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So verändert der Brexit den M&A-Markt

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In einer Woche tritt Großbritannien offiziell aus der EU aus – das hat auch Folgen für den deutschen M&A-Markt.
egal/iStock/Getty Images

Nur noch sieben Tage wird Großbritannien ein Teil der Europäischen Union sein – dann tritt der Brexit offiziell in Kraft. Durch den Austritt der Briten aus der EU wird sich rechtlich erst einmal nur wenig ändern – auch beim Übernahmerecht. Langfristig zeichnen sich für deutsche Unternehmen jedoch einige gravierende Veränderungen am M&A-Markt ab.

Mehr M&A-Dealflow aus Großbritannien

„Aktuell beobachten wir sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite noch Zurückhaltung, weil keiner der Markteilnehmer genau weiß, wie es nach dem Brexit weiter geht“, beschreibt Rechtsanwalt Stephan Ebner von der Kanzlei von Seelstrang & Partner das aktuelle deutsch-britische Verhältnis. Sobald sich aber eine konkrete „Marschroute“ abzeichne, werde diese Zurückhaltung schwinden. Dann dürfte der Dealflow insbesondere aus Großbritannien nach Deutschland nachhaltig zunehmen, prognostiziert der Anwalt.

Seine These stützt er darauf, dass Deutschland auch nach dem Brexit für die Briten die wichtigste Volkswirtschaft im EU-Binnenmarkt bleiben wird. Und weil britische Unternehmen den Zugang zu diesem Markt umstandslos sichern möchten, würden sie auch verstärkt in Deutschland zukaufen. So könnten sie selbst im Falle eines beachtenswerten Auseinanderdriftens der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihre Vertriebskanäle in Deutschland und damit auch zu den übrigen Mitgliedstaaten aufrechterhalten.

Eine zweite mögliche Veränderung: Mehr Zukäufe mit Bezug zur deutschen Finanzindustrie. Der Grund: Früher hätten Banken und andere Finanzdienstleister aus der ganzen Welt Wettbewerber in der Finanzmetropole London übernommen, um durch den sogenannten „Europäischen Pass“ gewissermaßen eine Banklizenz für den Europäischen Wirtschaftsraum zu erhalten. Das werde bei einem ungeregelten Brexit nicht mehr möglich sein, glaubt Ebner. Neues M&A-Ziel in diesem Kontext könnte Frankfurt werden.

M&A-Spekulation auf geringe Brexit-Schäden

Vorher öffnet sich aber in erster Linie deutschen Käufern ein womöglich interessantes Zeitfenster. „Deutsche Unternehmen, die ein Übernahmeziel in UK im Blick haben, könnten die aktuelle Situation für einen günstigen Zukauf nutzen“, rät Ebner. Sie seien aktuell in einer guten Verhandlungsposition. „Es gibt wenige deutsche Käufer am britischen M&A-Markt. Zudem übersteigt das Angebot die Nachfrage, was  zu einem niedrigeren Preisniveau für Unternehmenskäufe führen kann“, so der Anwalt.

Hinzu kommt: Gerade bei M&A-Targets, die wirtschaftlich nicht in allerbester Verfassung sind, befänden sich deutsche Unternehmen in einer hervorragenden Position und könnten mit dem Verweis auf die Unwägbarkeit Brexit einen niedrigeren Kaufpreis erzielen. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, dass der Brexit die britische Wirtschaft auf lange Sicht keineswegs so hart treffen wird wie regelmäßig behauptet wird.

Als Begründung für diese These verweist Anwalt Ebner auf die Freiheiten, die London bald wieder in seiner Gesetzgebung haben dürfte. Nach dem EU-Austritt könne Großbritannien neue Gesetze möglicherweise völlig unabhängig von den Beschränkungen des Europarechts und daher deutlich schneller auf den Weg bringen als die EU. Die Briten könnten neuen EU-Regelungen wahrscheinlich sogar zuvorkommen. Das könnte mittelfristig Änderungen im Übernahmerecht für ausländische Investoren in Großbritannien einschließen – ein weiteres Argument für ein unternehmerisches Engagement auf dem dortigen Markt unter den noch geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen, so der Anwalt. Großbritannien dürfte schnell wieder zu einem äußerst wichtigen Faktor im europäischen M&A-Markt werden.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

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Weitere Artikel rund um den EU-Austritt von Großbritannien finden Sie auf unserer Themenseite zum Brexit.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.

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