Waren Distressed-Deals eine Nummer zu groß für Zeitfracht?

Zeitfracht hat die Adler Modemärkte nur drei Jahre nach der Übernahme wieder abgestoßen. Der kürzlich vollzogene Verkauf reiht sich ein in eine ganze Reihe an Desinvestitionen, mit denen die Logistikgruppe unter der Regie von Logistik-Holding-Geschäftsführer Wolfram Simon-Schröter ihr vornehmlich durch Distressed-Zukäufe gewachsenes Portfolio bereinigt. Warum kommt die Rolle rückwärts? Was bleibt von Zeitfrachts Adler-Engagement? Rückblick: Im Jahr 2021 hatte Zeitfracht bei der Übernahme der damals insolventen Modehandelskette noch ein längerfristiges Engagement geplant, bestätigt Simon-Schröter im Gespräch mit FINANCE. Zunächst sah die Entwicklung gut aus: Unter der Regie von Zeitfracht war die Adler-Bilanz wieder aufgepäppelt worden, nachdem die gesunde Modekette im Zuge der Corona-Pandemie in eine existentielle Krise gerutscht war. Im jüngsten verfügbaren Adler-Jahresabschluss für 2022 sind Umsätze in der Größenordnung von 265 Millionen Euro ausgewiesen. Der Jahresüberschuss des Modehändlers lag bei knapp 4,3 Millionen und der Bilanzgewinn bei 19,8 Millionen Euro. Die Zahlen aus dem vorherigen Rumpfgeschäftsjahr 2021 mit Insolvenz und Übernahme sind damit nur bedingt vergleichbar. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Adler, wie der gesamte Modeeinzelhandel, unter der Konsumflaute leidet. Für 2024 hat das Adler-Management seine Einkaufsplanung deutlich reduziert und den Warenbestand abgebaut. Für 2024 rechnet Adler mit einem Umsatz zwischen 290 und 310 Millionen Euro – eine Spanne, die eigentlich schon für 2023 angepeilt worden war. Bei Adler soll es jetzt ein Stratege richten Simon-Schröter bezeichnet die Adler-Sanierung, bei der vor allem die bis dahin hohen Kosten für Logistik und fürs Marketing gesenkt worden waren, zwar als „recht erfolgreich”, gibt aber auch zu: „Für den nächsten Entwicklungsschritt – etwa in Richtung Expansion oder neue Marken – braucht Adler einen Eigentümer, der die Branche kennt und Synergien schaffen kann.“ Kurios: Das Heben von Synergien, vor allem im logistischen Bereich, war ein Teil von Zeitfrachts ursprünglicher M&A-Strategie. Doch statt das Unternehmen selbst weiterzuentwickeln, ist Adler jetzt an einen Strategen und ausgewiesenen Modehandelsexperte gegangen: Michael Röther, der kürzlich verstorbene Chef der Röther-Gruppe, hatte den Erwerb über seine R. Eagle Holding noch eingestielt. FINANCE Köpfe Wolfram Simon-Schröter Zeitfracht GmbH & Co. KGaA Mehr lesen Abgekühlte M&A-Ambitionen bei Zeitfracht Mit dem Verkauf der Adler-Kette, die neben dem Buchgroßhändler KNV eins der größeren zugekauften Handelsgeschäfte war, ist jetzt nicht nur Zeitfrachts Ausflug in den Modehandel beendet, sondern auch die nicht aufgegangene Diversifizierungsstrategie endgültig vom Tisch. „Wir trennen uns von dem, was unser Kerngeschäft nicht nach vorne bringt“, erklärt Simon-Schröter. „Aus egozentrischen oder romantischen Gründen an seiner bisherigen Strategie festzuhalten, um zu zeigen, dass man es doch kann, ist keine gute Idee und auch nicht im Sinne des Unternehmens und der Mitarbeiter.“ Die strategische Kehrtwende erklärt Simon-Schröter mit den Herausforderungen und der wirtschaftlichen Lage seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs. „All das bindet Kapazitäten, und die sind begrenzt. Deshalb haben wir uns im vergangenen Jahr dazu entschieden, die Diversifizierung aufzugeben und unsere Kapazitäten wieder voll ins Kerngeschäft, die Logistik, zu stecken.