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Adler-Affäre: Stefan Kirsten redet Klartext

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Stefan Kirsten kommentiert den Forensik-Report der Adler-Affäre. Foto: Vonovia
Stefan Kirsten kommentiert den Forensik-Report der Adler-Affäre. Foto: Vonovia

Gestern Abend um 19 Uhr hat KPMG Forensik den Sonderprüfbericht dem Verwaltungsrat des unter Beschuss geratenen Immobilienkonzerns Adler zur Verfügung gestellt, danach haben Management, Teile der Finanzabteilung, Berater und Verwaltungsräte „die Nacht durchgearbeitet“, um den Bericht zu sichten und den Kapitalmarkt darüber zu informieren, berichtete Verwaltungsratschef Stefan Kirsten heute in einer kurzfristig anberaumten Telefonkonferenz. Und dort redete der Ex-Vonovia-CFO Klartext.

Vorweg seine zentrale Aussage: Wenngleich die Untersuchungsergebnisse von KPMG „kein Freispruch erster Klasse“ seien, sieht Kirsten die Vorwürfe des Shortsellers Viceroy gegen Adler als „erledigt“. Die Sonderprüfer hätten keine Beweise dafür gefunden, dass es systematisch „betrügerische oder die Gesellschaft ausplündernde Transaktionen mit angeblich nahestehenden Personen“ gegeben habe. „Von einer systematischen und umfassenden Bereicherung zulasten anderer Stakeholder kann meines Erachtens nach überhaupt keine Rede sein“, so Kirsten.

Wohl aber „gab es unbotmäßigen versuchten Einfluss in Anzahl und Tiefe durch Dritte“ sowie erhebliche Compliance-Mängel. Und diese spießte der Ex-Bundeswehr-Offizier, Major der Reserve, während der Telefonkonferenz in klarer Sprache auf.

„Defizite bei Compliance und Dokumentation“

„Adler ist angeschlagen, aber vital“, sagte Kirsten, der nur schwer verbergen konnte, wie sehr ihn die aufgedeckten Compliance-Mängel persönlich ärgern, obwohl er erst im Februar als Aufklärer in den Verwaltungsrat von Adler berufen worden ist.

Kirsten: „Die Untersuchung durch KPMG Forensik hat mehrere Schwachpunkte aufgedeckt. Erstens: eine schlechte Corporate Governance bei Geschäften mit Cevdet Caner (Anm. d. Red: Caner stand im Zentrum der Bereicherungsanschuldigungen von Viceroy). Auch darüber hinaus war unser Verständnis für Compliance zu schwach ausgeprägt. Außerdem haben wir Defizite bei der Dokumentation von Transaktionen sowie Nachholbedarf bei der Identifikation von Gegenparteien bei Immobilienan- und -verkäufen entdeckt.“

„Dass nach Deals diskutiert wird, wer ist der Schwager von wem, das wird es unter mir nicht mehr geben.“

Kirsten beurteilt Geschäfte mit Cevdet Caner kritisch

Hier spielte Kirsten konkret auf die Viceroy-Vorwürfe zu Friends-and-Family-Geschäften mit der Familie von Caner an: „Künftig will ich bei jeder größeren Transaktion wissen, wer der ultimative Nutznießer des Deals ist, damit gar nicht mehr diskutiert wird, wer ist der Schwager von wem. So etwas wird es nicht mehr geben.“

Im KPMG-Bericht werden alleine den Geschäften mit nahestehenden Personen, allen voran mit Caner, 85 Seiten gewidmet. Die Beurteilungen der Forensiker zu diesen Vorgängen sieht Kirsten differenziert: „Ein Abschluss von Beraterverträgen mit solchen Personen ist in der Immobilienbranche nicht ungewöhnlich. Auch die an sie gezahlten Beträge halte ich für angemessen. Nicht angemessen ist dagegen die Stückelung von Zahlungen an Caner auf dessen Wunsch hin.“ Sein Urteil: „Dies zeigt einen Grad an Hemdsärmligkeit, der nicht zu einer börsennotierten Gesellschaft passt. Das ist kein Zeichen guter Unternehmensführung.“

Abschreibungsbedarf im Development-Portfolio?

Die „für Investoren entscheidenden“ Punkte sieht Kirsten jedoch abseits der Governance-Themen, und zwar bei den Vorwürfen, Adler habe sein Immobilienportfolio viel zu hoch bewertet und in Wahrheit die Covenants seiner Finanzierungen gebrochen. Dort sieht er Adler entlastet, wenn auch nicht vollständig.

