Young Professionals: Frischer Wind für die Finanzabteilung

Bereits in der Oberstufe hat Kristin Meisch ihre Affinität zu Zahlen entdeckt – auch war ihr klar, dass sie neben ihrem Studium bereits praktische Erfahrungen sammeln wollte, weshalb sie ein berufsbegleitendes Studium bei Unicredit im Ressort Unternehmenskunden machte. Dass sie jedoch mal im Treasury bei einem der größten deutschen Automobilhersteller landen würde, hatte sie nicht geplant. „Während meines Masters mit Schwerpunkt Finance habe ich durch Zufall ein Praktikum im Treasury von Audi absolviert“, erinnert sich Meisch. Info Sie sind Young Professional in einer Finanzabteilung und haben Lust, sich weiterzubilden und mit Gleichgesinnten in den Austausch zu kommen? Dann besuchen Sie das Future FINANCE Festival am 23. Mai in Düsseldorf. Das eintägige Festival bietet die ideale Plattform, um Kontakte zu knüpfen und sich über die neuesten Entwicklungen im Finanzbereich auszutauschen. Hier kommen Sie zum Programm und hier geht es direkt zur Anmeldung. Kristin Meisch ist Coordinator Risk Management bei Škoda. Foto: Privat Bis heute ist sie im Treasury der Volkswagen-Gruppe tätig. Und das nicht ohne Grund. „Mich hat das vielfältige Aufgabenspektrum begeistert. Durch meinen Job bin ich immer am Puls des Unternehmens und habe viele Schnittstellen zu anderen Abteilungen, etwa zum Controlling“, sagt Meisch. Gerade durch die Corona-Pandemie habe ihre Funktion nochmal an Bedeutung gewonnen. „Ich kann durch meine Tätigkeit aktiv etwas zur Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beitragen“, sagt die 31-Jährige weiter. Unternehmen haben mit Fachkräftemangel zu kämpfen Der demographische Wandel sorgt dafür, dass viele Unternehmen nach jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern suchen. Die Gen Z und bald auch die Generation Alpha gelten als schwierig, obwohl wissenschaftlich noch nicht geklärt ist, ob es wirklich große Unterschiede zwischen den Jahrgängen gibt. Fest steht aber: Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Es gibt zu wenige Fachkräfte, Unternehmen können nicht mehr aus Dutzenden Kandidaten wählen, sondern müssen um wenige potentielle Arbeitnehmer buhlen. Dadurch können Berufseinsteiger fordernder auftreten als noch vor einigen Jahren. Umso wichtiger ist es zu verstehen, was junge Mitarbeiter in der Finanzabteilung antreibt und beschäftigt. Dafür hat FINANCE mit mehreren Young Professionals gesprochen und sich Erfahrungen und Einschätzungen eingeholt. Eine Erkenntnis: Junge Mitarbeiter wollen ein fester Teil des Unternehmens sein sowie Prozesse verstehen und mitgestalten. Fabian Schimpf ist Investor-Relations-Manager bei Traton. Foto: Privat Von oben herab vorgegebene Aufgaben stoisch erfüllen wollen scheinbar die wenigsten. „An meinem Job mag ich vor allem, dass ich eine ‚Big Picture View‘ über mein Unternehmen habe. Ich kann durch Zahlen verstehen, wie das Geschäftsmodell meines Unternehmens funktioniert, und dieses dann als Geschichte verpackt nach außen tragen“, sagt Fabian Schimpf, Investor-Relations(IR)-Manager beim Nutzfahrzeughersteller Traton. Dabei arbeite er eng mit dem Management zusammen. „Durch den persönlichen Kontakt lerne ich super viel für meine weitere Karriere“, berichtet der 27-Jährige, der seinen Berufsweg eigentlich in der Unternehmensberatung starten wollte. Doch er entschied sich dagegen und begann stattdessen im Oktober 2021 in der IR-Abteilung bei Traton. Young Professionals setzen auf Vielfältigkeit Abwechslungsreiche und vielfältige Aufgaben – das ist der Antrieb von Emanuel Sican. „Besonders im Bereich Investor Relations musst du dich mit den Themen Finanzen, Recht und Kommunikation auskennen sowie über alle Departments im Unternehmen hinweg laufend Bescheid wissen.