Ottobock, der ewige Börsenaspirant

Seit Mitte März dieses Jahres gehen Ottobock und EQT wieder getrennte Wege. Rund sieben Jahre lang arbeiteten das Familienunternehmen aus dem beschaulichen niedersächsischen Duderstadt und der Private-Equity-Investor stark an der Wachstumsstory des Unternehmens. Doch der geplante Börsengang des Hidden Champions kam trotz mehrfacher Ankündigung nie. Stattdessen kamen und gingen bei Ottobock zahlreiche Manager. Mit Oliver Jakobi ist aktuell schon der dritte CEO seit dem Einstieg von EQT im Amt, auf dem CFO-Posten ist Arne Kreitz gar der sechste Manager. Und zwischen IPO-Plänen und Managerabgängen gab es immer wieder Schlagzeilen über den 62-jährigen Eigentümer Hans Georg Näder, der mal als schillernder Unternehmer, mal als ungemütlicher Patriarch dargestellt wird. EQT stieg 2017 bei Ottobock ein Doch der Reihe nach: EQT war Ende Juni 2017 angetreten, um Ottobock auf die nächste Stufe zu heben. In der damaligen Mitteilung ist die Rede vom Ausbau der „führenden Stellung in der digitalen Transformation“ und dem Heben von „versteckten Performance- und Ertragspotentialen“. Und schon damals hatte Näder, zu dem Zeitpunkt noch Vorsitzender der Geschäftsführung, ein großes Ziel vor Augen: „EQT unterstützt uns dabei, in jeder Hinsicht börsenreif zu werden.“ Ursprünglich war Ottobock im Frühjahr 2022 bereit für den Börsengang, einschließlich Investorengespräche – mit positivem Feedback und sehr großem Interesse, wie zu hören war. Doch das Marktumfeld nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs durchkreuzte die Pläne. Dieses hat sich seitdem zwar einigermaßen stabilisiert, ideal ist es allerdings noch immer nicht, wie die mäßige IPO-Ausbeute der vergangenen Monate mit Douglas, Birkenstock & Co. zeigt. Was hat die Partnerschaft zwischen EQT und Ottobock dann überhaupt gebracht? Was lief gut, was weniger? Mehr zum Thema Achterbahnfahrt bei deutschen Börsengängen Ein gefloppter Börsengang in den USA, ein Musterschüler und ein Last-Minute-Rückzug. Die Bilanz der deutschen Börsengänge ist durchwachsen. Was lief schief im Jahr 2023? Mehr lesen War die Minderheit von EQT ein Hemmnis? Als ein Knackpunkt stellte sich die Minderheitsbeteiligung von EQT heraus. Diese belief sich auf gerade einmal 20 Prozent, damit hatte der PE-Investor nicht mal eine Sperrminorität. Das ist außergewöhnlich, schließlich pochen Private-Equity-Investoren meistens auf eine Mehrheitsbeteiligung, um in entscheidenden Fällen auch im Unternehmen durchgreifen zu können. Bei Ottobock soll EQT nicht nur einmal den Kürzeren gezogen haben, wenn es um wichtige Entscheidungen ging, und das, obwohl Näder nach dem Einstieg der Schweden in den Verwaltungsrat wechselte. Faktisch behielt der Unternehmer aber immer die Hand am Steuer. „Die Zusammenarbeit zwischen Näder und den EQT-Leuten war trotz Minderheitsanteil exzellent. Es gab ein außerordentliches Vertrauensverhältnis“ Ein Insider Zwar agiert Näder teilweise unkonventionell, doch die Chemie mit EQT soll gestimmt haben. Aus Unternehmenskreisen ist gar zu hören, dass die Zusammenarbeit zwischen Näder und den EQT-Leuten trotz Minderheitsanteil „exzellent“ gewesen sei, es habe ein „außerordentliches Vertrauensverhältnis“ gegeben. Marcus Brennecke, Co-Leiter Private Equity von EQT, und Näder traten in gemeinsamen Interviews harmonisch auf, beide sollen leidenschaftliche Segler sein und über das gemeinsame Hobby einen guten Draht zueinander haben. Auch mit dem EQT-Deal-Team soll sich Näder sehr gut verstehen, ist am Markt zu hören. Einige beschreiben die Beziehung zwischen Näder und den EQT-Leuten gar als freundschaftlich. EQT bewirkte Wandel bei Ottobock Ein guter Umgang ist allerdings kein Garant für Wertsteigerungen. Was EQT aber geschafft