Im Einzelnen: Der Wert des Wohnungsportfolios von über 8 Milliarden Euro sei auch von KPMG bestätigt worden: „KPMG hat die Viceroy-Vorwürfe nach meinem Dafürhalten in Bausch und Bogen widerlegt. Viceroy hat die möglichen Wertabweichungen grotesk überhöht.“

Im Development-Portfolio hingegen (Wert: 1,7 Milliarden) könnte es nach ersten Berechnungen Kirstens einen Abschreibungsbedarf von bis zu 700 Millionen Euro geben. Dies liege aber nicht nur an Fehlbewertungen der Vergangenheit, sondern auch an den explodierenden Baukosten und nicht zuletzt „an der Kampagne von Viceroy selbst, die unserem Geschäft geschadet hat“, so Kirsten.

Bei der Berechnung des Verschuldungsfaktors „Loan to value“ habe es auf Ebene der Development-Tochter Consus laut KPMG Fehler gegeben, die im dritten Quartal 2019 auch zu einem nicht gemeldeten Covenant-Bruch geführt hätten. Aber dies sei „einmalig geschehen und rein theoretisch“, meint Kirsten. Folgen für die Finanzierung des Konzerns erwartet er nicht.

Eindeutig unterschiedliche Sichtweisen zwischen dem Verwaltungsrat von Adler und den Forensikern von KPMG gibt es bei der Beurteilung des Immobilienprojekts „Gerresheim“. Laut KPMG sei dafür ein erhöhter Preis bezahlt worden und teilweise auch an Caner nahestehende Personen geflossen. Kirsten verneint dies und hält sowohl den Preis als auch die Bilanzierung dieses Deals für angemessen.

Sonderprüfung hat Adler 6 Millionen Euro gekostet

Insgesamt hat die Sonderprüfung Adler rund 6 Millionen Euro gekostet, gut 4 Millionen davon flossen an KPMG. 40 externe Berater und 30 Anwälte waren involviert. Vor seinem Eintritt habe der Verwaltungsrat „die Sonderuntersuchung zu lasch geführt und begleitet“, bemängelte Kirsten.

Den gesamten Bericht hat Adler auf seiner Internetseite veröffentlicht, wenn auch mit vielen geschwärzten Namen und Personen („pseudonymisierte Fassung“). 3,1 Millionen Emails und Dokumente seien an KPMG übermittelt worden, 800.000 angefragte Dokumente jedoch nicht – um die eigene Rechtsposition zu schützen, rechtfertigt sich Kirsten: „Das damit verbundene Geschmäckle ist mir dreimal lieber als eine Klage in den USA wegen des Bruchs rechtlicher Vertraulichkeit.“

Zum weiteren Vorgehen sagte Kirsten: „Der Bericht ist die Basis der Diagnose, die Therapie kann erst danach erfolgen. Durch die Therapie kämpfen wir uns jetzt hindurch und machen Adler wieder zu einem respektierten börsennotierten Unternehmen.“ Dies könne auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen, so der Verwaltungsratschef.

Sein Fazit: „KPMG war beauftragt, Schwachstellen im Unternehmen zu identifizieren, und hat auch einige gefunden. Das ist alles keine Katastrophe. Aber ich versichere Ihnen: Unter mir wird sich das nicht wiederholen.“

Adler-Aktie springt nach oben

Interessant ist die Entwicklung des Aktienkurses von Adler im Tagesverlauf. In den ersten Handelsminuten und basierend lediglich auf der Ad-hoc-Mitteilung des Unternehmens, das sich dort entlastet sah, sprang die Aktie um 15 Prozent nach oben. Nach Veröffentlichung des Reports und den Ausführungen Kirstens bröckelten die Zugewinne bis zum Mittag dann auf etwa 9 Prozent ab.

Der Großaktionär Aggregate, hinter dem auch Caner steht und gegen den sich viele Vorwürfe von Viceroy gerichtet haben, äußerte sich so: „Wir begrüßen die Ergebnisse der Sonderprüfung und haben das alles immer für einen klaren Fall von Marktmanipulation gehalten.“

Vor dem Angriff Viceroys notierte die Adler-Aktie bei über 20 Euro, nun bei knapp 13 Euro. Der Höchstkurs wurde 2018 bei 48 Euro erreicht.