Keine einfache Aufgabe für ein junges Unternehmen: Der Solargroßanlagenentwickler Ib Vogt hat seine Avallinien innerhalb von einer Dekade von 20 Millionen auf über 1 Milliarde Euro ausgebaut. In diesem Zeitraum hat das einstige Start-up zudem 3,7 Milliarden Euro an Mitteln aufgebracht, um mehr als 4 Gigawatt Peak an Photovoltaikkapazitäten aufzubauen. Im Jahr 2023 setzte das Unternehmen im Wesentlichen mit konsolidierten Erträgen sowie sonstigen betrieblichen Einkünften und Erlösen aus langfristigen Kapitalbeteiligungen 646 Millionen Euro weltweit um. Solch ein Wachstum ist selbst in der relativ jungen Solarbranche selten.
Ein wichtiger Baustein für das Wachstum: Avallinien. Denn ohne Avale ist eine Beauftragung kaum möglich. Doch je größer und internationaler das Geschäft von Ib Vogt wurde, desto anspruchsvoller wurde die Beschaffung der Avale – trotz des hervorragenden Track Records. Aktuell betragen die Avallinien von Ib Vogt 1,017 Milliarden Euro. Vor zehn Jahren waren es – damals mit einem einzigen Avalpartner – erst 20 Millionen Euro. Derzeit unterhält das Unternehmen Geschäftsverbindungen mit 45 Banken und Versicherungen weltweit.
Vier Herausforderungen für die Avalgeber
Dabei gibt es vier Herausforderungen für die Avalgeber. Die Einzelstücke werden erstens immer größer; Einzelavale über 30 Millionen Euro Volumen sind keine Seltenheit. Dafür sind Konsortiallösungen notwendig.
Die Avale müssen zweitens teilweise auch in exotischen Märkten mit unterschiedlichsten Jurisdiktionen akzeptiert werden. Drittens müssen bei jedem Projekt verschiedene Phasen abgesichert werden – von der Ausschreibung über die Bauphase bis zur Gewährleistungszeit. Entsprechend braucht es unterschiedliche Avalarten, darunter auch Bietungsbürgschaften (Tender Bonds), Gewährleistungsbürgschaften oder Grid Bonds für den Netzanschluss.
Viertens sind Avale häufig „Garantien auf erstes Anfordern“. Das bedeutet, dass der Garant verpflichtet ist, unmittelbar zu zahlen, sobald der Begünstigte eine Zahlung anfordert – ohne beispielsweise dafür den Nachweis eines Schadens erbringen zu müssen.
Risiken und Garantien aufteilen
Das bedeutet für alle Beteiligten einen großen Abstimmungsaufwand: Es beginnt damit, dass der Auftraggeber den Bürgen überhaupt akzeptiert. Je nach Land des Auftraggebers kann es dabei unterschiedliche Anforderungen geben, etwa eine Zulassung vor Ort oder eine Mindestbonität des Bürgen. Außerdem muss der Auftraggeber zustimmen, dass bei hohen Avalbeträgen mehrere Bürgen zusammenarbeiten (Co-Surety Agreement). Auch weitere Vertragsbedingungen müssen verhandelt werden, beispielsweise der Umgang mit weiteren Gläubigern und Sicherheiten. Darum ist eine enge Kommunikation über das übliche Reporting hinaus wichtig, die das gegenseitige Vertrauen stärkt.
Ein typisches Beispiel: Ib Vogt hat eine Vertragserfüllungsbürgschaft für ein Projekt in Italien benötigt. Die Vertragssumme betrug insgesamt 174 Millionen Euro. Für die rund zweijährige Bauphase war eine Vertragserfüllungsbürgschaft über 30 Millionen Euro notwendig. Für die zwei Jahre währende Gewährleistung wurde zudem eine Gewährleistungsbürgschaft über 17,5 Millionen Euro benötigt. Ein einzelner Garant konnte diese Summe nicht stemmen.
Außerdem bestand der Avalempfänger auf einer unbedingten Garantie auf erstes Anfordern nach italienischem Recht. Die Lösung: Zwei bestehende Vertragspartner stellten zwei separate Garantien mit zwei Projektlinien. Über ein Loss Share Agreement teilten sie sich die Risiken auf. Dennoch waren längere Gespräche erforderlich, um sich auf einen gemeinsamen Vertragstext zu einigen. Schließlich stand die Absicherung und der Auftrag wurde erteilt.
Autor
Alfons-Maria Gracher
Alfons-Maria Gracher ist Gründer und Geschäftsführer bei Gracher in Trier.
Alexander Hanke
Alexander Hanke ist Director Corporate Finance bei Ib Vogt in Berlin.