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Sonderprüfung: Wirecard geht in die Offensive

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Der Zahlungsdienstleister Wirecard will mit einer Sonderprüfung jegliche Betrugsvorwürfe widerlegen.
Wirecard

Nach Tagen voller widersprüchlicher Aussagen hat sich der Zahlungsdienstleister Wirecard nun doch entschlossen, eine Sonderprüfung der eigenen Geschäfte und Bilanzen in Auftrag zu geben. Diesbezügliche Medienberichte von Ende vergangener Woche hatte Aufsichtsratschef Wulf Matthias noch am Wochenende zurückgewiesen. Doch am heutigen Montag gab Wirecard dem Druck zahlreicher Investoren, endlich offensiv für Klarheit zu sorgen, nach.

„Vorstand und Aufsichtsrat von Wirecard haben sich entschlossen, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer unabhängigen Untersuchung zu beauftragen, um alle Vorwürfe, die von der britischen Zeitung Financial Times (FT) aufgebracht wurden, umfassend und unabhängig aufzuklären,“ ließ das Unternehmen mitteilen.

Die Untersuchung durch KPMG soll unverzüglich beginnen. Wirecard verspricht, den Wirtschaftsprüfern „uneingeschränkten Zugang zu allen Informationen auf allen Konzernebenen“ zu gewähren und den Untersuchungsbericht nach Abschluss der Prüfung auch zu veröffentlichen. Aufsichtsrat Thomas Eichelmann, Vorsitzender des Prüfungsausschusses und Ex-CFO der Deutschen Börse, wird auf Seiten Wirecards die Untersuchung begleiten.

Wirecard beharrt auf eigener Bilanzqualität

Aufsichtsratschef Matthias hat klare Erwartungen an den Ausgang der Sonderprüfung: „Wir haben vollstes Vertrauen in die bisherigen Prüfungshandlungen und deren Ergebnisse. Wir gehen davon aus, dass die erneute unabhängige Prüfung dazu führt, alle weiteren Spekulationen endgültig zu beenden.“

Der eigentliche Wirtschaftsprüfer ist Ernst & Young (EY). Während die FT Anfang des Jahres umfangreiche Betrügereien bei Wirecard in Singapur aufgedeckt zu haben glaubte, erteilte EY Wirecard ein uneingeschränktes Testat für die Bücher zum Geschäftsjahr 2018 „Das Einzige, was bilanzwirksam passiert ist, war eine Periodenfalschbuchung über 2,5 Millionen Euro“, relativierte Wirecard-Chef Markus Braun das Ausmaß der vermeintlichen Vorkommnisse in Singapur. „Diese Buchung wurde berichtigt. Es gibt keinen Änderungs- und Abschreibungsbedarf.“

Darüber hinaus hatte EY in der vergangenen Woche noch einmal explizit bestätigt, „dass alle gesetzlichen und fachlichen Auditanforderungen vollständig erfüllt wurden und werden.“ Im Rahmen der Konzernprüfung habe EY zudem die beiden Tochtergesellschaften in Dubai geprüft, die im Zentrum der neuesten Betrugsanschuldigungen durch die FT stehen. Auch die Prüfungen durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) hätten keine fehlerhafte Rechnungslegung ergeben.

Wirecard konterte FT-Vorwürfe eher halbherzig

Am Mittwoch vergangener Woche hatte die FT unter Berufung auf angebliche interne Dokumente berichtet, dass Wirecard in Dubai und Irland zu hohe Umsätze und Gewinne ausgewiesen habe. Im Fokus steht dabei eine Partner-Gesellschaft aus Dubai namens „Al Alam Solutions“. Im Jahr 2016 soll diese mit sechs bis sieben Angestellten rund die Hälfte des gesamten Konzerngewinns erwirtschaftet haben. Manche von der FT kontaktierte Wirecard-Kunden hätten von Al Alam noch nie etwas gehört.

Wirecard bezeichnete die Dokumente zunächst als Fälschungen, erklärte  später dann aber, dass die Dokumente lediglich einen aggregierten Blick auf sogenannte „Kundencluster“ bieten würden, hinter denen Hunderte Einzelunternehmen stünden, zum Teil mit Alias-Namen. Viele Investoren waren unzufrieden mit diesem Krisenmanagement – wie auch schon im Fall früherer Anschuldigungen durch die britische Wirtschaftszeitung. Und sie verloren im Zuge dessen zum wiederholten Male viel Geld: Vergangene Woche brach der Wirecard-Kurs zeitweise um 23 Prozent ein.

Am Freitag versuchte der Finanzdienstleister mit der Ankündigung eines Aktienrückkaufs über 200 Millionen Euro die Anleger zu beruhigen, sorgte aber nur für Gegenteiliges: Die Papiere büßten abermals 6 Prozent ein.

Analysten stellen klare Forderungen an Wirecard

Die Reaktion des Marktes auf die Einsetzung von KPMG als Sonderprüfer ist einhellig positiv. Die Wirecard-Aktie steigt um mehr als 7 Prozent, und Analysten heben hervor, dass Wirecard nun erstmals auch etwas Grundsätzliches unternehme, um die anhaltenden Zweifel an dem Dax-Konzern auszuräumen. „Wirecard war in dieser Angelegenheit bislang in einer defensiven Position und hatte die Anschuldigungen der FT nur von sich gewiesen. Nun legt das Unternehmen den Hebel um“, lobte beispielsweise die Baader Bank.

Dennoch mahnen viele Analysten auch zur Vorsicht. Nach Einschätzung des Bankhauses Lampe werde es nun einige Monate dauern, bevor KPMG Ergebnisse liefern könne. „Ein hohes Maß an Transparenz“ sei freilich nötig für eine grundsätzliche Neubewertung der Aktie, verlangt JP Morgan. Die Analysten von Mainfirst formulieren sogar klare Anforderungen an Wirecard, die zeitlich weit über die Dauer der nun eingeleiteten Sonderprüfung hinausreichen:  „Die einzige langfristige Lösung ist ein höheres Maß an Offenlegungen in den Kerngeschäftssegmenten und geographischen Standorten von Wirecard.“

martin.barwitzki[at]finance-magazin.de

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