Europas Unternehmen befinden sich mitten in der digitalen und grünen Transformation. Der Investitionsbedarf ist enorm, während gleichzeitig Polykrisen langfristige Planungen durcheinanderwirbeln. Die Transformation erfordert hohe Investitionen – private wie öffentliche. Damit sie gelingt, braucht es strukturierte Finanzierungen, die öffentliches Kapital intelligent zum Ermöglichen großer privater Investitionen einsetzen.
Die europäische Wirtschaft ist anfällig für externe Schocks. So zeigt die jährliche Investitionsumfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB), dass die Unternehmen in der Europäischen Union (EU) von der Energiekrise besonders hart getroffen wurden. Sie berichten zu einem deutlich höheren Teil als US-Firmen (68 Prozent gegenüber 30 Prozent) von einem Anstieg der Energieausgaben um mehr als 25 Prozent im Jahr 2023.
Zudem beeinflusst der Klimawandel die Geschäftstätigkeit der Unternehmen schon heute. 64 Prozent der EU-Firmen sind bereits von physischen Risiken des Klimawandels betroffen. Doch lediglich 13 Prozent haben Versicherungen gegen klimabedingte Verluste abgeschlossen. Dies stellt enorme Risiken und Kosten dar, denen sich viele Unternehmen, gerade im Mittelstand, nicht gewachsen sehen.
Nachhaltigkeit ist nicht optional
Der nachhaltige Umbau der europäischen Wirtschaft ist deshalb keine „Nice-to-have“-Idee für künftige Generationen. Investitionen in Klimaschutz und -anpassung stärken ihre Resilienz. Viele Unternehmer in Deutschland und Europa investieren deshalb in Energieeffizienz und Dekarbonisierung, auch als Reaktion auf hohe Energiepreise: mehr als die Hälfte der Unternehmen in der EU, 81 Prozent in Deutschland. Bei diesen Investitionen gehen Innovation und Klimaschutz Hand in Hand. Gerade in Bereichen wie Wind- und Solarenergie, grüner Wasserstoffproduktion, energieeffizientem Bauen und intelligenten Stromnetzen ist Europa schon heute führend – und muss weiter umfassend investieren, um dies zu bleiben.
In anderen Branchen gilt es, zu unseren Wettbewerbern aufzuschließen. Seit langem wird das politische Ziel, mindestens 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung auszugeben, nicht erreicht. Das Verhältnis liegt bei etwa 2 Prozent und ist damit niedriger als in den USA, Japan oder China. Positiv ist jedoch, dass die Digitalisierung zunimmt: 70 Prozent der EU-Firmen setzen laut EIB-Investitionsumfrage fortschrittliche Digitaltechnologien ein, in Deutschland vor allem im Maschinenbau, in der Robotik und bei Plattformtechnologien.
Hälfte der Finanzierungen geht in Projekte für Klimaschutz
Ungefähr die Hälfte der Finanzierungen geht in Projekte für Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit und ein beträchtlicher Teil davon in innovative Konzepte. Zusätzlich mobilisiert ein Euro der EIB durchschnittlich fünf Euro an Investitionen. Investitionsdarlehen der EIB sind als Green Loan möglich, wenn die Investitionen an die EU-Taxonomie angelehnt sind. Auch Green Bonds in Anlehnung an die EU-Taxonomie sind machbar, wie vom französischen Energieversorger EDF begeben.
Als neues Finanzierungsinstrument gibt es neben klassischen bankdurchgeleiteten Darlehen für die indirekte Finanzierung von Mittelständlern solche nun auch direkt für Finanz-Tochtergesellschaften von Unternehmen (Captives). Sie können so die günstigen Kreditkonditionen an ihre Mittelstandskunden weitergeben, damit diese etwa Kauf oder Leasing von besonders energieeffizienten Maschinen oder elektrischen Fuhrparks finanzieren können.
Unternehmen und Finanziers sind bei der Transformation gefragt
Der Chemiekonzern Evonik hat sich strikte Klimaziele gesetzt und investiert in Forschung und Entwicklung von nachhaltigen „Next Generation Solutions“. Für dieses Programm erhält er ein langfristiges Darlehen über 500 Millionen Euro, mit flexiblen Konditionen und einem im Marktvergleich vorteilhafteren Zins. Und die Deutsche Bank wird als erstes Institut im Rahmen der 5-Milliarden-Euro-Windpackage-Initiative europäischen Windkraftherstellern Bankgarantien bereitstellen. Allein die 500-Millionen-Euro-Garantie für dieses Portfolio wird voraussichtlich private Investitionen bis zu 8 Milliarden Euro auslösen.
Die grüne und digitale Transformation ist eine Mammutaufgabe. Unternehmer als Innovationstreiber sind hier besonders gefragt, genauso wie ihre Finanziers. Als Bank der Europäischen Union hilft die EIB, diese verschiedenen Akteure zusammenzubringen.
Autor
Nicola Beer
Nicola Beer ist Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg.