Debt-Equity-Swaps: Kalkulierte Schlüsselübergabe

Das Taxi rauscht um die Ecke. Im Wagen: zwei Manager eines Private-Debt-Fonds. Sie haben einem Private-Equity-Investor und seiner Beteiligung Geld geliehen, jetzt kriselt es im Unternehmen. Auf dem Weg zum Meeting mit den Kreditnehmern entwickeln die Manager einen Schlachtplan, allerdings umsonst: Angekommen in der Unternehmenszentrale, treffen die beiden auf die Führungsebene des Mittelständlers und einen Restrukturierer, vom Private-Equity-Investor keine Spur. Wie die beiden Fondsmanager in den nächsten Minuten erfahren, sind sie nun Eigentümer des Unternehmens. Info Debt-Equity-Swaps Bei einem Debt-Equity-Swap wird Fremd- in Eigenkapital umgewandelt. Im Private-Equity-Umfeld gibt der Eigentümer die Mehrheit an seiner Beteiligung an den Kreditgeber ab, also die Bank oder den Debt-Fonds, der dann neuer Mehrheitseigentümer wird. Im Gegenzug findet meist ein Schuldenschnitt statt. Natürlich werden Kreditgeber nicht bei allen Debt-Equity-Swaps so vor vollendete Tatsachen gestellt. Was sich aber festhalten lässt: Die Zahl der Fälle, in denen Private-Equity-Investoren ihre Beteiligungen an den Fremdkapitalgeber zu einem gehörigen Preisabschlag verkaufen oder abgeben, ist gestiegen. Jüngste Beispiele: Der Pflegeheimbetreiber Emvia Living (Chequers Capital) gehört künftig dem Debt-Fonds von Ardian, der Motorrad-Equipment-Hersteller Polo (Equistone) wechselt in die Hände von Ares, die Bar- und Restaurantkette Sausalitos (Ergon Capital) geht an Arcmont. Erst vor wenigen Wochen musste zudem das Schwergewicht KKR einen Debt-Equity-Swap bei Unzer verkraften. Den Zahlungsdienstleister übernehmen Alcentra, Goldman Sachs und die Partners Group. Explosiver Cocktail aus Corona, Inflation und Co. Die neuerlichen Fälle dürften nur die Spitze des Eisbergs sein. Verantwortlich dafür ist der explosive Cocktail aus Coronakrise, Inflation, steigenden Zinsen sowie weiteren Herausforderungen durch den Ukraine-Krieg und Lieferkettenprobleme. Davon sind zwar fast alle Unternehmen mehr oder minder betroffen, doch gerade bei konsumentennahen Geschäften ist das Risiko einer Schieflage groß. Was die Situation bei Private-Equity-finanzierten Unternehmen zusätzlich verschärft: Sie sind meist hochverschuldet und stehen daher unter extremem Druck. Die PE-Investments müssen operative Probleme lösen, parallel sollen sie sich entschulden, damit der Finanzinvestor am Ende der Halteperiode auch auf seine Renditeziele kommt. Meistens tilgt der Finanzinvestor Schulden aus dem operativen Cashflow. Doch wenn dieser nicht ausreicht oder gar ausbleibt, wird es schnell eng. Steht dann in den nächsten Monaten auch noch eine Refinanzierung an – wohlgemerkt zu gestiegenen Finanzierungskosten –, muss Private Equity fast zwangsläufig das Gespräch mit den Kreditgebern suchen, um eine Lösung zu finden. Manchmal können sich die Parteien auf Covenant Holidays oder Resets einigen. Das klappt aber nicht immer. Mehr zum Thema Diese Debt-Fonds sollen Private-Equity-Beteiligungen retten Nachdem Ardian das Ruder bei der Chequers-Beteiligung Emvia Living übernommen hat, wechseln erneut zwei weitere Private-Equity-Beteiligungen in die Hände von Private Debt. Das dürfte nur der Anfang sein. Mehr lesen Wer sitzt am längeren Hebel? Dass eine Beteiligung mit finanziellen Schwierigkeiten in die Insolvenz rutscht, daran hat meistens keine Partei Interesse, weil dies für viele ein Eingeständnis des Scheiterns ist. Doch warum rettet der Private-Equity-Investor das Unternehmen nicht einfach, indem er frisches Kapital zuschießt, sondern drückt es an den Kreditgeber ab – zumal dies ein ähnliches Bild des Scheiterns zeichnet? Private Equity sitzt immerhin auf prallen Geldtöpfen. Die Antwort hat mit den Machtverhältnissen in dem Business zu tun. „Bis es zu einem Debt-Equity-Swap kommt, ist meistens schon viel im Hintergrund passiert. Der Finanzinvestor hat womöglich schon mehrfach Geld nachgeschossen und Stillhalteabkommen mit den Kreditgebern vereinbart“, berichtet ein Private-Equity-Investor, der anonym bleiben möchte, um offen sprechen zu können. Restrukturierung lohnt sich für Private Equity nicht Wenn dann eine Insolvenz im Raum steht, manchmal aber auch schon viel früher, werden die Rechenmaschinen angeschmissen. Und meistens ergibt sich, dass es sich schlichtweg nicht rentiert, weiteres Geld in das kriselnde Unternehmen zu stecken. „Der Private-Equity-Fonds hat oft schon gut mit dem Investment verdient und sich ordentliche Dividenden ausbezahlt. Jetzt nochmal Kapital in die Beteiligung zu stecken, verwässert nur die Rendite“, beschreibt eine Private-Debt-Managerin, mit der FINANCE gesprochen hat, die Situation. „Der Private-Equity-Fonds hat sich schon ordentliche Dividenden ausbezahlt. Jetzt Kapital in die Beteiligung zu stecken, verwässert nur die Rendite.