Bei BASF übernimmt eine KI Liquiditätsplanung und Cashflows

Mit einem Jahresumsatz von zuletzt 68,9 Milliarden Euro ist BASF der größte Chemiekonzern der Welt. Rund 112.000 Mitarbeiter zählt die Gruppe weltweit. Doch nicht alle Aufgaben übernehmen Menschen: In der Liquiditätsplanung wirkt mittlerweile eine Maschine. Der „Algorithm Based Cash Forecast“, kurz ABC-Forecast, wertet für den Konzern große interne und externe Datenmengen aus und sagt auf dieser Grundlage künftige Zahlungsströme voraus. „Der ABC-Forecast plant etwa 60 Prozent der Cashflows der BASF-Gruppe“, sagt Joanna Scheinker, Liquidity Planning Lead bei BASF, zu dem Predictive-Analytics-Modell. Diese 60 Prozent würden von elf Gesellschaften erwirtschaftet, die zu den großen Produktionsgesellschaften von BASF gehören, so Scheinker. Die Künstliche Intelligenz (KI) in der Liquiditätsplanung funktioniert konkret so: Der ABC-Forecast erstellt für die ausgewählten Gesellschaften rollierend jeden Monat einen Liquiditätsplan für die kommenden sechs Monate, der am Ende in einem konzernweiten Forecast konsolidiert wird. Vor seiner Einführung haben die einzelnen Gesellschaften die jeweiligen Daten erhoben, erfasst und die zu erwartenden Zahlungsströme vorhergesagt. „Es gab viele Schnittstellen und viele Abstimmungen. Und natürlich war auch viel Excel im Einsatz“, erinnert sich Scheinker. Schrittweise Einführung der KI in der BASF-Finanzplanung Heute macht der ABC-Forecast die Vorhersage für die ausgewählten Gesellschaften, verifiziert durch das Team in Ludwigshafen. Die Abstimmungen mit den zahlreichen einzelnen Schnittstellen weltweit entfallen. „Wir haben anfangs die Maschine parallel zur menschlichen Planung laufen lassen“, berichtet Roland Heisecke, Director Financial Planning bei BASF. Im Laufe der Zeit konnten die Fähigkeiten der KI sukzessive verbessert werden, wodurch sie schließlich zum integralen Bestandteil der Finanzplanung aufgestiegen ist. „Es war aber kein ‚Big Bang‘, sondern ein schrittweiser Prozess“, beschreibt der Finanzplaner die Einführung des Tools. Denn die Umstellung erfolgte von 2019 an über mehrere Jahre, eine Gesellschaft nach der anderen führte den Forecast ein. Info BASF Der Dax-Konzern wurde im Jahr 1865 als „Badische Anilin- und Sodafabrik“ in Mannheim gegründet und zog wenig später auf die andere Rheinseite nach Ludwigshafen, wo bis heute der Hauptsitz ist. Der Stammsitz des Chemieriesen umfasst rund 2.000 Gebäude auf etwa 10 Quadratkilometern. Mit rund 39.000 Beschäftigten arbeitet etwa ein Drittel der weltweiten Mitarbeiter hier. BASF entwickelt digitale Liquiditätsplanung intern Der Chemieriese hatte sich schon vor längerer Zeit entschieden, sich weiter digitalisieren zu wollen. Die Liquiditätsplanung habe sich als ein Use Case angeboten, sagt Heisecke. 2017 wurde dann ein Team – eine Handvoll Leute aus der IT und aus dem Treasury – zu diesem Zweck gegründet, das den Forecast dann komplett intern entwickelt hat. Heisecke schätzt bei dieser Vorgehensweise vor allem die kurzen Wege bei Abstimmungen, das habe den Prozess deutlich vereinfacht und für Flexibilität gesorgt. Seine Kollegin Scheinker fügt hinzu: „Wir haben den Prozess die ganze Zeit begleitet, waren und sind immer im Austausch und können auch spontan Wünsche an die IT äußern.“ Mit Kommunikation gegen Ängste vor KI und Automatisierung Neue Technologien treffen jedoch oft auf Widerstand in der Belegschaft, da speziell bei Automatisierung und KI befürchtet wird, dass Stellen eingespart werden könnten. „Eine gewisse Skepsis“ sei bei den Kollegen durchaus vorhanden gewesen, räumt Scheinker ein. „Aber wir haben ihnen ganz genau erklärt, was wir machen und welchen Nutzen sie davon haben.