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SAP wagt teuersten Zukauf der Firmengeschichte

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SAP kontert die Mulesoft-Übernahme durch Salesforce mit einem Angebot für das US-Softwarehaus Qualtrics.
SAP

Nach der 2,4 Milliarden Dollar schweren Akquisition des US-Softwarespezialisten Callidus im Januar hatte SAP-Chef Bill McDermott noch angekündigt, bis auf weiteres nur noch kleinere Zukäufe in Erwägung zu ziehen. Seit gestern gilt dieses Statement nicht mehr. Kurz vor Mitternacht gab SAP bekannt, für 8 Milliarden Dollar (7 Milliarden Euro) das US-Softwarehaus Qualtrics übernehmen zu wollen.

Qualtrics ist ein Spezialist für „Experience Management“-Software. Diese soll Unternehmen dabei helfen, die Erfahrungen, die Kunden und Mitarbeiter mit den Produkten des Unternehmens machen, präzise zu messen. Diese Daten überträgt die Qualtrics-Software anschließend in Handlungsempfehlungen für einen effizienteren Vertrieb. Bis gestern verfolgte Qualtrics noch den Plan, in Kürze an die Börse zu gehen.

Nettoschulden von SAP verdreifachen sich

Dem geplanten IPO ist SAP mit seinem Übernahmeangebot nun zuvorgekommen. Den kompletten Kaufpreis von 7 Milliarden Euro will SAP-CFO Luka Mucic zunächst über eine bereits arrangierte Kreditlinie aufbringen. Später sollen Teile des Kredits dann über Anleihen refinanziert werden. Damit dürften sich die Nettoschulden von SAP bei Abschluss der Übernahme – geplant für Mitte 2019 – der 10-Milliarden-Euro-Marke nähern. Aktuell liegen sie bei knapp 3 Milliarden Euro.

Gemessen in Euro ist Qualtrics der größte Zukauf in SAPs Unternehmensgeschichte. In Dollar gerechnet, hatte der Dax-Konzern für Concur im Jahr 2014 jedoch eine noch höhere Summe bezahlt: 8,3 Milliarden Dollar. 

Nach Ansicht der Analysten von Mainfirst ist Qualtrics der teuerste Deal, den SAP je gewagt hat. Selbst wenn Qualtrics das eigene Wachstumsziel von 40 Prozent im Jahr tatsächlich nachhaltig liefern könne, wäre der Deal noch immer teurer als die Zukäufe der Cloud-Spezialisten Concur, Success Factors und Ariba. Der Deal sei „sehr kostspielig“, der Kaufpreis „enorm hoch“, warnt Mainfirst. Die Investmentbank Bernstein schreibt, dass „mit einem solch großen Zukauf nicht zu rechnen gewesen“ sei. 

„Die Akquisition ist sehr kostspielig, der Kaufpreis enorm hoch.“

Einschätzung der Investmentbank Mainfirst

SAP lobt Finanzkraft von Qualtrics

SAP führt verschiedene Argumente ins Feld, um zu begründen, weshalb Qualtrics, das in diesem Jahr gerade einmal 400 Millionen Dollar erlösen will, mit 20x Umsatz nicht zu teuer bewertet ist. Der Dax-Konzern argumentiert zum einen finanziell: Qualtrics erwirtschafte „starke Cashflows“ und „wachsende Margen“. Aktuell beträgt die Marge beim operativen Cashflow 15 Prozent, beim freien Cashflow 9 Prozent. Schon bei der Firmengründung im Jahr 2002 sei Qualtrics Free-Cashflow-positiv gewesen, betont SAP.

Zum anderen böten sich große Synergiepotentiale, die auch verschiedene Analysten in ihren ersten Statements bereits anerkannt haben. Aktuell erwirtschaftet die künftige US-Tochter von SAP erst 22 Prozent ihrer Umsätze mit Nicht-US-Kunden. Die Walldorfer glauben daher, Qualtrics Go-to-Market-Strategie durch die Integration in das globale SAP-Vertriebsnetzwerk massiv beschleunigen zu können. Insgesamt beschäftigt SAP im globalen Vertrieb rund 15.000 Mitarbeiter.

SAP reagiert auf Salesforce-Mulesoft-Deal

Tatsächlich dürften es aber eher defensiv-strategische Motive gewesen sein, die SAP zu diesem überraschenden M&A-Schritt getrieben haben. Im Frühjahr hatte Salesforce, Weltmarktführer bei cloudbasierter Unternehmenssoftware, ein Angebot über 6,5 Milliarden Dollar für Mulesoft vorgelegt. 

Dieser Deal schlug in der Tech-Szene hohe Wellen. Wie auch Qualtrics zählt Mulesoft zu den Pionieren des Experience-Management-Marktes, der nach Angaben von SAP ein globales Marktpotential von 44 Milliarden Dollar aufweisen soll.

Mulesoft und Qualtrics sind von praktisch identischer Größe, beide erwirtschafteten im Jahr 2017 knapp 300 Millionen Dollar Umsatz. Die Übernahme durch Salesforce hat SAP unter Druck gesetzt, dieses stark wachsende Feld nicht dem Rivalen zu überlassen.

FINANCE-Köpfe

Luka Mucic, SAP AG

Luka Mucic startet seine berufliche Laufbahn 1996 bei SAP in der Rechtsabteilung, wo er sich auf den Bereich des Wirtschaftsrechts konzentriert. Es folgen Stationen in Führungspositionen innerhalb des Vorstandsbereichs Global Finance and Administration. Er übernimmt die Verantwortung für M&A sowie die Leitung des Bereichs Global Risk Management und der Rechtsabteilung von SAP Markets Europe.

Von 2008 bis 2012 ist Mucic CFO der DACH-Region und von SAP Deutschland. Im Juli 2013 rückt er als Head of Global Finance in das SAP Global Managing Board auf. Im Juli 2014 wird er als Nachfolger von Werner Brandt  CFO des SAP-Konzerns. Zusätzlich übernimmt Mucic die Rolle des Chief Operating Officers. Mitte April 2020 gibt der Dax-Konzern die Vertragsverlängerung mit Mucic um weitere fünf Jahre bis Ende März 2026 bekannt.

zum Profil

Zwar erzielt SAP mit zuletzt 19,5 Milliarden Euro fast doppelt so viel Software-Umsatz wie der erst 1999 gegründete Rivale, der lediglich auf 9 Milliarden Euro kommt. Bei den stark wachsenden Cloud-Umsätzen liegt Salesforce mit zuletzt 9,7 Milliarden Dollar jedoch weit vorne. SAP will im Cloud-Bereich in diesem Jahr von 3,8 auf 5,2 Milliarden Euro wachsen. 2020 sollen dann 8,2 bis 8,7 Milliarden Euro zu Buche stehen.

SAP-Chef McDermott bezeichnete das Angebot für Qualtrics gegenüber Investoren am heutigen Morgen als einen „mutigen Schritt“. Er hätte „niemals gedacht, dass wir Qualtrics bekommen könnten“. Die Investoren reagieren skeptisch: Die SAP-Aktie fällt am heutigen Vormittag um rund 5 Prozent.

Info

Erfahren Sie mehr über den Kopf hinter dem Deal und seiner Finanzierung im FINANCE-Köpfe-Profil des SAP-CFOs Luka Mucic.

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