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Certares übernimmt Reisekonzern FTI für 1 Euro

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Certares erwirbt FTI Touristik für 1 Euro und will 125 Millionen Euro in die Digitalisierung investieren. Foto: Ralf - stock.adobe.com
Certares erwirbt FTI Touristik für 1 Euro und will 125 Millionen Euro in die Digitalisierung investieren. Foto: Ralf - stock.adobe.com

Ist das die Rettung für die angeschlagenen FTI Group? Ein Konsortium um den US-Finanzinvestor Certares wird den kriselnden Touristikkonzern übernehmen. Der Kaufpreis beträgt laut FTI 1 Euro. Das Konsortium erhält für den symbolischen Kaufbetrag 100 Prozent der Gesellschafteranteile aller bestehender Shareholder und wird das Unternehmen künftig steuern.

FTI soll darüber hinaus frisches Kapital in Höhe von 125 Millionen Euro erhalten, mit dem der drittgrößte deutsche Reiseveranstalter die digitale Transformation finanzieren will, wie es nach eigenen Angaben heißt. Die derzeitigen Anteilseigner werden laut FTI weitere finanzielle Unterstützung leisten. Hauptgesellschafter ist die ägyptische Milliardärsfamilie Sawiris mit einem derzeitigen Firmenanteil von 75,1 Prozent.

„Mit der Unterstützung von Certares und seiner umfangreichen Erfahrung auf diesem Sektor sowie dem vom Konsortium bereitgestellten Kapital ist FTI in einer einzigartigen Position für zukünftiges Wachstum und Rentabilität, die allen Stakeholdern zugutekommt“, lässt sich CEO Karl Markgraf in einer Pressemitteilung zitieren.

Certares soll Schulden übernehmen

FTI ist seit Monaten auf der Suche nach einem Investor. Während der Corona-Pandemie war der Touristik-Konzern schwer unter die Räder gekommen. Im Geschäftsjahr 2021/2022 verzeichnete FTI bei einem Umsatz von knapp 3,8 Milliarden Euro einen Verlust von 91 Millionen Euro. Im Jahr zuvor lag der Umsatz bei 1,6 Milliarden Euro, der Verlust betrug 124,1 Millionen Euro. Für das laufende Jahr erwartet FTI immerhin zweistellige Steigerungsraten bei Umsatz und Gewinn.  

FTI musste vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit rund 603 Millionen Euro gestützt werden. Dazu kommt noch ein Darlehen der Hausbank in Höhe von 280 Millionen Euro, für das der Bund und der Freistaat Bayern bürgt. Im Februar hatte FTI mitgeteilt, dass die Schulden beim WSF durch eine außerordentliche Tilgung bereits verringert worden seien. Um wie viel, wollte das Unternehmen gegenüber FINANCE nicht mitteilen. Im März hatte das Unternehmen angekündigt, dass der neue Investor – der damals noch nicht bekannt war – die Finanzverbindlichkeiten übernehmen wird.

Konsequenzen des Deals sind noch unklar

Ob der Deal zu personellen Veränderungen im Vorstand führen wird, ist unklar. FTI ließ eine entsprechende Anfrage von FINANCE unbeantwortet. Auch was Certares mit FTI vor hat, ist noch unbekannt. Eine FINANCE-Anfrage blieb bislang unbeantwortet. Die FTI Group besteht aus rund 120 einzelnen Gesellschaften und beschäftigt rund 11.000 Menschen. Certares wurde 2012 gegründet und ist auf die Reise- und Hospitality-Branche spezialisiert. Das verwaltete Vermögen betrug zuletzt rund 10 Milliarden Euro.

Vergangenen März geriet FTI in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass FTI von Deutschlands größter Reisebürokette Raiffeisen Tours Kooperation (RTK) jahrelang Umsatzzahlen von Konkurrenten und Reisebüros zugespielt bekam. Die Daten nutzte FTI für Vertriebsoffensiven zulasten der Konkurrenz. Das „Handelsblatt“ hatte seinerzeit zuerst darüber berichtet. Der damalige CEO Ralph Schiller und Aufsichtsratschef Wolfgang Altmüller mussten daraufhin gehen. Der damalige CIO Karl Markgraf rückte an die Vorstandsspitze.

Falk Sinß ist Redakteur bei FINANCE. Er hat Soziologie, Politologie und Neuere und Mittlere Geschichte in Frankfurt am Main sowie in Mainz Journalismus studiert, wo er auch einen Lehrauftrag inne hatte. Vor seiner Zeit bei FINANCE war Falk Sinß drei Jahre Redakteur der Zeitschrift Versicherungswirtschaft und zehn Jahre für verschiedene Medien des Universum Verlags tätig.