“ Auch die transparente Darstellung der Liquiditätsströme im neuen Dashboard habe dazu beigetragen, die Kollegen mitzunehmen. Seine Stelle verloren habe wegen des ABC-Forecasts niemand, vielmehr widmeten sich die Finanzer nun anderen Aufgaben. Das Management hingegen stand von Anfang an hinter dem neuen Tool, er habe „volle Rückendeckung“ gehabt, sagt Finanzplaner Heisecke. Im Gegenzug habe das Projektteam das Management über jeden Schritt und mögliche Implikationen informiert. So habe die Chefetage frühzeitig gewusst, dass der Liquiditätsplan schneller und effizienter werden würde. Datenqualität ist Grundlage des automatisierten Forecasts Vor den ersten Einsätzen mussten die Finanzplaner das Futter für den Forecast bereitstellen. Das heißt: Daten sammeln und bereinigen. „Man benötigt historische Unternehmensdaten. Je länger der Erhebungszeitraum ist, desto besser“, erklärt Heisecke. „Und diese muss man um Sondereffekte und einmalige Ereignisse bereinigen“, da die KI sonst falsche Schlüsse ziehe. »Wenn das chinesische Neujahr gefeiert wird, hat das einen sehr großen Einfluss auf die Cashflows des Monats.« Joanna Scheinker, BASF Angefangen hat das Team mit dem Mutterkonzern BASF SE. Danach haben Scheinker und Heisecke mit ihrem Team dann versucht, dessen Daten-Cluster auf andere Gesellschaften zu übertragen. „Das hat anfangs manchmal gut funktioniert, manchmal weniger gut“, gibt Scheinker zu. Nacharbeiten musste das Team vor allem, wenn die Beschreibungen in den jeweiligen Gesellschaften nicht eindeutig waren. „Man musste wirklich in die Details schauen. Das kostet sehr viel Zeit.“ Von Vorteil hingegen war bei dem Projekt, dass BASF konzernweit bereits ein einheitliches SAP-System nutzt. Dennoch waren die Daten nicht alle sofort auf Knopfdruck verfügbar. „Manche waren archiviert und mussten neu generiert werden“, erinnert sich Scheinker. BASF nutzt SAP und externe Daten für Cashflow-Prognosen Neben den internen historischen und aktuellen Daten stehen auch externe Daten auf dem Menü des Forecasts. „Der ABC-Analyzer schaut sich auch die Treiber der Cashflows an und identifiziert Indikatoren, die den Cashflow beeinflussen“, erklärt Scheinker. In der Produktion seien das oft Rohstoffpreise, aber auch Feiertage. „Wenn zum Beispiel das chinesische Neujahr gefeiert wird, hat das einen sehr großen Einfluss auf die Cashflows des Monats“, nennt sie ein Beispiel. Externe makroökonomische Daten würden direkt aus definierten externen Quellen in das System gespeist. Etwa anderthalb Jahre habe allein das Sammeln der Daten gedauert. Erst danach habe das Projektteam in die Entwicklung des eigentlichen Tools gehen können. BASF-Finanzplanung verifiziert KI-Ergebnisse durch Soll-Ist-Vergleich Dabei musste das Finanzteam von BASF durchaus eine gewisse Experimentierfreude mitbringen: „Wir haben individuell geprüft, mit welchem Algorithmus und welcher Vorgehensweise wir das beste Ergebnis pro Gesellschaft herausbekommen“, so Heisecke. Der ABC-Forecast verwendet nun je nach Gesellschaft unterschiedliche statistische Berechnungsmethoden, die das Team zudem fortwährend in Back-Testings überprüft. Verifiziert werden die Ergebnisse vor allem durch einen Soll-Ist-Vergleich. „Wir prüfen monatlich, was wir geplant haben und wie die aktuellen Daten aus dem Forecast tatsächlich sind“, so Scheinker. Alles zum Thema Robotics und KI Eine Reihe von Routinearbeiten im Finanzbereich lassen sich über Algorithmen bereits automatisiert abwickeln. Selbstlernende Systeme sollen bald noch komplexere Aufgaben stemmen. Mehr lesen Während sie früher bei der Planung vor allem historische Daten miteinander vergleichen konnte, sieht die Finanzabteilung nun schneller Niveauverschiebungen oder Trends. Innerhalb weniger Minuten oder Stunden liefert der ABC-Forecast die gewünschte Analyse in anschaulichen Dashboards. Auch wenn die Mathematikerin Scheinker grundsätzlich sehr zufrieden ist, einen Wunsch hat sie an das System: „Es ist eine Herausforderung, jede einzelne Zahl und die monatlichen Veränderungen umfassend zu erklären. Wir streben nach noch mehr Transparenz.“ Die Ergebnisse aber stimmen jetzt schon.

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