Newsletter

Abonnements

M&A-Bewertungen: Kompromissbereitschaft steigt

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken
Ein Unternehmenskauf kann sich in der Krise lohnen. Foto: beeboys - stock.adobe.com
Ein Unternehmenskauf kann sich in der Krise lohnen. Foto: beeboys - stock.adobe.com

„Wann sinken endlich die Kaufpreise?“ fragt sich mancher Investor vermutlich schon seit Monaten – und das zu Recht: Seit das Coronavirus deutsche Unternehmen erwischt hat, rechnen viele am M&A-Markt aktive Käufer mit einem Rückgang der Unternehmensbewertungen und Kaufpreise, um die Effekte der Coronakrise auf potentielle Übernahmekandidaten zu reflektieren.

Einen deutlichen Einbruch bei den Bewertungsniveaus hat es aber noch nicht gegeben: Die FINANCE-Multiples sind im Durchschnitt von 8,7x Ebit im Februar lediglich auf 8,4x Ebit im November gesunken – ein minimaler Abschlag verglichen mit den heftigen Auswirkungen der Krise. Ähnlich sieht es auch bei den großen Aktienindizes aus. Das liegt auch daran, dass viele Verkäufer sich konsequent präsentieren – oder stur, je nach Sichtweise. Sie weigern sich, die aus ihrer Sicht temporären Corona-Einbußen bei den Kaufpreisverhandlungen zu berücksichtigen.

Corona sorgte für Abschlag von bis zu 15 Prozent

Unter dem Strich haben aber immer noch ein paar M&A-Aspekte Gültigkeit, die schon vor Corona galten: Die Bewertungen kleinerer Unternehmen reagierten auf die Coronakrise sensibler als die von Großkonzernen, und dort können die Verkäufer auch schwerer mit dem Argument eines nur zeitweisen Rückgangs argumentieren, berichtete der Bewertungsexperte André Laner, Principal der Unternehmensberatung Ebner Stolz, vor wenigen Tagen in einem FINANCE-Webinar (das Sie sich hier noch einmal ansehen können).

Auch bei den Branchen gibt es eine Spreizung, rechnete der M&A-Berater vor: Während Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation, Software oder erneuerbare Energien heute bis zu 3 Prozent höher bewertet werden als vor Corona, gab es in schon vorher „billigen“ Branchen wie der Automobilindustrie oder dem Maschinen- und Anlagenbau Bewertungsabschläge von bis zu 15 Prozent. Ein weiterer Grund dafür, dass in vielen Branchen die Bewertungen nicht zurückkamen: Im Zuge von Corona ist schlicht auch die Nachfrage nach M&A-Targets zurückgegangen, was den Druck auf die Multiples gesenkt hat.

FINANCE-Multiples

Multiples To Go

Ihre Eintrittskarte in die Welt der Unternehmensbewertung
 

Mehr erfahren

André Laner: Operative Maßnahmen steigern Firmenwert

Laner erzählte in einer von drei Case Studies, die er vorstellte, wie ein Mittelständler aus der Chemiebranche, der kurz vor Corona über einen M&A-Deal seine Nachfolge regeln wollte, die Krise nutzt, um den Wert des gestoppten M&A-Deals sogar noch zu erhöhen: Der Unternehmer verwendet die Zeit, um die zweite Führungsebene zu stärken, neue Produktionslinien aufzubauen und die Liquidität mit einem KfW-Kredit zu stärken. Parallel bereitet das Chemieunternehmen eine „saubere“ Equity Story vor, die den Einfluss der Coronakrise transparent macht, aber auch die Zukunftsperspektiven aufzeigt. Aus Laners Sicht die richtige Entscheidung: „Das erhöht den Unternehmenswert deutlich.“

Käufer hätten es da einfacher, die Unternehmensbewertung in ihre Richtung zu beeinflussen – eine Krise biete vielfältige Möglichkeiten, negative Due-Diligence-Findings aufzuspüren und mit deren Hilfe den Preis nach unten zu verhandeln. Die Folge: „Ich habe in diesem Jahr schon Unterschiede von 20 Prozent oder mehr zwischen gefordertem und gebotenem Preis erlebt“, sagt Laner. „Dann helfen alternative Kaufpreisstrukturen wie beispielsweise Earn-outs.“ Tatsächlich beobachtet der M&A-Spezialist seit einigen Monaten eine wachsende Kompromissbereitschaft. Die Nachfrage nach erfolgsabhängigen Zahlungen nimmt zu, so Laner.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

„Ich habe in diesem Jahr schon Unterschiede von 20 Prozent oder mehr zwischen gefordertem und gebotenem Preis erlebt.“

André Laner, Principal bei Ebner Stolz

Info

Den Mitschnitt des kompletten Webinars mit vielen Grafiken und weiteren Fallbeispielen von André Laner finden Sie hier.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.

Themen