Nach einem starken Einbruch im Corona-Jahr 2020 konnte sich der Schuldscheinmarkt im Folgejahr erholen. Schuldscheine in einem Gesamtvolumen von rund 20 Milliarden Euro wurden platziert. Im gleichen Zeitraum konnten Private-Debt-Fonds in Europa über 44 Milliarden US-Dollar an Kapital einsammeln und in Deutschland alleine etwa 120 Deals abwickeln, was fast einer Verdopplung gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Dem Aufschwung am Schuldscheinmarkt und dem weiterhin starken Wachstum von Private Debt stehen die schwächere Entwicklung bei der Vergabe von Förderkrediten sowie der reduzierte Risikoappetit der Kreditbanken gegenüber. Die Zusagen für die Corona-Hilfsprogramme der KfW in Deutschland beliefen sich 2021 auf 10,1 Milliarden Euro und lagen damit deutlich unter dem Niveau des Vorjahrs, als diese 46,9 Milliarden Euro betrugen. Das Fördervolumen der KfW lag 2021 mit 107 Milliarden Euro weiterhin auf einem hohen Niveau, ist aber im Vergleich zum Krisenjahr 2020 deutlich zurückgegangen.
Aufgrund der hohen KfW-Fördervolumina der vergangenen zwei Jahre und der unter anderem daraus entstandenen Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe sowie des zu erwartenden sinkenden Fördervolumens in Zukunft ist in den kommenden Jahren mit einem hohen Refinanzierungsbedarf zu rechnen. Dass aber der sinkende Appetit der Banken allein durch Schuldscheine und Private Debt kompensiert werden kann, ist zu bezweifeln.
Unternehmen sehen sich insbesondere dann gezwungen, sich nach alternativen Refinanzierungsmöglichkeiten umzusehen, wenn es für sie schwierig ist, einen Bankkredit aufzunehmen oder sie sich nicht durch Financial Covenants operativ einschränken lassen möchten. Der Wunsch, sich nicht von Banken abhängig zu machen, ist ein weiterer Grund. Manchmal weist ein Unternehmen auch nicht die nötige Größe und Bonität für einen Schuldschein auf oder scheut die hohen Kosten von Private Debt, die die Investoren für das erhöhte Risiko und die Illiquidität aufrufen.
Keine Sicherheiten nötig
Eine mögliche Alternative bietet der Schweizer Kapitalmarkt. Eine dort platzierte Anleihe enthält grundsätzlich keine operativ einengenden Financial Covenants, verlangt keine Sicherheiten, muss nur ein Mindestvolumen von 20 Millionen Schweizer Franken aufweisen und wird vorgängig von bestimmten Banken fest übernommen. Somit kann eine solche bankenunabhängige Sockelfinanzierung insbesondere für mittelständische Unternehmen im höheren Sub- oder tieferen Investmentgrade-Bereich (auch ohne explizites Rating) eine ideale Finanzierungslösung darstellen. Sie bietet Zugang zu einem neuen Investorenuniversum, erhöht die Kapitalmarktvisibilität und kann aufgrund der Festübernahme auch als Akquisitionsfinanzierung genutzt werden.
So konnte beispielsweise das Würzburger Unternehmen va-Q-tec in Corona-Zeiten in einem turbulenten Markumfeld eine Anleihe über 25 Millionen Schweizer Franken mit einem Kupon von 3,75 Prozent für sein weiteres starkes Wachstum begeben und die attraktiven Konditionen aufgrund des relativ niedrigen Zinsumfelds in der Schweiz langfristig festzurren. Bei der Analyse von Finanzierungsmöglichkeiten kann sich also der Blick über die Grenze lohnen. Eine Schweizer-Franken-Anleihe präsentiert somit eine attraktive Finanzierungsalternative für mittelständische Unternehmen, insbesondere als bankenunabhängige Sockelfinanzierung oder aufgrund der Platzierungsgarantie als Akquisitionsfinanzierung.
Autor
Dr. Rolf Weilenmann ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Corporate Finance bei der Helvetische Bank AG in Zürich.