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„Ein Vertrauensbruch kann zum Ende der Verhandlungen führen“

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Wer bei M&A-Verhandlungen knallhart bleibt, in den richtigen Situationen aber flexibel reagiert, hat die besten Chancen, die Gespräche für sich zu entscheiden.
Carl Zeiss

Herr Ritter, Carl Zeiss ist das erste Unternehmen in unserer M&A-Interviewserie, hinter dem eine Stiftung steht. Wie unterscheidet sich Ihre M&A-Strategie von der Strategie anderer Konzerne?
Auch bei uns muss M&A als Teil unserer Wachstumsstrategie natürlich einen Beitrag zu unseren Unternehmenszielen leisten. Was uns dabei von anderen Konzernen unterscheidet: Für uns als Stiftungsunternehmen gehört die gesellschaftliche und soziale Verantwortung stets zu den wichtigen Zielen unseres unternehmerischen Handelns.

Aus dem Bestreben, unser Portfolio laufend um marktgestaltende Innovationen zu erweitern, ergibt sich eine weitere Besonderheit unserer M&A-Strategie: Wir tätigen regelmäßig frühphasige Technologie-Investments mit der Option, die eingangs erworbenen Minderheitsanteile zu einem späteren Zeitpunkt aufzustocken.

Wieso das?
Um zu wachsen, müssen wir unser bestehendes Portfolio ständig weiterentwickeln und auch  gezielte Technologie-Akquisitionen tätigen, wenn wir den Bedarf sehen. Dabei helfen uns in der Regel kleine, spezialisierte Firmen, die von den Gründern getrieben werden. Um sie an Bord zu halten, erwerben wir zunächst Minderheiten und stellen Kapital, unter anderem für Forschung und Entwicklung.

Bei Bedarf bringen wir unsere Kompetenzen und unser Experten-Know-how auch in Form von „Sweat Equity“ ein. Damit wir langfristig die Kontrolle über unsere Zukäufe erlangen können, sichern wir uns zum Beispiel durch Call-Optionen die Möglichkeit des Erwerbs der restlichen Anteile.

Eine klare M&A-Agenda – kommen Sie damit bei den Gründern immer problemlos durch?
Man muss sicherlich einen Anreiz bieten, damit die Gründer in der Konzernzugehörigkeit eine Perspektive sehen und motiviert sind, auch nach einer Beteiligung durch Zeiss sowie innerhalb der Konzernstrukturen gemeinsam das volle Potential auszuschöpfen. Deshalb vereinbaren wir gerne Earn-out-Klauseln, die an bestimmte Entwicklungsziele geknüpft sind. Das sorgt auch schon mal für Gesprächsbedarf – vor allem bei der Strukturierung des Kaufpreises.

M&A-Verhandlungen: Die Argumentation muss sitzen

Wie gut müssen Sie Ihre M&A-Verhandlungen vorbereiten, um zum Beispiel beim Thema Kaufpreis Ihre Position durchzusetzen?
Wir bereiten unsere Verhandlungen akribisch vor, die Vorbereitung beginnt in der Regel bereits während der Due-Diligence-Phase. Nach der Prüfung des Targets haben wir einen umfassenden Informationsstand, können Chancen des Deals gut einschätzen und potentielle Risiken bei der Ermittlung des Kaufpreises sowie im Rahmen der Verhandlungen der Vertragsdokumente adressieren. Zugleich haben wir noch genügend zeitlichen Spielraum, bis die Gespräche starten. Die Planung der Verhandlungen kann bei uns schon mal ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen.

Wie planen Sie die Verhandlungen mit Ihrem Team?
Das Verhandlungsteam muss ein gemeinsames und umfassendes Verständnis vom strategischen Rational der Transaktion haben. Das beugt Irritationen bei den Verhandlungspartnern vor. Deshalb besprechen wir zunächst die inhaltlichen Ziele des M&A-Deals. Danach beantworten wir Fragen wie: Welche Vertragsdetails sind essentiell für unsere Ziele? Was sind mögliche Dealbreaker und wo haben wir etwas Verhandlungsspielraum? Auf diese Weise nähern wir uns einem gemeinsamen Nenner – unserer Verhandlungsposition.

