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Dormakaba-M&A-Chef: „M&A ist ein Netzwerk, keine Insel“

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Das Team und die Teamkultur sind ausschlaggebend für den Erfolg der Transaktion, findet Dormakabas M&A-Chef Torsten Stolte.
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Herr Stolte, sie sind mittlerweile seit gut elf Jahren für die Unternehmensentwicklung des Schweizer Sicherheitstechnikers Dormakaba – und damit auch für M&A-Deals – tätig. Welcher war der schwierigste Deal, den Sie jemals verantwortet haben?

Wir haben im Jahr 2017 den Geschäftsbereich „Commercial Hardware“ des US-Werkzeugherstellers Stanley Black & Decker übernommen. Der Deal war in gleich mehreren Hinsichten eine Herausforderung: Zum einen betrug der Kaufpreis 725 Millionen US-Dollar. Das war bis dato die größte Übernahme der vergangenen 20 Jahre für unser Unternehmen, das damals noch Umsätze von 2 Milliarden Schweizer Franken machte. Heute setzen wir rund 2,8 Milliarden Schweizer Franken um.

Zudem haben wir uns für einen Asset Deal entschieden, weil das transaktionstechnisch die bessere Variante war – aber auch die Variante, die mit mehr Aufwand verbunden war. Von dem Carve-out betroffen waren rund 1.000 Mitarbeiter und auch das SAP-System. Zuletzt mussten wir im Rahmen des Deals neben dem Geschäftsbereich zusätzlich die Firma GMT mit Sitz in China übernehmen. Das war die Bedingung für den Deal.

Weshalb hat Ihnen der Verkäufer denn die chinesische Firma aufgedrängt?

Konkrete Details, weshalb der Verkäufer die chinesische Firma mit verkaufen wollte, kennen wir nicht. Klar war damals aber: Wir hätten das Geschäft lieber nicht mit übernommen. Allerdings war das US-Geschäft von Stanley Black & Decker so attraktiv für uns, dass wir uns diese Chance nicht entgehen lassen konnten, und an dem strukturierten Verkaufsprozess teilgenommen haben.

Wie ging es dann aber mit der chinesischen Firma weiter?

Innerhalb von sechs Monaten nach dem Closing des M&A-Deals haben wir das Unternehmen an einen chinesischen Strategen weiterverkauft. Glücklicherweise sind wir bei dem China-Deal finanziell ungefähr bei Null rausgekommen.

Info

Dormakaba, mit Sitz in Rümlang bei Zürich, ist ein Schweizer Sicherheitstechniker. Mit Zutrittskontrollen, Türschließern und Schließzylindern erwirtschaftete das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr 2019/2020 einen Umsatz von 2,5 Milliarden Schweizer Franken (rund 2,3 Milliarden Euro) und einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 325 Millionen Schweizer Franken (300 Millionen Euro). Die Ebitda-Marge lag bei 12,8 Prozent. Dormakaba ist an der SIX Swiss Exchange notiert.

M&A-Deal macht Dormakaba zur Nummer drei in den USA

Wenngleich Sie finanziell keine Nachteile durch die Übernahme der chinesischen Firma hatten, so war dies doch mehr Aufwand für Sie und Ihr Team. Wie haben Sie diesen damals gerechtfertigt?

Die Transaktion katapultierte uns quasi über Nacht zur starken Nummer drei in Nordamerika – einer Region, die für unser bereits bestehendes US-Geschäft sehr attraktiv ist und die wir schon seit längerem auf unserem Radar haben, ebenso wie den entsprechenden Geschäftsbereich von Stanley Black & Decker. Zudem haben wir zahlreiche Synergien gesehen, darunter vor allem im operativen Geschäft und bei der Neukundengewinnung. Auch potentielle Kosteneinsparungen und die Möglichkeit zum Cross-Selling waren für uns interessante Übernahmekriterien.

Und wie ist der Status Quo bei den Synergien, rund drei Jahre nach der Übernahme?

Ein guter Teil der Synergien ist bereits realisiert, vor allem auf der operativen Seite. Gerade in puncto Cross-Selling – diese Synergien sind erfahrungsgemäß besonders schwer zu heben – haben wir aber noch einige To-Dos. Auf der Agenda stehen etwa noch die Einführung von „Bundling“ – also der Verkauf von mehreren Produkten in einem Paket – sowie der Vertrieb der eigenen Produkte über die US-Marke. Kunden an neue Produkte zu gewöhnen, braucht seine Zeit, und die sollte man sich auch nehmen. Wenn das Produkt beim Kunden nicht gut ankommt, läuft man Gefahr, diese Synergien zu verschenken.

„Wenn das Produkt beim Kunden nicht gut ankommt, läuft man Gefahr, diese Synergien zu verschenken.“

Torsten Stolte, M&A-Chef bei Dormakaba

Big Picture nicht aus den Augen verlieren

Synergien zu heben ist nie mühelos, berichtete auch Vosslohs M&A-Chef Dirk Krämer vor kurzem bei FINANCE. Was ist Ihr „Geheimrezept“ für das Heben von Synergien?

Nicht nur beim Thema Synergien, sondern ganz generell im M&A gilt für mich: Das Team und die Teamkultur sind ausschlaggebend für den Erfolg der Transaktion – vom Vertragsabschluss bis hin zu den realisierten Synergien. Die technische Ausführung eines Deals und die Post-Merger-Integration können noch so gut durchdacht sein, wenn das Team, das an dem Deal arbeitet, nicht hinter dem Projekt steht oder die Reihenfolge, in welcher die Dinge erledigt werden müssen, nicht mitträgt, wird es schwierig.

Wie stellen Sie als Projektleiter sicher, dass alle im Team am selben Strang ziehen?

Die Verantwortlichkeiten müssen eindeutig geregelt werden. Bei einem Kernteam wie unserem von mehr als 60 Mitgliedern, davon mehr als zehn im Lead, ist das absolut notwendig. Damit alle Aufgaben rechtzeitig erledigt werden, sind regelmäßige Absprachen essentiell, in Hochphasen sogar täglich. Auch auszuwerten, welche Prozesse wie viel Zeit in Anspruch nehmen, hilft, denn so lassen sich Aufgaben sinnvoll priorisieren.

Wie verlieren Sie vor lauter Planung und Absprachen nicht den Überblick?

Es hilft, nicht nur in einzelnen Checklisten zu denken, sondern auch das „Big Picture“ im Blick zu haben: Wo findet die Hauptschlacht statt, wo sind die Nebenschauplätze? Ich kann aber nur noch einmal betonen, wie wichtig das Team ist, mit dem man zusammenarbeitet. M&A ist ein Netzwerk, keine Insel: Das heißt, nur wenn alle gut und pragmatisch miteinander arbeiten und klare Absprachen – auch mit externen Beratern – herrschen, vermeidet man negative Überraschungen während des M&A-Prozesses und auch danach.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Torsten Stolte ist Senior Vice President Global Development bei dem Schweizer Sicherheitstechniker Dormakaba und verantwortet in dieser Funktion auch die M&A-Aktivitäten des Unternehmens.

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Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.