hat: einen Wandel zu initiieren. „Der Private-Equity-Einstieg war zunächst eine große Umstellung. Plötzlich gab es keine Küchentischgespräche mehr, sondern einen institutionalisierten Verwaltungsrat“, sagte ein Unternehmenskenner, der anonym bleiben möchte. Diesem Gremium gehören neben Verwaltungsratschef Näder auch Stefan Heidenreich, Joachim Kreuzburg und Michael Kaschke, der ehemalige Carl-Zeiss-CEO, an. Der Verwaltungsrat habe Ottobocks Professionalisierung „wesentlich mitgestaltet“ und dafür gesorgt, dass die Corporate Governance einwandfrei sei, so der Insider. Zudem förderte das Gremium das Wachstum in den USA und die Digitalisierung. Auch behielt es die Rentabilität der angestoßenen Forschungs- und Entwicklungsprojekte akribisch im Blick. Vorstandsrochade statt IPO Parallel hat der Vorstand an der „IPO-Readiness“ des Prothesenherstellers gearbeitet. Anfang 2020 konnte der damalige CFO Jörg Wahlers im Interview mit FINANCE einen wichtigen Schritt in Richtung Kapitalmarktfähigkeit verkünden: „Seit Januar befinden wir uns in einer Überleitungsphase und buchen parallel nach IFRS.“ Mit Blick auf einen baldigen Börsengang ruderte Wahlers damals allerdings zurück und betonte, Ottobock sei zwar „vorbereitet“, sollten EQT und Näder an einen IPO denken, stehe jedoch „nicht unter Zeitdruck“. Im Sommer 2021 gab Wahlers seinen CFO-Posten aus gesundheitlichen Gründen schon wieder ab, auf ihn folgte im Herbst desselben Jahres Kathrin Dahnke. Die Managerin, die früher schon einmal in der Finanzabteilung von Ottobock tätig gewesen war, sollte das Unternehmen weiter auf dem Weg an die Börse begleiten. Mehr zum Thema Ottobock will an die Börse Im Sommer 2019 ist Jörg Wahlers bei Ottobock angetreten. Seine Mission: den familiengeführten Prothesenhersteller fit für den Gang an die Börse zu machen. Der Weg dahin könnte länger sein als gedacht. Mehr lesen Warum Ottobock den Vorstand ausgetauscht hat Doch dann wurde der IPO abgeblasen und Dahnke musste den Prothesenhersteller nach nicht einmal einem Jahr wieder verlassen, ebenso wie ihr CEO-Kollege Philipp Schulte-Noelle und nur wenige Tage später auch der Technikvorstand Andreas Goppelt. Die Kommunikation rund um das Managementbeben ließ viele Fragen offen, wie FINANCE damals berichtete. Näder agiere eigenwillig, sagte eine mit dem Unternehmen vertraute Person in dem Zusammenhang. Aus Unternehmenskreisen verlautet indes, dass nach der Entscheidung gegen einen IPO andere Kompetenzen gefragt waren, um die Auswirkungen der Coronakrise sowie der Inflation operativ zu managen. Die Börsengangpläne rückten also erneut in weite Ferne, der neue Vorstand musste sich wieder finden. Heute besteht er aus CEO und CSO Oliver Jakobi, der seit mehr als 30 Jahren bei Ottobock arbeitet, CFO Arne Kreitz, COO und CTO Arne Jörn sowie Chief Experience Officer Martin Böhm. Mehr zum Thema Warum CFO Kathrin Dahnke Ottobock verlassen musste Eigentlich sollte CFO Kathrin Dahnke Ottobock auf einen Börsengang vorbereiten. Dann kam alles anders: Die Eigentümer um Verwaltungsratschef Hans Georg Näder bliesen den IPO ab. Die Finanzchefin und zwei weitere Vorstände mussten gehen. Warum? Mehr lesen Ottobock verdoppelt Gewinn Bei all dem Hin und Her um den IPO gelang es Ottobock immerhin, ordentlich zu wachsen – mit der Übernahme von mehr als 30 Patient-Care-Centern, aber auch organisch. Beim Einstieg von EQT 2017 kam das Familienunternehmen auf 880 Millionen Euro Umsatz, 2023 waren es 1,5 Milliarden Euro. