Wieso Private Equity Ströer ins Visier nimmt

Es war eine Überraschung zu Jahresbeginn: Ströer lotet offiziell den Verkauf seines Kerngeschäfts aus, nachdem Private-Equity-Investoren indikative Angebote für die Außenwerbungssparte (Out-of-Home, OOH) und die digitalen Medien (unter anderem „T-Online“) abgegeben haben. Dass Private Equity bei Ströer ausgerechnet jetzt einen Vorstoß wagt, dürfte zumindest teilweise auch an der zuletzt mauen Performance der Aktie liegen. Die Marktkapitalisierung des Werbeanbieters lag vor Bekanntwerden der Verkaufsgespräche bei rund 2,6 Milliarden Euro – zu wenig für das Unternehmen und seinen Vorstandschef und Mitgründer Udo Müller. Dieser ist mit rund 24 Prozent auch Hauptaktionär. „Ströer ist derzeit relativ niedrig bewertet. Das hat auch Private Equity erkannt und fühlt nun vor“, meint Analyst Jörg Philipp Frey von Warburg Research. Er taxiert die addierten Werte der Ströer-Geschäfte auf 75 Euro pro Aktie – viel Luft also zum derzeitigen Kurs, nachdem die Aktie nach schlechten Prognosen für den Werbemarkt auf zuletzt rund 46 Euro gefallen war. Erst das Bekanntwerden der M&A-Anbahnungen mit Private Equity sorgte für einen kräftigen Kursanstieg auf derzeit rund 55 Euro. Ströers Wachstumsaussichten locken Private Equity Sollte sich aus den „ergebnisoffenen Gesprächen“ tatsächlich ein Deal ergeben, wäre es nicht weniger als eine strategische Kehrtwende für den im MDax gelisteten Konzern. Bislang plant Ströer, mit dem Abstoßen von Nebengeschäften wie dem Kosmetikanbieter Asambeauty für die Anleger attraktiver zu werden. Unabhängig vom womöglich günstigen Zeitpunkt für eine (Teil-)Übernahme und Privatisierung dürften es aber vor allem drei Gründe sein, die Ströers Kerngeschäft attraktiv für Finanzinvestoren machen. 1. OOH wird in Deutschland weiter Marktanteile gewinnen Trotz des konjunkturellen Gegenwindes, der andere Werbegattungen wie TV trifft, ist die Außenwerbung im Aufwind – und damit auch Ströer, der in Deutschland Marktführer im OOH-Segment ist. Das Geschäft mit klassischen Plakatwänden und immer mehr digitalen Werbeflächen (Digital-Out-of-Home, DOOH) im öffentlichen Raum gilt als langfristiger Anteilsgewinner im deutschen Anzeigenmarkt. „Ströer ist auf einem der (wenn nicht sogar dem) besten Out-of-Home-Märkte weltweit aktiv“, betont auch HSBC-Analyst Christopher Johnen in seiner jüngsten Analyse. Das macht das Geschäft aus struktureller Sicht für Private Equity attraktiv. Empfohlener externer Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Datawrapper, der von der Redaktion empfohlen wird. Sie können den Inhalt mit einem Klick aktivieren. Inhalt entsperren Immer entsperren Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte von Datawrapper angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu erfahren Sie bei Datawrapper und unserer Datenschutzerklärung. Experten gehen davon aus, dass die Außenwerbung weiter Marktanteile gewinnen wird. Weil sich die Gattung in der Reichweitenvermarktung mit ihren erweiterten Targeting-Möglichkeiten als legitimer Wettbewerber zu TV und Social Media erweist, verzeichnete sie zuletzt überdurchschnittliche Wachstumsraten im Vergleich zum Gesamtmarkt. Unlängst konstatierte der Branchendienst „Horizont“ in seinem Jahresausblick: „Sollte keine zweite Pandemie den Werbemarkt erschüttern und die Menschen dazu zwingen, zu Hause zu bleiben, schaffen die Außenwerber im Jahr 2025 das, worauf sie sich schon seit Jahren vorbereiten. Sie knacken den Werbemarktanteil von 10 Prozent.“ Das liege nicht nur daran, dass Kunden die Stärken klassischer Medien wiederentdeckten, sondern vor allem an den jahrelangen massiven Investitionen der Vermarkter in hochqualitative Werbeflächen und Technologie, so der Branchendienst. 2024 lag der Marktanteil von OOH laut Marktforscher Nielsen in Deutschland bei 9,2 Prozent. 