Joe Kaeser holt bei Siemens zum Rundumschlag aus: Neben der tiefgreifenden Neustrukturierung des Konzerns unter dem Namen Vision 2020 steht auch einiges an Portfolioarbeit ganz oben auf der Tagesordnung: Der ehemalige CFO und heutige CEO von Siemens will einem Bericht der F.A.Z. zufolge aus dem Gemeinschaftsunternehmen Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) aussteigen. Demnach will Siemens den 50-Prozent-Anteil an BSH abgeben.
Der Schritt entspricht dem angekündigten Rückzug aus den letzten Geschäften mit Endverbrauchern im Siemens-Portfolio. Schon im vergangenen Sommer hatte Siemens den Leuchtenhersteller Osram im Rahmen eines Spin-Offs erfolgreich an die Börse gebracht. In diesem Jahr soll die Siemens-Hörgerätesparte nachziehen. Der Joint-Venture-Partner Bosch soll an der Vollübernahme von BSH interessiert sein, um künftig alleiniger Eigentümer des Hausgeräteherstellers zu sein, zögert aber offenbar noch.
M&A-Deal um BSH: Konditionen und Markennutzung strittig
Ein Grund für das Zögern von BSH dürfte der Preis sein: Dieser M&A-Deal soll eine Größenordnung von mindestens 5 Milliarden Euro haben. Angesichts der strategischen Bedeutung für den Bosch-Konzern dürfte Siemens zudem noch einen beträchtlichen Aufschlag verlangen. Eine weitere Hürde ist die Nutzung der Markenrechte, denn BSH verkauft die Hausgeräte bislang unter den beiden Namen Bosch und Siemens.
Die Akquisitionsfinanzierung dieses möglichen Mega-Deals sollte hingegen für Bosch weniger problematisch sein. Stefan Asenkerschbaumer, CFO des Stuttgarter Automobilzulieferers, kann auf eine bilanzielle Liquidität von 13,2 Milliarden Euro zurückgreifen. Die Eigenkapitalquote beträgt 50 Prozent. Hinzu kommt, dass die Stuttgarter bereits mehrfach angekündigt haben, auch größere Zukäufe realisieren zu wollen, wenn die Targets zur Bosch-Strategie passen.
Der BSH-Anteil von Siemens ist für die Stuttgarter interessant, um die Schwankungen des stark zyklischen Automobilgeschäfts auszutarieren. Zudem wird Bosch stark mit Gebrauchsgütern wie Waschmaschinen, Geschirrspülern, Kühlschränken und Tiefkühltruhen identifiziert.
Um die schleppenden Verhandlungen mit Bosch voranzutreiben, soll Siemens-Chef Kaeser nun auch den südkoreanischen Konzern Samsung als möglichen weiteren Kaufinteressenten ins Spiel gebracht haben. Weder Siemens, noch Bosch wollten sich dem Bericht zufolge dazu äußern. Bei BSH war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.
Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) auf Wachstumskurs
Sollte sich Siemens tatsächlich von seinem Anteil an BSH trennen, würde eine jahrzehntelange, erfolgreiche Partnerschaft ein jähes Ende finden. Die Zusammenarbeit der beiden Großkonzerne besteht schon seit 1967.
Der Hausgerätehersteller BSH ist auf Wachstumskurs. Im vergangenen Jahr konnte das Münchener Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und Bosch seinen Umsatz um 7,2 Prozent auf rund 10,5 Milliarden Euro steigern. Das EBIT lag bei 509 Millionen Euro. Die größten Wachstumsmärkte für BSH sind China und Nordamerika. Der Umsatz in China, wo BSH immer wieder auch durch innovative Finanzierungen auf sich aufmerksam macht, wuchs im vergangenen Jahr allein um 25 Prozent auf über 1,5 Milliarden Euro, in Nordamerika erhöhte sich der Umsatz um 18 Prozent.
Und so soll es weitergehen: Anfang April hatte der seit vergangenen Sommer amtierende BSH-CEO Karsten Ottenberg angekündigt, dass sich der Umsatz des Hausgeräteherstellers binnen zehn Jahre auf 20 Milliarden Euro verdoppeln soll.
Dass BSH auf soliden Beinen steht, kommentiert auch Standard and Poor’s. Die Ratingagentur bestätigte im Oktober vergangenen Jahres das langfristige Rating der BSH bei A sowie das kurzfristige Rating bei A-1 und bewertete den Ausblick aufgrund von hohen und stabilen operativen Ergebnissen und Cashflows mit stabil.
Trotz dieser Erfolgsgeschichte des Hausgeräteherstellers fügen sich die Verkaufspläne für BSH in die neue Siemens-Strategie. Siemens-CEO Joe Kaeser will den Industrie- und Technologiekonzern tiefgreifend umbauen und sich künftig auf die Wachstumsfelder Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung konzentrieren. Hausgeräte, wie sie BSH produziert und vertreibt, gehören dann nicht mehr zum Kerngeschäft.
Sabine Paulus ist seit 2008 Redakteurin beim Fachmagazin FINANCE und der Online-Publikation DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Personal, Organisation, Karriere und Finanzierung. Sie ist M.A. und hat an der Universität Konstanz unter anderem das Hauptfach Deutsche Literatur studiert.