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Faurecia gewinnt das Rennen um Hella

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Quelle: HELLA

Hella geht nach Frankreich: Nachdem mehrere Interessenten ein Auge auf Hella geworfen hatten, sichert sich Faurecia nun den Zuschlag. Es wurde eine Vereinbarung über den Zusammenschluss beider Unternehmen unterzeichnet, teilte der Autozulieferer am Samstagabend mit. Es geht um 60 Prozent der Pool-Anteile der Eigentümerfamilie Hueck.

Faurecia will Hella schlucken

Um das Unternehmen aus Lippstadt zu übernehmen, greift der französische Autozulieferer mit Sitz in Nanterre tief in seine Tasche. Um den Familienanteil zu kaufen, muss Faurecia auch den übrigen Hella-Aktionären ein Übernahmeangebot machen, wobei es keine Mindestannahmequote geben soll. Faurecia bietet 60 Euro pro Aktie, inklusive der erwarteten Dividende erhöht sich der Bruttoangebotspreis auf 60,96 Euro. Insgesamt kostet der Deal dann 6,8 Milliarden Euro, was einer Prämie von 33 Prozent auf den Schlusskurs vom 26. April entspricht.

Da bei Hella keine nennenswerte Nettofinanzverschuldung vorliegt, entspricht die Summe auch dem Enterprise Value. Laut UBS-Research entspricht das EV/Ebidta-Multiple bei dem Deal 6,4x, basierend auf dem für 2022 erwarteten Ebitda. Das entspräche einem Bewertungsaufschlag im Vergleich zu Branchen-Peers von 15-30 Prozent, schreiben die Analysten.

Familie Hueck wird an Faurecia beteiligt

Für den Kaufpreis an die Familie Hueck zahlt Faurecia 3,4 Milliarden Euro in bar, den Rest über neue Faurecia-Aktien. Damit lässt die Hueck-Familie Hella nicht ganz los. Sie werden über eine Rückbeteiligung bis zu 9 Prozent der börsennotierten Obergesellschaft halten und werden Hella „somit auch in Zukunft eng begleiten“. Außerdem soll ein Vertreter der Familie dem Verwaltungsrat von Faurecia beitreten.

Die Franzosen sichern sich für den Deal eine Überbrückungsfazilität von 5,5 Milliarden Euro, die, bis auf eine Eigenkapitalkomponente von 800 Millionen Euro, über neue Anleihen und Bankkredite refinanziert werden soll. Der Eigenkapitalanteil wird über eine Kapitalerhöhung refinanziert.  

Bis Anfang nächsten Jahres soll die Transaktion, die noch unter dem Vorbehalt regulatorischer Freigaben steht, vollzogen werden. Hella wurde von Perella Weinberg Partners, Freshfields Bruckhaus Deringer und der Brunswick Group beraten.

Siebtgrößter Automobilzulieferer wird kreiert

Mit der Übernahme würde Faurecia zum siebtgrößten Autozulieferer weltweit aufsteigen. Und auch in Europa würden beide Unternehmen nach dem Zusammenschluss an die Top 3 Bosch, Continental und ZF näher heranrücken.

Zudem soll der Deal ein hohes Synergiepotential haben. „Faurecia und Hella passen sehr gut zusammen. Das gilt insbesondere mit Blick auf Produktspektrum und Marktabdeckung“, sagt Hella-Chef Rolf Breidenbach. Es sei naheliegend, dass „wir unsere Kräfte bündeln, um die Zukunft der Mobilität in vorderster Reihe gemeinsam voranzutreiben“, kommentiert Breidenbach den Deal.

Gemeinsam wollen sie ihre Position vor allem in den Bereichen Elektromobilität, autonomes Fahren und Fahrzeuginnenraumgestaltung weiter ausbauen und ihre Position gegenüber Kunden sowie in den Regionen zusätzlich stärken. Die beiden Häuser kooperieren schon seit 2018 miteinander. Die Franzosen erhoffen sich von Hella besseren Zugang zum deutschen Markt, Hella dagegen unter anderem in China und Japan.

Deal überzeugt Analysten

Die Übernahme gilt als strategisch sinnvoll. Auch die Analysten der Investmentbank UBS sehen den Deal positiv. Faurencia würde durch die Transaktion einige gänzlich neue Geschäftsbereiche hinzugewinnen, es gebe kaum Produktüberschneidungen bei den beiden Häusern. Sie rechnen daher mit hohen Synergieeffekten von 700 bis 900 Millionen Euro (Net Present Value).

Insgesamt würden nach der Übernahme zu den 114.000 Faurecia-Mitarbeiter noch 36.000 Hella-Mitarbeiter hinzukommen. Faurecia nahm 2020 einen Umsatz von 14,7 Milliarden Euro ein, Hella beziffert den vorläufigen bereinigten Umsatz für 2020/21 auf 6,5 Milliarden Euro. Bis 2025 wollen sie auf einen gemeinsamen Umsatz von 33 Milliarden Euro und ein Ebitda von 5 Milliarden Euro kommen. 2021 würden diese Werte pro forma zusammen bei 23 Milliarden Euro und 3,2 Milliarden Euro liegen.

Faurecia will schnell entschulden

Dennoch ist die Übernahme für die Franzosen ein finanzieller Kraftakt. Der Zulieferer trägt einen Schuldenberg von über 3 Milliarden Euro mit sich. Bis Ende 2023 will der Konzern die Nettoverschuldung zum Ebitda auf 1,5x zurückführen, was dem Verschuldungsgrad von Faurecia zum 30. Juni vor der Akquisition entspricht. Für Ende 2025 ist für das Unternehmen sogar der Faktor 1x geplant.

Auch die UBS schätzt die Chancen für schnelles Deleveraging gut ein. Die Cash-Generierung des pro forma fusionierten Unternehmen schätzen die Analysten auf über 1 Milliarde Euro pro Jahr, in drei Jahren könnte der Leverage auch ohne Synergieeffekte wieder auf 1,2x sinken.

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Mahle und Plastic Omnium waren auch interessiert

Hella stellte den Aktienanteil der Eigentümerfamilie im April ins Schaufenster. Unter den Interessenten sollen dem Vernehmen nach auch die französische Plastic Omnium und der deutsche Zulieferer Mahle gewesen sein. Knorr-Bremse hatte bereits vor einigen Wochen einen Rückzieher gemacht.

Der Eigentümer-Familie von Hella war wichtig, dass die Interessen der Familie auch nach der Übernahme vertreten werden. Zu den weiteren Vereinbarungen zählt, dass die Mehrsäulenstrategie von Hella und die hohe Investitionsbereitschaft in die Entwicklung automobiler Zukunftstechnologien zur Sicherung der Position als Technologie- und Marktführer fortgesetzt werden.

Darüber hinaus enthält die Vereinbarung mit den Franzosen nach Angaben von Hella auch weitreichende Zusagen an die Hella-Beschäftigten. Alle Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge bleiben bestehen. Außerdem soll Lippstadt weiterhin ein zentraler Standort der Gruppe bleiben.

Hella-Kurs unter Druck

Nachdem zwischenzeitlich über einen noch höheren Kaufpreis spekuliert worden war, reagiert der Kurs der Hella-Aktie negativ und gibt am heutigen Tag um rund 3 Prozent nach. Faurecia-Aktionäre können sich dagegen über ein Plus um 9 Prozent freuen.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.