“ Der 28-Jährige wollte seine Karriere eigentlich in der Strategieberatung beginnen, durch eine Business Case Challenge des Batterieherstellers Varta an seiner Universität landete er schließlich in dem Unternehmen und agierte zunächst als CFO-Assistent. Heute ist er trotz seines jungen Alters Head of Investor Relations bei dem in der Restrukturierung befindlichen SDax-Konzern. Gerade in den IR müssen Berufseinsteiger eine gewisse Reisebereitschaft mitbringen, doch auch in anderen Bereichen der Finanzabteilung wird für die Young Professionals das Thema Internationalität großgeschrieben. Celine Eich, seit April 2023 Treasury-Spezialistin bei Biontech, schätzt besonders, dass sie eng mit Kollegen aus anderen Ländern zusammenarbeiten kann. „Durch den Austausch habe ich spannende Insights aus anderen Ländern und profitiere von einer steilen Lernkurve“, berichtet die 24-Jährige. Auch ihre Treasury-Kollegin Meisch ist international aktiv und aktuell als Coordinator Risk Management bei der tschechischen VW-Konzernmarke Škoda als Expat tätig. Flexible Arbeitsmodelle ziehen Nachwuchskräfte an Den Young Professionals, mit denen FINANCE gesprochen hat, ist zudem ein moderner Arbeitgeber wichtig, der seinen Mitarbeitern flexible Arbeitsmodelle anbietet. Eine Mischung aus Büro- und Home-Office-Tagen steht bei allen hoch im Kurs – gerade auch um den Spagat zwischen verschiedenen Unternehmensstandorten zu schaffen. Das Trendthema „Workation“, das vor allem der Gen Z zugeschrieben wird und die aktive Kombination von Arbeit und Urlaub beschreibt, ist den befragten Young Professionals hingegen nicht sonderlich wichtig. Pia Burkarth ist heute Abteilungsleiterin im Controlling. Foto: Privat Für Pia Burkarth zeichnet einen zeitgemäßen Arbeitgeber auch ein modernes Verständnis von Führung aus. „Führungskräfte verinnerlichen das Prinzip von ‚Servant Leadership‘, sie übernehmen mehr die Rolle eines Sparringspartners und schaffen eine Atmosphäre, in der jedes Teammitglied seine Meinung frei äußert und gern auf die Arbeit geht.“ Die 32-Jährige wusste bereits während ihres Studiums, dass sie ihre Karriere in der Finanzabteilung starten möchte. Heute ist sie Abteilungsleiterin Kostencontrolling bei der Signal Iduna Gruppe, einem Konzern, der Versicherungen und Finanzdienstleistungen anbietet. Zentral für die Young Professionals ist zudem, dass sie sich mit den Zielen und Werten des Unternehmens identifizieren können, wie aus den Gesprächen hervorgeht. Dazu zählt die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen wie Klimawandel, Diversität und Künstliche Intelligenz. Besonders Letztere verändert viele Prozesse in der Finanzabteilung. „Gleichzeitig erfordert Künstliche Intelligenz neue Kompetenzen und formt neue Rollen beziehungsweise beeinflusst das Rollenverständnis der Finanzabteilung im Unternehmen“, beobachtet Pia Burkarth. Um dennoch nicht den Anschluss in der Wirtschaft zu verlieren und einen Wettbewerbsnachteil zu haben, sollten sich Unternehmen stärker mit KI auseinandersetzen, finden die jungen Mitarbeiter. Young Professionals wollen Perspektiven und Ziele Die jungen Finanzerinnen und Finanzer zeigen sich in den Gesprächen ehrgeizig. Sie suchen im Arbeitsalltag neue Aufgaben und Herausforderungen. Im Vordergrund steht da vor allem die Möglichkeit, sich während der Arbeit und auch darüber hinaus weiterbilden zu können. „Ich habe neben meiner täglichen Arbeit die CIRO-Weiterbildung absolviert. Dort konnte ich mich mit Branchenexperten austauschen und das Gelernte anschließend direkt praktisch im Unternehmen anwenden“, erzählt Emanuel Sican, der gemeinsam mit seinem IR-Kollegen Fabian Schimpf Anfang Januar 2024 den Lehrgang beim Deutschen Investor Relations Verband (DIRK) absolviert hat. Emanuel Sican wurde mit 27 Head of Investor Relations. Foto: Privat In Prozesse einbezogen zu werden und frühzeitig Verantwortung übernehmen zu können, das finden alle Befragten wichtig. Dass man dafür auch mal ins kalte Wasser springen muss, weiß Varta-Manager Sican. Durch eine plötzliche Vakanz im Fachbereich Investor Relations wurde er mit gerade einmal 27 Jahren IR-Chef des Konzerns. „Durch meine vorherige CFO-Assistenz war ich mit dem Themenbereich bereits gut vertraut und habe mich dann aktiv für die Position entschieden“, erinnert er sich. Mit diversen Angeboten wie Weiterbildungsprogrammen oder Beförderungsaussichten können Unternehmen junge Mitarbeiter langfristig halten. „Young Professionals sind zurzeit opportunistisch und drängen nicht unbedingt auf einen Wechsel. Turbulente Zeiten ermöglichen ihnen spannende Projekte und die Übernahme von Verantwortung in der Organisation“, schätzt Personalberater Mario Barisic von Fricke, Finance & Legal ein. Auch Celine Eich will noch ihren Master absolvieren – und hat nun die Möglichkeit dazu, diesen bei Biontech berufsbegleitend zu machen. Im