Kaum eine Frage löst so viele Diskussionen in Unternehmen aus: Top-down oder doch lieber Bottom-up? In Sachen Planung und Budgetierung ist das der Dauerbrenner schlechthin. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile. Doch welcher ist der richtige für das eigene Unternehmen?
In der Praxis zumindest zeigt sich ein klares Bild: Der Bottom-up-Ansatz ist immer noch am stärksten verbreitet. Dabei beginnt das Unternehmen mit seiner Planung ganz unten im Management, zum Beispiel auf Ebene der einzelnen Bereichsleiter oder gar der einzelnen Controller, wie Planungsexperte Jörg Leyk von Horváth & Partners erklärt. „Erst nach und nach gelangt die Planung zum CFO, der wiederum ein Feedback nach unten gibt. So entstehen drei bis fünf Planungsschleifen, bis die Planung steht.“
Genau dies ist der größte Nachteil dieses Ansatzes: Eine Bottom-up-Planung dauert sehr lange – gut und gerne bis zu sechs Monate. Das neue Geschäftsjahr hat dann manchmal sogar schon begonnen, bevor die Planung endgültig fertig ist. Hinzu kommt: Häufig wird auch im letzten Moment noch etwas geändert. Mit dem ersten Entwurf hat das Endergebnis meist nicht mehr viel zu tun, bemängelt Leyk.
Planung und Budgetierung: Bottom-up motiviert Mitarbeiter
Dass dieser träge und aufwendige Ansatz trotzdem so beliebt ist, hängt damit zusammen, dass er eine hohe Identifikation der Mitarbeiter erzeugt – ein wichtiges Ziel vieler Führungskräfte. So haben bei Bottom-up-Prozessen die Mitarbeiter nicht das Gefühl, Ziele „von oben herab“ diktiert zu bekommen, sondern sie aktiv mitgestalten zu können. Hinzu kommt, dass sich der CFO bei der Bottom-up-Planung zunächst zurücklehnen kann: Er kann die Vorschläge abwarten und muss sich nicht im Detail mit dem Tagesgeschäft auskennen, so Leyk. Das ist manchem Finanzchef ganz recht.
Doch seit der Finanzkrise 2008/2009 hat der seit Jahrzehnten etablierte Vorgehensweise an Beliebtheit eingebüßt: Als sich die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen innerhalb kürzester Zeit wandelten und über Jahre unberechenbar blieben, erwiesen sich Bottom-up-Planungen in den meisten Unternehmen als zu unflexibel und zu langsam.
In dieser Zeit begannen viele Controlling-Experten zu predigen, den Planungsansatz zugunsten von Top-down aufzugeben. Bei Top-down-Planungen definiert die Geschäftsführung Zielvorgaben und gibt diese anschließend an die unteren Ebenen weiter. Diese wiederum spielen ihr Feedback an das Management zurück. Dadurch verläuft der Planungsprozess wesentlich schneller – im Idealfall dauert er nur sechs bis acht Wochen, sagt Michael Kappes von Horváth & Partners. Ein weiterer Vorteil: Die Geschäftsführung kann schnell auf Änderungen im Umfeld reagieren, indem sie ohne langwierige Planungsschleifen Vorgaben einfach anpasst.
Zahlreiche Unternehmen änderten ihre Planungsstrategie, darunter Riesen wie Henkel oder Evonik. „Der Trend zu Top-down ist nach wie vor da“, berichtet Kappes. „Aber er vollzieht sich sehr langsam.“ Der Grund: Ein Wechsel erfordert einen oft radikalen Kulturwandel im Unternehmen, den viele Führungskräfte nicht anstoßen wollen oder können.
Top-down-Budgetierung: Hohe Anforderungen an Top-Management
In der Praxis stoßen Unternehmen außerdem auf ein weiteres Problem: Mitarbeiter akzeptieren die Planvorgaben nicht, weil sie sich an der Zielsetzung nicht beteiligt fühlen, heißt es häufig seitens der Kritiker. Diese Schwäche muss die Führung abfangen, rät Kappes: „Wichtig ist, dass der CFO nicht platt dirigiert, sondern den Dialog sucht und vernünftige Ziele definiert.“ Aber gerade bei großen Konzernen kann es schwer sein, diesen Dialog zu führen, da es viele Ebenen und Beteiligte gibt. Doch gerade dann ist der Austausch besonders wichtig, um die Identifikationen mit den Zielen zu verstärken. Top-down eignet sich also eher für kommunikations- und überzeugungssstarke CFOs, die sich nicht zu schade dafür sind, auch Detaildiskussionen mit Vertretern einzelner Geschäftsbereiche zu führen.
Viele CFOs unterschätzen dies aber, vor allem dann, wenn sie einen Wechsel von Bottom-up zu Top-down planen, hat Leyk erlebt. „CFO-Bereiche sind sehr zahlen- und faktengetrieben. Weiche Aspekte wie eine gute Kommunikation werden oft unterschätzt – das macht den Wechsel zu Top-down für viele so schwer“, warnt der Controlling-Experte.
julia.schmitt[at]finance-magazin.de
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Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.