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Coronakrise: Drei Gefahren für den M&A-Markt

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Der Höhenflug am M&A-Markt ist vorbei, die Dealvolumina sanken im ersten Quartal drastisch. Schuld daran ist vor allem die Coronakrise.
Peshkova/iStock/Getty Images

Der Höhenflug am M&A-Markt ist vorbei: Wegen der durch das Coronavirus ausgelösten Krise sind Transaktionen  in den vergangenen Wochen nahezu eingefroren. Wie Zahlen des Datenanbieters Refinitiv zeigen, fiel das Volumen der weltweiten Fusionen und Übernahmen im ersten Quartal 2020 um 28 Prozent und erreichte mit 698 Milliarden Dollar (umgerechnet 643 Milliarden Euro) den niedrigsten Wert seit dem ersten Quartal 2016. Ein ähnliches Bild dürfte sich auch am deutschen M&A-Markt abzeichnen – und ein Ende des Abwärtstrends ist noch nicht in Sicht.

„In der aktuellen Situation verlieren langfristige strategische Themen wie M&A an Relevanz“, bestätigt auch Lutz Becker, Vorstandsmitglied der M&A-Beratung Oaklins. Der Fokus der meisten Unternehmen liege jetzt eher auf dringend notwendigen Liquiditätsmaßnahmen, und auch Banken hätten aktuell mehr damit zu tun, Hilfskredite zu bearbeiten als Akquisitionsfinanzierungen zu stemmen.

Gefahr Nummer 1: Kaufpreise werden nachverhandelt

Der Einbruch des Transaktionsvolumens ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Darunter verbergen sich zahlreiche Gefahren für den M&A-Markt – ausgelöst durch die Coronakrise. Gefahr Nummer Eins: Käufer werden in der aktuellen Krisensituation sehr häufig versuchen, Vertragsdetails nachzuverhandeln. Ganz weit vorne dabei: Nachverhandlungen beim Kaufpreis. 

„Die Coronakrise weckt neue Begehrlichkeiten“, beobachtet DLA Piper-Rechtsanwalt Nils Krause. „Käufer fragen sich zum Beispiel: ‚Wie weit kann ich den Kaufpreis jetzt noch drücken?‘“ Das gefährdet vor allem die Verkäuferseite, wenn sie den kompletten Kaufpreis möglicherweise schon im Budget verplant hat.

„Käufer fragen sich: Wie weit kann ich den Kaufpreis noch drücken?“

Nils Krause, Rechtsanwalt bei DLA Piper

Nachverhandlungen beim Kaufpreis können aber ihre Berechtigung haben, findet M&A-Berater Lutz Becker: „Je nachdem, wie stark das Geschäftsmodell des Targets von Corona infiziert ist, sind Nachverhandlungen beim Kaufpreis nicht nur gerechtfertigt, sondern aus Käufersicht sogar notwendig.“ Variable Komponenten, die Verzögerung der Zahlung oder gar eine Reduktion des Kaufpreises seien daher aktuell möglich, so Becker.

Käufer sitzen in der Coronakrise am längeren Hebel

Doch warum sollte ein Verkäufer im Zuge des M&A-Deals überhaupt in erneute Verhandlungen treten? „Dafür gibt es verschiedene Gründe“, meint Rechtsanwalt Nils Krause. „Wenn die Unternehmen langjährige Geschäftspartner sind, mag der Verkäufer gezwungen sein, einen Discount beim Kaufpreis zu gewähren, um so die größere kommerzielle Beziehung nicht zu gefährden.“

Durch die Coronakrise gewinnt das Thema noch einmal mehr an Brisanz: Derzeit geraten beispielsweise viele Zulieferer in Liquiditätsschwierigkeiten oder müssen ein defensiveres Cash Management fahren. „Gerade Unternehmen, die verkaufen wollen oder müssen, nehmen einen Abschlag auf den Transaktionspreis in Kauf, um zumindest diese reduzierte Summe sofort einstreichen zu können“, beobachtet Krause.

Gefahr Nummer 2: Akquisitionsfinanzierungen wackeln

Die zweite Gefahr für den M&A-Markt ist sogar noch gravierender: Wegen der Coronakrise könnten ganze Akquisitionsfinanzierungen scheitern. Prominentes Beispiel: Die Kapitalerhöhung von AMS, die durch den Kursverfall der Aktie zu scheitern drohte. Die Österreicher waren letztlich erfolgreich, doch andere Unternehmen könnten weniger Glück haben. Das Ärgerliche für die Verkäufer: Ein Allheilmittel gegen den Zahlungsausfall eines Käufers gibt es nicht. 

„Natürlich gibt es Sicherheiten, wie etwa Bankgarantien oder Versicherungsinstrumente, aber die haben auch ihren Preis“, weiß Nils Krause. „Wenn man die Kreditwürdigkeit des Käufers so stark in Zweifel zieht, dass man über derartige kostspielige Versicherungen nachdenkt, ist er vielleicht auch nicht die richtige Vertragspartei für den Deal“, rät der Rechtsanwalt daher.

Gefahr Nummer 3: Ein Vertragspartner steigt aus

Und es lauert noch eine weitere Gefahr für M&A-Transaktionen. „Die Volatilität am M&A-Markt ist derzeit besonders hoch, das verunsichert alle Marktteilnehmer. Weil vieles aus dem Homeoffice geregelt werden muss, dauern die Deals zudem länger und rauben mehr Ressourcen“, so Nils Krause. Die Folge: Vertragsparteien könnten aufgrund der Unsicherheiten aus laufenden M&A-Prozessen aussteigen.

Während ein Ausstieg vor der Vertragsunterzeichnung so gut wie jederzeit möglich ist, wird es nach der Unterzeichnung äußerst schwierig. „Nur wenn der Käufer eine zum Rücktritt berechtigende Garantieverletzung oder eine mutwillige Täuschung im Rahmen der Due Diligence nachweisen kann, ist ein Rücktritt nach Vertragsabschluss möglich“, erklärt der Anwalt.

Die meisten echten Rücktritte aus einem M&A-Prozess gibt es nach seiner Beobachtung in der Phase zwischen der Vertragsunterzeichnung (Signing) und dem tatsächlichen Vollzug der Transaktion (Closing). „In der Regel vereinbaren die Parteien ein sogenanntes ‚Long-stop-date‘, also eine Frist, bis zu der alle Voraussetzungen für den Dealvollzug erfüllt sein müssen“, weiß Krause. Würden nicht alle Voraussetzungen erfüllt, gelte ein Rücktrittsrecht. Von diesem würden Unternehmen angesichts der Coronakrise auch Gebrauch machen, schätzt der Anwalt.

Wie schnell erholt sich der M&A-Markt?

Trotz der vielen Gefahren bleiben die M&A-Experten optimistisch. „Die Coronakrise mit ihrer bedeutenden Tragweite wird nicht in ein paar Wochen vergessen sein. Aber der M&A-Markt dürfte sich dennoch recht schnell erholen, sobald die akute Krise vorbei ist“, erwartet M&A-Berater Lutz Becker.

„Der M&A-Markt dürfte sich recht schnell von der akuten Krise erholen.“

Lutz Becker, Vorstandsmitglied bei der M&A-Beratung Oaklins

„Im Moment ist das Leben in vielen Sektoren ‚on hold‘“, sagt auch Rechtsanwalt Nils Krause. Doch auch am M&A-Markt gelte: Verpasste und vertagte Deal-Chancen würden die Unternehmen nach der Coronakrise  nachholen.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über die wichtigsten Transaktionen der Woche lesen Sie auf unserer FINANCE-Themenseite M&A-Deals.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.