April 2024 wird sie ihren Master in Finance beginnen. „Ich möchte im Laufe der Zeit immer mehr verantwortungsvolle Aufgaben im Treasury übernehmen. Langfristig wäre mein Ziel eine Führungsaufgabe“, sagt Eich. Ausblick auf Führungsverantwortung Fabian Schimpf will künftig ebenfalls Führungsverantwortung übernehmen. „Ich will eine vielfältige Karriere haben, in der ich Auslandsstationen einbauen kann und verschiedene Abteilungen durchlaufe, um später eine leitende Position übernehmen zu können“, sagt der 27-Jährige und fasst damit zugleich die Wünsche und Ziele der interviewten Young Professionals zusammen. Für ihre Ziele sind die jungen Finanzer auch bereit, länger am Schreibtisch zu sitzen. „Meine aktuelle Arbeit macht mir viel Spaß, dafür arbeite ich durchaus auch mal länger. Das ist natürlich immer einfacher, wenn man seinen Job gern macht. Wenn man keine Ziele oder Perspektiven hat, ist die Bereitschaft meistens weniger gegeben“, sagt Schimpf und ist auch diesbezüglich mit den anderen Young Professionals einer Meinung. Berater Barisic wertet die Einstellung als exemplarisch: „Young Professionals bringen sich gerne mit besonderem Engagement und damit auch Überstunden mit dem Interesse ein, klare Ziele im Unternehmen zu erreichen.“ Junge Mitarbeiter bräuchten seiner Ansicht nach vor allem eines: „Perspektive, Perspektive, Perspektive“, sagt er. „Man muss zwar zwischen den unterschiedlichen Bereichen in der Finanzabteilung unterscheiden, alle haben unterschiedliche Persönlichkeiten und Interessen. Aber viele wollen Perspektive – und Wertschätzung.“ Mehr Transparenz an den Universitäten Freilich ist dieser Punkt wichtig, wenn man schon Young Professionals im Unternehmen hat. Aber wie kommen Konzerne am besten an Nachwuchsfinanzer? Die Meinung der befragten Young Professionals ist eindeutig: Unternehmen sind zu wenig präsent an den Universitäten und Hochschulen. Während Beratungen und Kanzleien an den Bildungsstätten in großem Stil rekrutieren, kommt von der Corporate-Seite zu wenig, so der Eindruck. Viele Studierende hätten die verschiedenen Berufsbilder, abgesehen von Accounting und Controlling, wenig bis gar nicht auf dem Schirm. Celine Eich stieg durch ein Praktikum im Treasury ein. Foto: Privat Führende Treasurer monieren seit Jahren, dass ihr Beruf an Hochschulen nicht präsent ist. „Die Unternehmen sollten sich sichtbarer machen, um jungen Leuten zu vermitteln, wie interessant und abwechslungsreich die Finanzabteilung ist. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten“, beobachtet Meisch. Das sieht auch ihre Treasury-Kollegin Eich so. „Der Fokus an Hochschulen sollte nicht nur auf den Zahlen liegen, sondern auch darauf, wie man in der Finanzabteilung einen aktiven Beitrag im Unternehmen leisten und strategisch mitwirken kann.“ Mentoring macht Karrierestart einfacher Und obwohl das Thema Frauenförderung medial präsent ist, fehlt es in Finanzabteilungen immer noch besonders an Frauen. Dabei mangele es vor allem auch an weiblichen Vorbildern in dem Segment, beobachten Burkarth und Meisch. „Ich hoffe, dass es zukünftig weitere sichtbare Role Models gibt, da sie vielen Frauen aufzeigen, was alles möglich sein kann“, sagt Burkarth. Denn eine weitere Erkenntnis aus den Gesprächen: Mentoring am Karrierestart ist den jungen Leuten wichtig. Eich hat gemeinsam mit ihren Vorgesetzten um Treasury-Chef Dirk Schreiber die Abteilung bei Biontech aufgebaut. „Durch die Zusammenarbeit mit meinen Mentoren habe ich viel Wissen für mich selbst mitgenommen und meine Fähigkeiten ausgebaut“, sagt sie. Vom Feedback eines Mentors Gebrauch zu machen, den Tipp will Traton-Manager Schimpf jungen Berufseinsteigern mitgeben. „Stellt am Anfang viele Fragen und traut euch“, sagt er. „Man sollte sich vor allem viel Feedback einholen – auch negatives. Und beim nächsten Mal macht man es dann besser.“ Generell sollten junge Nachwuchskräfte nicht nur Forderungen stellen, sondern bei ihrem Berufseinstieg Herausforderungen mit Offenheit begegnen. „Man sollte sich früh klar werden, dass sich Sachverhalte schnell ändern können und man flexibel reagieren muss“, fügt Sican hinzu. Neugierig bleiben und sich stetig weiterentwickeln wollen – das sei letztlich für Mitarbeiter und Unternehmen der beste Weg.

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