Newsletter

Abonnements

Gerry Weber – Bilanz mit Licht und Schatten

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken
Modekonzern Gerry Weber schreibt wieder Gewinn. Foto: Ralf - stock.adobe.com
Modekonzern Gerry Weber schreibt wieder Gewinn. Foto: Ralf - stock.adobe.com

Nun ist er da, der lang ersehnte Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2021 von Gerry Weber. Erst im zweiten Anlauf konnte das kriselnde Modeunternehmen das Zahlenwerk präsentieren, nachdem ein erneuter Wechsel des Abschlussprüfers hin zu KPMG die Veröffentlichung verzögert hatte.

Auf den ersten Blick scheint die Bilanz den Aktionären einen Grund zur Freude zu liefern, denn der Modekonzern aus Halle hat sich im vergangenen Geschäftsjahr zurück in die Gewinnzone gekämpft. Mit einem normalisierten operativen Vorsteuerergebnis (Ebitda) von 28,8 Millionen Euro konnte Gerry Weber sowohl die eigene Prognose eines negativen, niedrigen zweistelligen Millionenbetrages als auch den Vorjahreswert von minus 39,7 Millionen Euro übertreffen und ins Positive umkehren.

Gerry Weber kann Schulden abbauen

Das Finanzergebnis verbesserte sich auf 5,7 Millionen Euro (Vorjahr: minus 25,8 Millionen Euro), was vor allem an der Neubewertung von Insolvenz- und Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 30,3 Millionen Euro gelegen habe, so der Konzern. 2021 konnte Gerry Weber außerdem die Finanzverbindlichkeiten um 73,5 Millionen Euro auf 69,1 Millionen Euro reduzieren. Die Nettofinanzverschuldung lag zum Jahresende bei 19,1 Millionen Euro, die Eigenkapitalquote bei 19,8 Prozent (Vorjahr: 10,3 Prozent).  

CFO Florian Frank verbuchte das nun vorgelegte Zahlenwerk als Erfolg, schließlich sei es gelungen „die Eigenkapitalbasis des Konzerns im vergangenen Jahr gestärkt und unsere Verschuldung deutlich reduziert“ zu haben, erklärt Frank.

Selbst bereinigt um die positiven Effekte aus den staatlichen Überbrückungshilfen, Kurzarbeit und Bewertungsanpassungen liege das normalisierte Ebitda über der Prognose, bekräftigt Gerry Weber bei Vorlage der Bilanz. Und das, obwohl das Unternehmen nach eigenen Angaben noch immer die Folgen der Corona-Restriktionen spürt, die den Umsatz 2021 um 5,5 Prozent auf 262,7 Millionen Euro drückten, wie der Konzern betont.

Gerry-Weber-Aktie bricht ein

Von eitel Sonnenschein kann aber noch lange keine Rede sein. Denn im Einzelabschluss lässt sich die finanzielle Schieflage von Gerry Weber noch ablesen. So fiel hier nach HGB ein Verlust in Höhe von 5,1 Millionen Euro an, was der Hälfte des Grundkapitals von Gerry Weber entspricht. Dadurch habe der Modekonzern sein Eigenkapital „vollständig“ aufgezehrt, wie die Haller einräumen.

Maßgeblicher Grund für dieses Finanzdilemma sei die Übernahme des Jahresfehlbetrags in der Tochter Gerry Weber Retail in Höhe von rund 30 Millionen Euro gewesen, erklärt der Vorstand um CEO Angelika Schindler-Obenhau. Auch coronabedingte Umsatzrückgänge und erforderliche Rückstellungen für einzelne Mietverträge hätten ihren Teil dazu beigetragen. Zudem wurden die Insolvenz- und Darlehensverbindlichkeiten im Einzelabschluss weiterhin ohne Neubewertung bilanziert.

Alles zum Thema

Gerry Weber

Lange kämpfte Gerry Weber darum, seine Finanzen zu stabilisieren. Im Januar 2019 musste der westfälische Modekonzern dann aber Insolvenzantrag stellen. Wie es so weit konnte und wie es weitergeht, lesen Sie hier.

„Wir arbeiten fortlaufend an Optionen für die im kommenden Geschäftsjahr anstehende Refinanzierung. Dass es aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Einzelabschluss zu vermehrten Risikovorsorgen und damit zu einem Aufzehren des Eigenkapitals gekommen ist, ist bedauerlich, aber für den Konzern nicht bestandsgefährdend“, so der Finanzchef. Nun prüft der CFO neben einer Kapitalerhöhung auch andere Optionen. “Wir müssen jetzt langsam Gas geben”, räumt Frank ein.

Am Kapitalmarkt scheinen die besänftigenden Worte des CFO nicht anzukommen. Die Anleger strafen trotz der Rückkehr des Gesamtkonzern in die Gewinnzone das Gerry-Weber-Papier ab. Die Aktie ist zum Wochenstart prompt um 8 Prozent eingebrochen.

Gerry Weber muss außerordentliche Hauptversammlung einberufen

Nun muss Gerry Weber eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen. Ein Termin dafür steht bereits. Nachdem auch die reguläre Hauptversammlung zunächst verschoben wurde, sollen beide Aktionärstreffen nun doch wie geplant am 7. Juli abgehalten werden.

Gerry Weber hatte den Termin der Hauptversammlung zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Im gleichen Atemzug wurde auch die geplante Veröffentlichung des Konzernabschlusses neu datiert –  aufgrund der andauernden Corona-Pandemie und der Erstprüfung durch das Big-Four-Haus KPMG, das alle Prozesse und Kontrollmechanismen sorgfältig prüfe, so Ende April die Erklärung von Gerry Weber.

KPMG hat dabei auch Mängel für den Berichtszeitraum 2020 entdeckt, die korrigiert werden mussten. Vor Journalisten bestätigte Frank nun, dass es vor allem um die Vorratsbewertung ging. Bisher habe Gerry Weber als Hersteller bilanziert, jetzt als Händler, weil KPMG der Ansicht sei, dass das Risiko nicht komplett bei Gerry Weber liege, erklärt Frank. Auch die Bewertung der Retail Stores führe nach IFRS zu Abschreibungen. Konkret bedeutet dies, dass das normalisierte Ebitda um 0,9 Millionen Euro nach unten angepasst wurde. Auch hier spricht Frank von einem rein bilanziellen Effekt, der nicht cashwirksam sei.

2022 bleibt für Gerry Weber angespannt

Es zeigt sich also, ausruhen wird sich das Management von Gerry Weber auf seinem Jahresgewinn nicht. Die Lage bleibt angespannt. Nicht nur, weil im kommenden Geschäftsjahr Refinanzierungen anstehen. Das Umfeld bleibt für den Mode-Einzelhandel auch angesichts des Ukraine-Krieges sowie durch die steigende Inflation insgesamt herausfordernd. So dürfte 2022 wieder ein Verlustjahr werden. Zumindest prognostiziert Gerry Weber wenig optimistisch ein normalisiertes Ebitda im negativen niedrigen einstelligen Millionen-Euro Bereich. Der Konzernumsatz soll in einer Bandbreite zwischen 310 und 335 Millionen Euro liegen.

melanie.ehmann[at]finance-magazin.de

Melanie Ehmann ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen am M&A- und Private-Equity-Markt. Sie hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Melanie Ehmann sechs Jahre in der Redaktion des Platow Verlags, zunächst als Volontärin, später als Wirtschaftsjournalistin im Platow Brief und den Sonderpublikationen.

Unternehmen