“ Zeitfracht fiel im M&A-Markt mit Distressed-Deals auf Stellt sich die Frage: Hat sich Zeitfracht als Logistikdienstleister mit Distressed-Deals zu viel vorgenommen? Schließlich haben etwa Special-Situations-Investoren eigene Restrukturierungsteams und Experten für die operative und finanzielle Transformation von kriselnden Beteiligungen. Zeitfracht selbst verfügt nach eigener Aussage zwar ebenfalls über „erfahrene Experten für Restrukturierungen und Integrationen“, aber selbst für M&A-versierte Corporates war es ein ganz schön strammes Programm: Das Unternehmen hatte ab 2015 in kürzester Zeit rund 20 Mittelständler hinzugekauft. Von außen betrachtet wirkte die Erweiterung teilweise etwas beliebig, aber Simon-Schröter sah vor allem in der Logistik Synergie- und in den Handelsgeschäften teilweise auch Cross-Selling-Potentiale. Empfohlener externer Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Datawrapper, der von der Redaktion empfohlen wird. Sie können den Inhalt mit einem Klick aktivieren. Inhalt entsperren Immer entsperren Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte von Datawrapper angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu erfahren Sie bei Datawrapper und unserer Datenschutzerklärung. Zeitfracht musste LGW in die Insolvenz schicken Der Verheißung einer großen diversifizierten Gruppe blieb aber aus. Während einige, vor allem logistik- und buchnahen Investments in bestehende Geschäfte integriert wurden, hat man sich von anderen, wie SHW Werkzeugmaschinen, PT Scientists oder Mctrek, auch rasch wieder getrennt, mal via Management-Buy-out, mal im Zuge eines klassischen M&A-Deals. Die 2019 erworbene kriselnde Fluggesellschaft LGW musste im Frühjahr 2020 sogar in die Insolvenz geschickt und abgewickelt werden. Der ebenfalls 2019 übernommene Buchgroßhändler und -logistiker KNV mitsamt der Verlagsauslieferung KNO dagegen gehört als Zeitfracht Medien mittlerweile zum Kerngeschäft. Dort wurden alle zugekauften buch- und mediennahen Geschäfte gebündelt. Zeitfracht Medien ist, wie bisher auch Adler, als Tochter bei der Zeitfracht Logistik Holding angebunden. Diese weist für 2023 Umsatzerlöse von 992 Millionen Euro aus sowie einen Konzernjahresüberschuss über rund 1 Million Euro. Im Vorjahr waren es 950 Millionen Euro Umsatz und ein Jahresfehlbetrag von 10 Millionen Euro gewesen. Anhaltender Kostendruck in der Medienlogistik Doch auch diese Beteiligung kämpft mit Problemen. So leidet Zeitfracht Medien neben dem Personalmangel auch unter dem anhaltend hohen Kostendruck in der kleinteiligen Buch- und Medienlogistik. Zeitfracht und auch die Wettbewerber Libri und Umbreit warnen bereits seit Jahren davor, dass sich die Hochleistungslogistik, also die Übernachtbelieferung, nicht aufrechterhalten lasse, wenn die Preisstrukturen in der Branche nicht angepasst werden. Immerhin: Nach einem schwachen Jahr 2022 ist es für Zeitfracht Medien 2023 wieder bergauf gegangen. Im gerade veröffentlichten Jahresabschluss ist für 2023 ein Umsatz von knapp 610 Millionen Euro ausgewiesen. Das ist ein Plus von gut 8 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert. Der Jahresüberschuss lag bei 2,9 Millionen Euro nach einem Fehlbetrag von 0,7 Millionen Euro im Vorjahr. So sieht die künftige M&A-Strategie von Zeitfracht aus Ob Zeitfracht Medien durch den Adler-Deal perspektivisch Geschäftsvolumen verliert, ist offen. Das Unternehmen besorgt derzeit für Adler Transporte und logistische Dienstleistungen, allerdings unterhält auch der Neu-Eigner Röther für seine Märkte entsprechende Strukturen. Kein Wunder also, dass sich Simon-Schröter vorerst aufs Bestandsgeschäft konzentrieren will. M&A zur Diversifikation ist damit erst einmal vom Tisch: „Bei etwaigen künftigen M&A-Deals nehmen wir nur Assets in den Blick, die zu unserem Kerngeschäft passen und unserer Gruppe logistischen Mehrwert bieten.“ Gänzlich abgeschreckt ist Simon-Schröter nämlich nicht: „Einen Deal wie den von Adler würde ich nochmals tätigen.“

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