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Übernahmegerüchte um Klöckner & Co

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Sollte ThyssenKrupp den Stahlhändlers Klöckner & Co übernehmen, stehen hohe Synergien in Aussicht.
Klöckner & Co.

Einem Bericht des „Handelsblatts“ zufolge befindet sich ThyssenKrupp in Übernahmegesprächen mit Klöckner & Co. Der Stahl- und Werkstoffhändler aus Duisburg erzielt einen Umsatz von rund 6,8 Milliarden Euro, die Handelssparte von ThyssenKrupp doppelt so viel. Eine Fusion würde den mit Abstand größten Werkstoffhändler in Europa und Nordamerika schaffen. Weder gegenüber dem Handelsblatt noch gegenüber FINANCE wollten ThyssenKrupp und Klöckner & Co die Gerüchte kommentieren.

Beide Unternehmen würden theoretisch gut zusammenpassen, laut Handelsblatt winken Synergien von über 100 Millionen Euro im Jahr. Tatsächlich hatte in der Vergangenheit Klöckner auch schon seinerseits Interesse an der Thyssen-Sparte signalisiert. Damals sah es allerdings noch so aus, als würde sich ThyssenKrupp auf seine Industriesparte konzentrieren und die Stahlgeschäfte zur Disposition stellen.

Klöckner-Kauf hätte Folgen für Aufzugs-Deal

Der Preissturz am Stahlmarkt hat aber beide Unternehmen am Kapitalmarkt zuletzt viel Substanz gekostet, beide Aktien haben sich auf Zwölf-Monats-Sicht halbiert. Für einen möglichen Deal ist das eine Hypothek.

Zum einen steht ThyssenKrupp finanziell mit dem Rücken zur Wand. Eine Übernahme von Klöckner & Co wäre aus eigener Kraft nur schwer zu stemmen. Der Stahlhändler hat Nettofinanzverbindlichkeiten von 684 Millionen Euro und Pensionsrückstellungen von 288 Millionen Euro. Der Börsenwert beträgt – inklusive des heutigen Kurssprungs von 15 Prozent – 560 Millionen Euro. Damit müsste Thyssen-Chef Guido Kerkhoff schon jetzt – ohne Übernahmeprämie – für Klöckner & Co einen Unternehmenswert von über 1,5 Milliarden Euro bezahlen.

FINANCE-Köpfe

Guido Kerkhoff, Klöckner & Co SE

Von 1995 bis 1996 arbeitet Kerkhoff im Bereich Konzernbilanzierung bei dem Energieversorger Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen (VEW). Von 1996 bis 2002 ist er bei Bertelsmann tätig, zuletzt im Bereich Konzernrechnungswesen/-controlling und leitet dort die Abteilung für Projekte und Grundsatzfragen.

Im Jahr 2002 wechselt Kerkhoff zur Deutschen Telekom, wo er verschiedene Führungspositionen im Finanzbereich inne hat. Von 2006 bis 2011 verantwortet er als Zentralbereichsleiter das Konzernrechnungswesen und Konzerncontrolling. 2009 steigt er in den Vorstand der Telekom auf, wo er zunächst die Regionen Süd- und Osteuropa betreut, ab 2010 dann das gesamte Europa.

Seit April 2011 ist Kerkhoff Vorstandsmitglied und CFO bei ThyssenKrupp. Im Mai 2015 hat der Manager seinen Vertrag um fünf weitere Jahre bis 2021 verlängert. Im Juli 2018 springt er nach dem Rückzug von ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger als Interims-Chef ein. Ende September wird ihm die CEO-Position dann dauerhaft übertragen.

Ein Jahr später beenden Aufsichtsrat und Kerkhoff die Zusammenarbeit einvernehmlich. Aufsichtsrätin Martina Merz übernimmt bei den Essenern. Nach wenigen Monaten, im Juli 2020, wird bekannt, dass Guido Kerkhoff die Nachfolge des Klöckner-CEOs Gisbert Rühl antreten soll. Dafür wird Kerkhoff bereits ab September 2020 als stellvertretender Vorstandsvorsitzender in den Vorstand des Stahlunternehmens berufen. Den CEO-Posten wird er ab Mai 2021 übernehmen.

