Kooperation sei es jetzt – drei Jahre nach dem Exit – gekommen, weil Lück während der Haltedauer von Hannover Finanz auf den Geschmack von PE-ähnlichen Investments gekommen sei, so Hannover-Finanz-Vorstand Goetz Hertz-Eichenrode: „Beide Geschäftsführer haben sehr unternehmerische Persönlichkeiten und wollten ihr Vermögen nicht irgendwo anlegen, sondern auch ihr Wissen weitergeben.“

Debt-Fonds Akquivest stellte Finanzierung

Nun verbünden sich der Finanzinvestor und die Unternehmer für ihr Investment in Kretz + Wahl. Zu den Leistungen von Kretz +Wahl gehören neben der Herstellung und Montur von Lüftungsanlagen auch die Wartung der Geräte. Mit diesem Geschäftsmodell erzielte das Unternehmen mit Sitz im hessischen Fernwald bei Gießen im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 21 Millionen Euro und einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 7 Millionen Euro. Kretz + Wahl beschäftigt 70 Mitarbeiter.

Über den Kaufpreis für Kretz + Wahl haben die Unternehmen Stillschweigen vereinbart. Gegenüber FINANCE teilte die Hannover Finanz mit, die Bewertung sei zu einem „marktgerechten Multiple“ erfolgt. Kleine Mittelständler aus der Baubranche werden nach FINANCE-Informationen aktuell mit rund 7x Ebitda bewertet. Daraus würde sich für Kretz + Wahl eine Unternehmensbewertung von knapp 50 Millionen Euro errechnen. Pro Investment stellt die Hannover Finanz bis zu 50 Millionen Euro Eigenkapital bereit.

Den Einstieg bei Kretz + Wahl hätte die Beteiligungsgesellschaft eigenen Angaben zufolge zunächst auch „all equity“ finanziert. Diese Finanzierungsstruktur gewähre in der aktuellen Lage Transaktionssicherheit. Allerdings stellte Akquivest, der Debt-Fonds der R+V Versicherungen, die Finanzierung rechtzeitig zum Closing bereit, so Hertz-Eichenrode.

Baubranche ist für Private Equity hochinteressant

Den Einstieg bei Kretz + Wahl begründet die Hannover Finanz mit der Attraktivität der Baubranche für Private Equity. „Wir mögen den Markt einfach, weil ihn viele Langfristtrends durchziehen“, so Goetz Hertz-Eichenrode. „Neubau ist immer ein Thema, und aktuell nehmen auch Gebäude-Revitalisierungen zu.“ Ein Vorteil bei Bau-Investments: „Die Branche lebt von gewerblichen und öffentlichen Aufträgen. Gehen beispielsweise die gewerblichen Anfragen zurück, können die öffentlichen Aufträge dies in der Regel abfangen“, erklärt der Vorstandschef.

Zudem seien bestimmte Bereiche – wie etwa die Lüftungstechnik – vergleichsweise margenstark. Dort lassen sich laut Hertz-Eichenrode weitaus höhere Margen als die 4 bis 8 Prozent Marge verdienen, die in der Baubranche üblich sind.

Den Deal wollte der Finanzinvestor auch trotz Corona jetzt abschließen: „Die Baubranche ist nicht nachhaltig von der Coronakrise betroffen, und wir sehen uns mit dem Deal langfristig gut positioniert“, so der Vorstandschef. Einen Corona-Abschlag auf den Kaufpreis habe es aber nicht gegeben.

Hannover Finanz will Umsatz von Kretz + Wahl verdoppeln

Wie Kretz + Wahl wachsen soll, hat die Hannover Finanz bereits klar definiert. „Wir sehen drei Wachstumspotentiale: Zunächst fehlen dem Unternehmen personelle Kapazitäten, die wir aufstocken wollen“, sagt Goetz Hertz-Eichenrode. Hierfür will der Finanzinvestor neue Mitarbeiter rekrutieren.

Die Mitarbeiterzahl soll aber auch anorganisch wachsen, Stichwort Zukäufe: „Zweitens sehen wir im Bereich Anlagenbau, aber auch im Servicebereich Chancen für Add-ons mit ähnlichen Kompetenzen, wie sie Kretz + Wahl mitbringen.“ In den Bereichen Reinraumtechnik und Klimatechnik wäre hingegen eher die Übernahme eines komplementären Unternehmens sinnvoll. Mittelfristig sollen die Hessen zu einer starken Marke im Rhein-Main- sowie im Rhein-Neckar-Gebiet werden, langfristig plant Hannover Finanz eine bundesweite Expansion.

Das dritte Wachstumsfeld sieht der neue Eigentümer in der Digitalisierung. „Bei Kretz + Wahl können noch viele Prozesse automatisiert werden, etwa Abrechnungsprozesse oder Steuerungs- und Messtechniken“, glaubt Hertz-Eichenrode. Gehen die Wachstumsinitiativen auf, soll sich der Umsatz des Lüftungstechnikers bis zum Exit mindestens verdoppeln, hofft der Finanzinvestor.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

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Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.