Wie gehen Sie weiter vor, nachdem Sie Ihre Verhandlungsposition definiert haben?
Nachdem wir uns intern abgestimmt haben, legen wir fest, wie wir unserem Verhandlungspartner gegenübertreten und welche Strategie wir verfolgen möchten. Dafür versetzen wir uns in die Lage unseres Gegenüber und versuchen, ein umfassendes Verständnis für seine möglichen Ziele und Präferenzen zu erlangen. Daraufhin entwickeln wir Thesen zu verschiedenen Aspekten, wie etwa möglichen Dealbreakern des Verhandlungspartners. Wir überlegen uns auch im Vorfeld, wie wir auf mögliche Forderungen oder Absagen des Verhandlungspartners reagieren werden. Die konkrete Strategie wird letztlich auch durch die Art der Transaktion und den Gesprächspartner bestimmt.

So wahrt Carl Zeiss die Balance bei M&A-Verhandlungen

Wie gelingt es Ihnen, trotz dieser genauen Planung Ihre Flexibilität am Verhandlungstisch zu wahren?
Flexibilität erhalten wir dadurch, dass wir im Team festhalten, wo wir gegebenenfalls offen für Kompromisse sind, die den strategischen Nutzen der Deals nicht gefährden. Weiteren Spielraum bekommen wir durch das Einplanen mehrerer Verhandlungsrunden. Nach jeder Runde können wir uns zurückziehen und haben die Möglichkeit, den Status Quo zu evaluieren.

Was machen Sie, wenn die Verhandlungen mal ins Stocken geraten?
Dann müssen wir bewerten, ob „Show-Stoppers“ vorliegen oder ob eine Rekalibrierung notwendig ist. Oftmals ist die Sichtweise und Einbindung von weiteren Personen sinnvoll, die einen frischen Blick und alternative Lösungsansätze beisteuern können. Das muss nicht zwingend die oberste Führungsebene sein, aber wenn man eine gewisse Entscheidungsmacht am (virtuellen) Verhandlungstisch sitzen hat, kann man im Gespräch flexibler und spontaner reagieren.

Info

Carl Zeiss ist ein Technologieunternehmen der optischen und optoelektronischen Industrie. In den vier Sparten Semiconductor Manufacturing Technology, Industrial Quality & Research, Medical Technology und Consumer Markets erwirtschaftete der Konzern im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 6,4 Milliarden Euro. Das 1846 in Jena gegründeten Unternehmen hat seinen Hauptsitz im baden-württembergischen Oberkochen und beschäftigt über 31.000 Mitarbeiter weltweit. Alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG ist die Carl-Zeiss-Stiftung.

Wenn man nur Entscheidungsträger in die Verhandlungen schickt, kann das die Gegenseite aber auch mal schnell verunsichern – und sie macht dicht.
Das ist richtig. Deshalb ist es wichtig, bei der Verhandlung die Balance zu wahren. Das fängt damit an, dass man nicht mit einer riesigen Entourage antritt, während auf der Gegenseite nur eine Person oder ein kleines Gründerteam sitzt. In der Regel nehmen aus unserem Haus ein bis zwei Anwälte, der relevante Business Owner, der die Transaktion aus der operativen Sparte heraus verantwortet, sowie ein M&A-Verantwortlicher teil. Mit diesem Team sind wir bislang sowohl taktisch als auch inhaltlich gut gefahren.

Vertrauen ist A und O bei M&A-Verhandlungen

Wie führen Sie dann die Verhandlungen vor Ort?
Der M&A-Projektleiter geht typischerweise prozessseitig in den Lead, geht die offenen Diskussionspunkte durch und fungiert auch als „Empfänger“ für die Gegenseite. Das heißt, der M&A-Projektleiter stimmt auch mit den Anwälten und dem Business Owner ab, was nochmal konzernintern abgesegnet werden muss, und wofür wir kein zusätzliches Mandat brauchen. Wichtig ist, dass der Verhandlungsführer sich nicht in Details verliert und stets die strategischen Ziele der Akquisition im Blick hat. Ein gesundes Augenmaß ist hierbei wichtig.

Was ist aus Ihrer Sicht das absolute No-Go bei M&A-Verhandlungen?
Wenn der Verhandlungspartner entscheidende Informationen zurückhält oder das grundsätzliche Vertrauen fehlt – das kann auch kein noch so gut ausgetüfteltes M&A-Vertragswerk auffangen. Vertrauen ist für uns aber besonders wichtig, weil wir es oftmals mit Gründern zu tun haben, die das Geschäft auch nach einer Beteiligung oder Übernahme langfristig vorantreiben. Ein Vertrauensbruch kann daher im schlimmsten Fall zum Abbruch der Verhandlungen führen.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

„Fehlendes Vertrauen kann kein noch so gut ausgetüfteltes M&A-Vertragswerk auffangen. “

Daniel Ritter, M&A-Chef bei Carl Zeiss

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.