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Machbar wäre das, wenn es dem Ex-CFO gelänge, zügig einen Anteil an der Aufzugssparte zu verkaufen, deren Wert auf 14 Milliarden Euro geschätzt wird. Sowohl Strategen als auch Finanzinvestoren zeigen großes Interesse an diesem letzten verbliebenen Kronjuwel des strauchelnden Dax-Konzerns. Auch ein Börsengang der Sparte steht im Raum.

Will Kerkhoff aber zur gleichen Zeit auch noch zukaufen, dürften die hohen Transaktionsrisiken, die es bei einem Börsengang oder dem Verkauf an einen Wettbewerber gäbe, gegen diese beiden Varianten sprechen. Private-Equity-Häuser – fast allen namhaften wird Interesse nachgesagt – könnten hingegen hohe Transaktionssicherheit bieten und eventuell sogar dazu bereit sein, zunächst einmal nur einen Minderheitsanteil zu übernehmen. Um einen Kauf von Klöckner & Co zu finanzieren, dürfte auch das genügend Mittel in die Konzernkasse spülen.

Klöckner & Co treibt Digitalisierung voran

Doch fraglich ist, ob das nur 20 Kilometer Luftlinie entfernte Übernahmeziel tatsächlich so leicht zu bekommen wäre. Dies liegt an Friedhelm Loh: Der Unternehmer ist der größte Aktionär von Klöckner & Co und hält fast 29 Prozent, eingekauft zu Kursen von weit über 10 Euro. Noch im vergangenen Herbst kaufte er über Monate hinweg stetig hinzu und baute seinen Anteil weiter aus. Damals lag die Klöckner-Aktie bei knapp 9 Euro.

In den vergangenen Wochen hingegen sank sie auf Rekordtiefs von kaum noch mehr als 4 Euro, das angebliche Übernahmeinteresse treibt sie heute Morgen aber wieder hinauf auf rund 5,50 Euro. Loh ist ein langfristig orientierter Investor, der hinter der ungewöhnlichen Strategie von Klöckner-Chef Gisbert Rühl steht. Rühl hat Klöckner & Co zum Vorreiter in Sachen Digitalisierung in der Stahlindustrie gemacht. Inzwischen erwirtschaftet das Traditionsunternehmen schon 29 Prozent seiner Erlöse digital. Bis 2022 sollen es sogar 60 Prozent werden.

Diese Strategie hat das Potential, das Finanzprofil des Stahlhändlers deutlich zu verbessern, wie der damalige CFO Marcus Ketter im vergangenen Jahr in einem Interview mit FINANCE-TV erklärte: Die Digitalisierung der Logistik könne die Margen erhöhen und Working Capital freisetzen, die offene Handelsplattform XOM, die Klöckner gerade aufbaut, sogar „ein richtig großes Ding“ werden. Derzeit arbeitet Klöckner an einer Finanzierungsrunde für diese Tochter mit externen Investoren, deren Eckdaten einen ersten Hinweis auf das Wertpotential von XOM geben könnten.

Wäre Friedhelm Loh wirklich verkaufsbereit?

Ob Loh wirklich dazu bereit ist, trotz dieser Chancen in der Nähe der Rekordtiefs seine Anteile an ThyssenKrupp abzugeben? Derzeit liegt der Börsenwert von Klöckner & Co sogar unterhalb des ausgewiesenen Nettoumlaufvermögens, sprich: Das Lager ist mehr wert als das ganze Unternehmen.

Das Handelsblatt schreibt zwar unter Berufung auf das Umfeld der beiden Konzerne, das Fusionsprojekt sei „sehr konkret“ und habe „gute Chancen, umgesetzt zu werden“. Aber Kerkhoff müsste dem Bericht zufolge knapp 800 Millionen Euro bezahlen, um den Deal in trockene Tücher zu bringen. Dies entspräche einem Preis von rund 8 Euro je Aktie von Klöckner & Co – eine satte Prämie, aber immer noch deutlich weniger, als Loh für sein Paket bezahlt hat.

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