Das Thema ESG ist schon längst kein Hype mehr, sondern ein relevantes Thema, das mittlerweile auch in der M&A-Community angekommen ist. Doch wenn es um die konkrete Auseinandersetzung mit den Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung geht, sind viele M&A-Profis noch zwiegespalten. Das zeigt das neue FINANCE M&A Panel, für das FINANCE gemeinsam mit der Wirtschaftskanzlei CMS leitende Mitarbeiter aus den M&A-Abteilungen deutscher Unternehmen sowie Investmentbanker und M&A-Berater anonym zu ihrer Markteinschätzung befragt hat.
Demnach verneinen fast zwei Drittel der Befragten die These, dass ESG nur ein Hype ist, der in geraumer Zeit wieder abflachen wird. Lediglich knapp 7 Prozent bejahen diese These, rund ein Drittel ist noch unentschlossen, welche Richtung das Thema Nachhaltigkeit am M&A-Markt einschlagen wird. Auch die These, dass ESG-Kriterien derzeit bei M&A-Deals keine Rolle spielen, hält mit knapp zwei Dritteln der Großteil der befragten M&A-Profis für falsch. Rund 7 Prozent ist hingegen der Überzeugung, dass ESG und Co. noch keine Rolle bei M&A-Transaktionen spielen. Knapp ein Drittel ist sich noch unsicher.
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Bitte einloggenESG-Risiken können Dealbreaker sein
ESG ist also keine reine Modeerscheinung, darüber sind sich die M&A-Profis größtenteils einig. Welcher der drei ESG-Faktoren hingegen am relevantesten ist, lässt sich aus den Ergebnissen des FINANCE M&A Panels nicht glasklar herauslesen. Mit 7,55 von 10 Punkten sind den M&A-Experten zwar Umweltfaktoren bei M&A-Deals am wichtigsten, danach folgt aber auch schon eine gute Unternehmensführung mit 7,21 Punkten. Schlusslicht in der Bewertung sind soziale Faktoren mit 6,83 Punkten.
Einzug gehalten hat das Thema ESG zum Beispiel in Form einer ESG Due Diligence: Fast zwei Drittel der Befragten setzen bereits auf eine eigenständige ESG Due Diligence. Lediglich 14 Prozent machen noch eine konventionelle Due Diligence ohne ESG-Komponente, etwas mehr als 20 Prozent sind sich unsicher oder haben keine Angaben gemacht.
Dass Umweltrisiken geprüft werden – ob nun im Rahmen einer dedizierten ESG Due Diligence oder etwa bei einer Commercial Due Diligence –, ist aus Sicht der Befragten auch notwendig: Fast drei Viertel der Befragten sind der Überzeugung, dass ESG-Risiken potentielle Dealbreaker sein können. Nur jeder zehnte Befragte glaubt, ESG-Risiken könnten kein Dealbreaker sein. Knapp 14 Prozent haben keine Angabe gemacht.
Trotzdem spielt das Thema ESG nach wie vor eine untergeordnete Rolle bei den M&A-Projekten der Befragten. So geben beispielsweise nur rund 17 Prozent an, M&A-Transaktionen gezielt dafür zu nutzen, um die eigene ESG-Expertise zu verstärken oder sich nachhaltiger aufzustellen. Jeweils rund 38 Prozent hingegen verneinen diese These oder sind unentschlossen.
ESG hat noch keinen starken Einfluss auf Kredite und Multiples
Doch warum gehen die M&A-Experten das Thema ESG so zaghaft an, wenn Green Finance am Kapitalmarkt schon längt ein Muss ist? Zwei mögliche Erklärungen hierfür liefert das FINANCE M&A Panel. Die erste: Die Finanzierung von M&A-Deals ist noch nicht explizit von der ESG-Konformität der Projekte abhängig. Dass Geldgeber wie Banken oder Private-Equity-Investoren bevorzugt ESG-konforme Transaktionen finanzieren, bestätigen erst 28 Prozent der M&A-Professionals. Rund 17 Prozent verneinen diese These, über die Hälfte ist sich unsicher, wie sich ihre Kapitalgeber diesbezüglich verhalten.
Die zweite Erklärung: Das Thema ESG beeinflusst die M&A-Preise noch nicht so stark wie erwartet – weder erzielen ESG-konforme Firmen am M&A-Markt eine höhere Bewertung, noch müssen nicht ESG-konforme Firmen mit einem Bewertungsabschlag rechnen. Dass ESG-Faktoren signifikante Auswirkungen auf den Kaufpreis haben, bestätigt daher auch kaum mehr als jeder zehnte Befragte. Fast 28 Prozent glauben hingegen, dass das Thema ESG (noch) keine erheblichen Auswirkungen auf die M&A-Bewertungen hat. Knapp zwei Drittel sind sich unsicher, inwieweit es die Kaufpreise beeinflusst.
„Ein gutes Standing bei ESG-Kriterien ist für die erfolgreiche Zukunft einer Zielgesellschaft ein wichtiger Faktor.“
Tobias Grau, M&A-Anwalt bei CMS
Solange also für nicht ESG-konforme Projekte Finanzierungen zur Verfügung stehen und ESG-Kriterien noch keinen nachhaltigen Einfluss auf die Kaufpreise haben, besteht für die M&A-Professionals noch nicht die Notwendigkeit, sich mit dem Thema umfangreich auseinanderzusetzen. „ESG ist im Transaktionsmarkt noch ein relativ junges Phänomen“, findet auch der M&A-Anwalt Tobias Grau von CMS. Es setze sich aber die Erkenntnis durch, dass ein gutes Standing bei ESG-Kriterien für die erfolgreiche Zukunft einer Zielgesellschaft ein wichtiger Faktor ist. „Das bedingt eine gründliche Due Diligence – denn ‚Greenwashing‘ reicht nicht aus“, so Grau.
olivia.harder[at]finance-magazin.de
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.