2. Ströer hat sich mit Investitionen strategisch positioniert Auch Ströer hat in den vergangenen Jahren massiv investiert, unter anderem, um für die Kunden Werbung datenbasiert und zielgruppenspezifisch auszusteuern. Zudem wurde das digitale Außenwerbeinventar ausgebaut, das sich kurzfristiger und granularer bespielen lässt als klassische Plakatflächen. Damit will das Unternehmen nun überproportional vom Marktwachstum im OOH-Segment profitieren. Zuletzt legte der Umsatz in Ströers OOH-Sparte von 790,2 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 856,4 Millionen Euro im Jahr 2023 zu. Und das Wachstum hält an: Nach den ersten neun Monaten 2024 lag der OOH-Umsatz bei 660,8 Millionen Euro. Das ist ein Plus von fast 15 Prozent. Auch die operative Gewinnmarge kann sich sehen lassen: 46,3 Prozent gemessen am bereinigten operativen Gewinn (Ebitda). Speziell das digitale OOH-Geschäft erweist sich durch den strukturellen Wandel für Ströer als Wachstumstreiber: Die Erlöse legten hier in den ersten drei Quartalen 2024 um stolze 27 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu und steuerten 241,6 Millionen Euro zum Spartenumsatz bei. Mittelfristig soll das DOOH-Geschäft für 50 Prozent des Spartenumsatzes stehen. Platzhirsch Ströer festigt seine Position im deutschen Außenwerbemarkt jedoch nicht nur durch organisches Wachstum. 2024 wurde mit RBL Media ein ernst zu nehmender Wettbewerber bei Stadtvermarktungsverträgen in Deutschland übernommen und dadurch das Portfolio mit weiteren städtischen Werbekonzessionsverträgen arrondiert. Die Verträge hatten laut Unternehmen zum Zeitpunkt der Übernahme im Schnitt noch Restlaufzeiten von etwa zehn Jahren. 3. „Programmatic Advertising“ treibt die Digitalumsätze Auch das Digital-Media-Geschäft, der zweite Geschäftsbereich, der das Interesse von Private Equity geweckt hat, verzeichnete 2023 ein deutliches Umsatzwachstum von knapp 10 Prozent. In dieser Sparte vermarktet Ströer Online-Werbung auf eigenen und fremden Webseiten. Zum hauseigenen Angebot gehört allen voran das Reichweiten-Flaggschiff T-Online. Wichtig beim Wachstum: Auch die hauseigenen Plattformen legten 2023 zweistellig an Umsatz zu. Hier hielt der Wachstumstrend in den ersten 9 Monaten 2024 ebenso an, wesentlich getrieben durch sogenanntes Programmatic Advertising. Dabei wird das digitale Werbeinventar automatisiert in Echtzeit vermarktet. Verkaufsgespräche von Ströer in frühem Stadium Es sind also im Wesentlichen die Aussichten auf weiteres strukturell bedingtes Wachstum im Zusammenspiel mit guten Margen, die den deutschen OOH-Platzhirsch Ströer attraktiv für Finanzinvestoren machen. Auch weiteres „Buy & Build“ – siehe zuletzt die Übernahme von RBL Media – ist denkbar, muss beim Außenwerbungs-Marktführer Ströer kartellrechtlich aber gut vorbereitet werden. Allerdings befinden sich die Gespräche mit Private Equity in einem sehr frühen Stadium, sodass Marktbeobachter, mit denen FINANCE gesprochen hat, einen Einstieg von Private Equity noch längst nicht für ausgemacht halten. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint vollkommen offen, wie ein Deal konkret aussehen könnte und vor allem, was das für die restlichen Unternehmensteile bedeuten würde. Für Asambeauty läuft seit geraumer Zeit ein Verkaufsprozess, sodass perspektivisch wohl das Dialogmarketing sowie das Portal Statista übrig bleiben würden. „Die Dialog-Sparte ist ein Geschäft mit niedrigem Umsatz und geringem Wachstum. Statista ist das genaue Gegenteil. Diese Kombination würde wahrscheinlich zu einer weiteren ‚Optimierung‘ führen und nur Statista in der ehemaligen Ströer-Hülle zurücklassen“, spinnt HSBC-Analyst Johnen ein etwaiges Verkaufsszenario weiter. Er ist skeptisch, ob die von Bloomberg kolportierte Summe von 4 Milliarden Euro ausreichen würde, um die Ströer-Aktionäre von einer Teilprivatisierung des Unternehmens zu überzeugen, sollte sie neben dem OOH-Geschäft auch die Digitalsparte einschließen. Auch Hauptaktionär Udo Müller hat in der Ad-hoc-Mitteilung schon kommunizieren lassen, dass er im Falle einer Transaktion unverändert beteiligt bleiben und den Geschäftsbereich auch weiterhin führen wolle.

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