“ Das Unternehmen länger zu halten, zum Beispiel indem man es in einen Continuation-Fonds schiebt, würde voraussetzen, dass der Finanzinvestor Zeit und Ressourcen in die Restrukturierung investiert. Für viele Fonds ist das zu anstrengend, oder sie haben dafür gar nicht erst die nötige Expertise. Zudem besteht das Risiko, dass es nicht gelingt, die Lage bei der Beteiligung zu drehen, und dann wäre das Top-up-Investment herausgeschmissenes Geld. Ein klassischer Exit steht auch nicht zur Debatte, da sich für ein kriselndes Portfoliounternehmen kaum ein Käufer findet, der einen für den PE-Fonds angemessenen Preis zahlen würde. Und einen M&A-Prozess aufzusetzen, der ins Leere läuft, tut weder dem Ruf des Investors noch dem des Unternehmens einen Gefallen. Bleibt aus Sicht von Private Equity also nur der Debt-Equity-Swap übrig. Debt-Equity-Swap: Zwickmühle mit Upside Doch warum lassen sich die Kreditgeber auf diesen, auf den ersten Blick unfairen Deal ein? Schließlich sind sie es, die die Ärmel hochkrempeln müssen, um das Unternehmen wieder in die Spur zu bringen, während der Private-Equity-Investor nach dem Tauschgeschäft in der Regel fein raus ist. Ein Grund: Der Kreditgeber steckt in der Zwickmühle. Stimmt er dem Deal zu, bleibt die Sanierungsarbeit zwar an ihm hängen. Geht er jedoch nicht auf den Deal ein, rutscht die Firma in die Pleite und muss abgeschrieben werden. Für viele Geldgeber ist das problematisch, da ihnen ihre Policy das Komplettabschreiben eines Kredits untersagt. Info Schlimme Ausfälle Der Private-Credit-Anbieter Adams Street hat ermittelt, wie gravierend sich Zahlungsausfälle auf die Debt-Fonds-Renditen auswirken. In der Modellrechnung erzielt ein Fonds im Normalfall eine Rendite von 10,8 Prozent. Kommt es zu einem Ausfall, kann diese bis auf 4,8 Prozent abrutschen. Kommt obendrauf noch ein Leverage im Verhältnis von 2:1, kann die Rendite auf bis zu 15,4 Prozent steigen, bei einem Ausfall aber auf 0 sinken. Aus Kreditgebersicht geschieht der Debt-Equity-Swap aber auch nicht ganz uneigennützig. Denn der Investor hat durch den Tausch der Schulden in Anteile plötzlich nicht nur die Möglichkeit, sein Investment zu retten, sondern gar zu vervielfachen. Für unternehmerisch denkende Debt-Fonds mit Sanierungserfahrung kann das attraktiv sein. Banken haben dafür kaum Interesse, Eigentümer zu werden. Der Charme für die Debt-Fonds: Anders als Private Equity haben die Kreditgeber keine „Upside“ – sie erhalten am Ende der Laufzeit ihr geliehenes Geld inklusive Zinsen zurück. Den Ausfall im Portfolio über eine outperformende Beteiligung auszugleichen ist nicht möglich, und auch seinen Einsatz zu vervielfachen gibt das Geschäft nicht her. Durch einen Debt-Equity-Swap ändert sich das. Nach dem Deal: Ende gut, alles gut? In der Realität ist es aber nicht immer der Finanzinvestor, der seine Rendite in Gefahr wähnt und die Beteiligung deshalb an den Geldgeber abdrückt. Manchmal hat auch der Kreditgeber genug und reißt mit der Drohung, Kredite fällig zu stellen, die Eigentümerschaft an sich. So mancher Private-Equity- und Private-Debt-Fonds hat es mit seinem Verhalten bei den Geschäftspartnern sogar auf die „Blacklist“ geschafft, wie Beteiligte ausplaudern. So konsensual, wie die Swaps von den Beteiligten beschrieben werden, sind sie also nicht immer. Ein Beispiel: KKR etwa nennt den Deal bei Unzer beschönigend eine „Vereinbarung“, bei der „neue Finanzmittel in erheblichem Umfang gesichert“ wurden, um das „Wachstum weiter zu beschleunigen“. Unzer sei „weiterhin ideal positioniert“. In einigen Fällen dürfte es aber auch wie im Eingangsbeispiel zugegangen sein. Mehr zum Thema KKR gibt Steuer bei Unzer ab Die nächste Private-Equity-Beteiligung wandert in die Hände von Private Debt: Diesmal trifft es den Zahlungsdienstleister Unzer, den KKR vor vier Jahren noch mit 600 Millionen Euro bewertet hatte. Mehr lesen Gespräche mit Marktteilnehmern legen jedoch nahe, dass keiner auf den anderen richtig lange böse ist – dafür ist die Branche zu geschäftsgetrieben. „Wenn wieder ein attraktiver Business Case vorliegt, gerät die ‚Blacklist‘ schnell in Vergessenheit“, gesteht ein Private-Equity-Investor ein. Bis die nächste Beteiligung in die Krise rutscht – und Eigentümer und Kreditgeber wieder die Muskeln spielen lassen.

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