Seit Russland den Krieg mit der Ukraine begonnen hat, haben einige Unternehmen ihr Russlandgeschäft verkauft. Andere haben noch nicht entschieden, wie sie mit dem Russlandgeschäft verfahren. Doch die Verkäufe gestalten sich nun deutlich schwieriger als im vergangenen Jahr, weiß Anwältin Tanja Galander von der Kanzlei Graf von Westphalen. „Das russische Finanzministerium hat neue härtere Auflagen gestellt.“
Harte Auflage für Verkauf des Russland-Geschäfts
Im Dezember 2022 veröffentlichte das russische Finanzministerium die neuen Auflagen. „Unternehmen können nur noch mit einem Abschlag von 50 Prozent des festgestellten Marktwertes verkauft werden. Das ist eine erhebliche Einschränkung“, sagt Galander. Hierfür müsse eine unabhängige Bewertung des Marktwertes der Aktiva vorliegen, so die Anwältin. Eine Ausnahme dessen sei, wenn das Geschäft für einen symbolischen Preis von einem Euro verkauft werde.
Dazu kommen noch weitere Auflagen. „Die Zustimmung wird nur erteilt, wenn der Kaufpreis ein bis zwei Jahre gestundet wird“, so Galander. Und: „Unternehmen können zur freiwilligen Zahlung von Mitteln in den russischen Haushalt in Höhe von mindestens 10 Prozent des Transaktionswertes verpflichtet werden.“ Dazu können noch potentielle Auflagen (KPI) für den Käufer kommen, die eher vage formuliert seien.
„Die neuen Regelungen verkomplizieren die Verkäufe deutlich“, berichtet die Anwältin aus der Praxis. Jedoch ergänzt die Partnerin: „Auch jetzt werden noch viele Anträge genehmigt.“
„Die neuen Regelungen verkomplizieren die Verkäufe deutlich.“
Tanja Galander
Management Buy-Outs am beliebtesten
Galander beobachtet, dass für ihre Kunden der Verkaufspreis häufig der Knackpunkt sei. Zudem hätten einige Käufer Sorgen, dass sie künftig Abführungen an den Staatshaushalt tätigen müssen. „Es gibt aber nun mal keine andere Möglichkeit, daher müssen die Unternehmen mit den russischen Regelungen leben“, erklärt Galander. Zudem sei auch fraglich, ob die Bedingungen in der Zukunft besser würden.
Unternehmen kommen immer wieder mit der Frage zu der Anwältin, ob ein Exit oder doch lieber „Überwintern“ sinnvoller sei. Einige hofften, dass der Krieg in einigen Jahren vorbei sei und sie ihr Geschäft dann wieder aufnehmen könnten. „Das ist auch der Grund dafür, dass sich meine Kunden häufig für Management Buy-Outs mit Rückkaufoption entscheiden.“ Dr. Oetker ist zum Beispiel eines der Unternehmen, die sich für den Verkauf der russischen Unternehmensteile an das dortige Management entschieden haben.
Alternative Optionen seien eine geordnete Insolvenz oder die Liquidation. „In Russland gibt es einen Straftatbestand für vorsätzlich herbeigeführte Insolvenzen, daher und weil man die Kontrolle über den Beendigungsprozess verliert, empfehle ich die geordnete Insolvenz nicht.“ Eine Liquidation habe ebenfalls Nachteile, da sie langwierig sei und eine Steuerprüfung in Russland drohe. „Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen erwägen diese Option, wenn ihr Geschäft in Russland auch vor dem Krieg nur noch unbedeutend war.“
Abwarten als Option?
Der Verkauf des Russlandgeschäfts kann aber auch eine Weile dauern: Wenn sich Unternehmen für den Verkauf entscheiden, brauchen sie im Falle einer russischen GmbH und AG die Zustimmung der Regierungskommission. „Hierfür müssen die Firmen mit einem zeitlichen Aufwand von mehreren Monaten rechnen“, berichtet Anwältin Galander. Wenn der Kaufvertrag entworfen wurde, folge der Antrag bei der Regierungskommission über das russische Finanzministerium.
„Dabei muss das zuständige Fachministerium eingebunden werden. Diese arbeiten sehr unterschiedlich.“ Während Anträge beim Ministerium für Industrie und Handel in der Regel zügig bearbeitet würden, seien andere Ministerien weniger kooperativ, was in Wartezeiten von drei Monaten oder länger resultiere.
Viele Unternehmen vertagen nach wie vor die Entscheidung, ob sie Russland verlassen. „Meiner Erfahrung nach warten mindestens 50 Prozent der Mittelständler noch ab“, erklärt die Anwältin. „Letztlich ist es eine wirtschaftliche Entscheidung.“ Hinzu würde die Frage kommen, inwiefern das deutsche und russische Geschäft verzahnt seien. „Viele Unternehmen sagen, wenn sie Russland einmal verlassen, ist diese Entscheidung endgültig.“
Info
Update 27.03.2023
Die russische Regierung hat am 27. März in Sachen Verkauf eine wichtige Neuerung bekanntgegeben. Die Kommission empfiehlt, dass bei Veräußerungen von russischen Beteiligungen die Antragsteller zusammen mit dem Wertgutachten zur Bewertung des zu veräußernden Unternehmens nun zusätzlich auch noch ein Gutachten eines Sachverständigen der zuständigen „Selbstverwaltungsorganisation“ (vergleichbar mit einer deutschen Kammer) zur Bestätigung des Wertgutachtens vorlegen sollen. „Offenbar traut man den Bewertern nicht, auch denen nicht, die vom russischen Finanzministerium am 22. Februar 2023 empfohlen wurden“, meint Tanja Galander.
Auch eine mögliche Abgabe an den russischen Haushalt (die sogenannte Exit Tax) wurde präzisiert und soll wie folgt betragen:
1) mindestens 10 Prozent der Hälfte des im Wertgutachten ausgewiesenen Marktwertes der Aktiva (so war in etwa die bisherige Rechtslage)
2) mindestens 10 Prozent des im Wertgutachten ausgewiesenen Marktwertes der Aktiva, wenn der Verkauf mit einem Abschlag von mehr als 90 Prozent des festgestellten Markwertes erfolgt.
„Das bedeutet, dass auch bei Veräußerungen zu 1 Euro wohl ein Wertgutachten erstellt werden muss, eine zusätzliche Bestätigung der Kammer erforderlich ist und eine Exit Tax droht. Was das heisst, wenn der Abschlag weniger als 90 Prozent beträgt, lässt sich leider nicht vorhersagen. Damit werden Veräußerungen der russischen Beteiligung von russischer Seite weiter erschwert und mehr Zahlungen an den russischen Staat ermöglicht“, erklärt Anwältin Galander.
Eva Brendel ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Kommunikationswissenschaft, VWL und Politik in Bamberg und Jena studiert. Neben dem Studium arbeitete Eva Brendel als freie Nachrichtenmoderatorin bei einem Lokalsender und moderierte eine eigene Podcast-Reihe.