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) verdoppelte sich in dieser Zeit von rund 140 Millionen auf 280 Millionen Euro. Weiteres Zahlenwerk sucht man vergebens. Für EQT dürfte sich das Investment indes gelohnt haben: Im Markt kursiert eine Summe von 800 Millionen Euro, die EQT für den Verkauf des 20-Prozent-Anteils bekommen haben soll – bei einem initialen Eigenkapitaleinsatz in Höhe von rund 400 Millionen Euro, abzüglich Dividenden. Dem Vernehmen nach lag das Bewertungs-Multiple zum Einstieg und zum Exit auf einem ähnlichen Niveau. Gemessen am Ebitda, das sich während der Haltedauer verdoppelt hat, dürfte der Finanzinvestor seinen Einsatz also in etwa verdoppelt haben. EQT wollte sich hierzu auf Nachfrage von FINANCE nicht äußern. Info Ottobock wurde 1919 in Berlin von Otto Bock gegründet, damals noch als Orthopädische Industrie GmbH. Max Näder, Bocks Schwiegersohn, baute den heutigen Hauptsitz in Duderstadt ab 1947 gemeinsam mit seiner Frau auf. 1990 übertrug Näder die Geschäftsführung an seinen Sohn und derzeitigen Eigentümer Hans Georg Näder. Käufersuche blieb ohne Erfolg Mehr Zeit, um die Rendite zu erhöhen, blieb wohl nicht, schließlich ist eine Kooperation mit Private Equity immer eine Partnerschaft auf Zeit. Um die Verbindung zu lösen, sollte zunächst ein neuer Partner her. Diesen suchten EQT und Näder mit Hilfe von JP Morgan intensiv, doch ohne zufriedenstellendes Angebot. Näder hat dabei sogar erwogen, weitere 10 Prozent seiner Anteile in den Ring zu werfen, um den Deal schmackhafter zu machen. Es nützte nichts: Die erzielbaren Bewertungen hätten sich nicht an den Fundamentaldaten des Konzerns orientiert, sondern seien durch das schwierige Investitionsklima gedrückt und damit nicht attraktiv genug gewesen, ist am Markt zu hören. In Unternehmenskreisen geht die Geschichte etwas anders: Intern habe sich die Frage gestellt, was ein anderer Investor noch hätte mitbringen können, was nicht schon mit EQT erreicht worden war. Teure Private-Debt-Finanzierung Also kaufte Näder die EQT-Anteile im Frühjahr einfach selbst zurück und besorgte sich dafür eine Private-Debt-Finanzierung in Höhe von 1,1 Milliarden Euro von einem Konsortium um Carlyle, KKR, Hayfin und Macquarie. Der Kredit mit einer Payment-in-Kind-Komponente (Holdco-PIK-Finanzierung) ist dabei über die Holding gespannt. Die Zinsen sind nicht bekannt, sie dürften aber im zweistelligen Prozentbereich rangieren. Dieses Paket ist damit kostspielig, bietet aber zwei entscheidende Vorteile: Erstens bürdet es dem Unternehmen, das FINANCE-Informationen zufolge mit 3,5x Ebitda verschuldet sein soll, qua Struktur keine direkten weiteren Schulden auf. Zweitens ist Ottobock flexibel, was das Timing des Börsengangs angeht, der weiterhin auf der Agenda steht. Mit einem neuen Investor an der Seite hätte Ottobock mit einem erneuten IPO-Versuch mehrere Jahre warten müssen – für Näder wohl zu lange. Mehr zum Thema Großes Geheimnis um Ottobocks Milliarden-Private-Debt-Finanzierung Die Unternehmerfamilie Näder zapft den Private-Debt-Markt an, um den Rückkauf der EQT-Anteile von Ottobock zu finanzieren – und hüllt sich zu der Transaktion in Schweigen. Warum? Mehr lesen Wann geht Ottobock an die Börse? Nun muss der Unternehmer sein Lebenswerk mit dem Börsengang selbst vollenden. Wann der Konzern erneut den Sprung aufs Parkett wagen will, darüber hüllt man sich in Schweigen. Auf eine FINANCE-Anfrage heißt es lediglich: „Wir treffen die Entscheidung für einen IPO zum geeigneten Zeitpunkt.“ Tatsache ist: Angesichts der teuren Private-Debt-Finanzierung, die abgelöst werden muss, dürfte Ottobock einen neuen Anlauf eher früher als später starten. Dabei bleibt das Umfeld herausfordernd. „Einen perfekten Kandidaten, der noch in diesem Sommer den Sprung aufs Parkett wagen könnte, gibt es nicht“, sagt ein Banker dazu. So oder so: Der nächste IPO-Versuch sollte sitzen. Eine weitere unerfüllte Ankündigung wäre wohl endgültig ein Gesichtsverlust für Ottobock.

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